Merry Christmas & Farewell

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschiedet sich das LiT-Team! Ziel unserer Initiative war es, Frauen insbesondere in der IT-Branche sichtbarer zu machen, zu unterstützen und mit verschiedenen Projekten Einfluss zu nehmen. Das ist uns gelungen und in den letzten Jahren haben wir gemeinsam die Branche weiterentwickelt. Zum Jahresende schließen wir die Initiative Ladies in Tech nun ab, um uns mit großer Vorfreude anderen wichtigen Themenfeldern zu widmen. Wir bedanken uns für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit zahlreichen engagierten Mitgliedern, Partnern und Freunden des Verbands. Wir informieren Sie gerne weiterhin über Neuigkeiten in unserem Newsletter eco weekly – und auf unserer Website www.eco.de – bleiben Sie gespannt!  

Wir wünschen Ihnen ein fröhliches Weihnachtsfest sowie einen guten Start in das Jahr 2025! 

Viele Grüße und auf Wiedersehen, 

Ihre eco #LiTs 

Leoni Rossberg

Im Gespräch mit Leoni Rossberg, Co-Founder & Managing Director bei Groundbreaker gGmbH

Seit 2019 setzt sich die gemeinnützige Groundbreaker gGmbH für eine gerechte Verteilung von Ressourcen ein. Durch ihr innovatives Foundation-as-a-Service-Konzept und ein breites Netzwerk an Partnerorganisationen in über 40 Ländern des Globalen Südens macht die Organisation es so einfach und unkompliziert wie möglich, sich für einen guten Zweck zu engagieren. Seit diesem Jahr ermöglicht die Organisation erstmals die Vergabe von Stipendien im Rahmen des Programms Groundbreaker Talents, welches junge Frauen in Uganda in einem praxisnahen, einjährigen Bootcamp zu Software-Entwicklerinnen ausbildet. Ziel ist es, die Qualifikationslücke zwischen gefragten Fachkräften und einer Jugend voller Potenzial zu schließen. Für viele junge Frauen ist dieses Stipendium die einzige Chance auf einen angemessenen Lohn und die Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben. Im Interview mit Leoni Rossberg, Co-Founder & Managing Director bei Groundbreaker gGmbH erfahren wir, wie sie das Programm Groundbreaker Talents in Uganda implementiert.

In Europa ist der Gender-Gap in der Tech-Branche immer noch groß: In europäischen Unternehmen sind nur 22 Prozent* der Tech-Jobs von Frauen besetzt. Wie sieht die Lage in der IT-Branche in afrikanischen Ländern aus?

Das Gleiche gilt leider auch für afrikanische Länder wie z.B. Uganda, wo sich die Kluft zwischen den Geschlechtern in der Technologiebranche sogar vergrößert und Frauen oft in Junior- und Einsteigerpositionen feststecken, was ihre berufliche wie auch persönliche Entwicklung massiv beeinträchtigt. Das Hauptproblem hierbei ist der erschwerte Zugang zu Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Netzwerken und Mentoring-Programmen.

Zusätzlich zu den 22% Gender-Gap müssen wir auch darüber sprechen, dass nur 3% der Tech-Jobs von schwarzen Frauen besetzt sind. Bei Groundbreaker sind wir überzeugt vom „Diversity Imperative“, also dass Unternehmen mit einer vielfältigen Belegschaft und einer integrativen Arbeitsplatzkultur erfolgreicher und besser für die Zukunft gerüstet sind.

Wir würden gerne mehr über Dein Projekt erfahren. Warum hast Du Dich für Uganda entschieden? Gibt es Erfolgs-Stories von Teilnehmerinnen, von denen Du uns erzählen kannst?

Seit der Gründung von Groundbreaker sind wir verstärkt in der Tech-Welt aktiv. Viele Unternehmen, mit denen wir Gespräche geführt haben, zeigten großes Interesse sich zu engagieren, fragten jedoch wiederholt danach, wie sie ihre Mitarbeitenden aktiv einbinden könnten. Zudem haben wir immer wieder wahrgenommen, wie wenig diversifiziert die Tech-Szene ist.
Mit unserem Stipendienprogramm Groundbreaker Talents verfolgen wir daher das Ziel, jungen Frauen im afrikanischen Raum langfristige Wege aus der Armut zu ermöglichen und gleichzeitig die Talentpipeline diverser zu gestalten. Deshalb sprechen wir auch nicht mehr von Spenden; vielmehr geht es uns um soziale Investitionen in die Ausbildung der richtigen Talente.

Für Uganda sprach vor allem Englisch als Amtssprache und eine ähnliche Zeitzone wie Europa – die besten Voraussetzungen für eine unkomplizierte internationale Zusammenarbeit. Die Tech-Szene in Uganda erlebt momentan einen beeindruckenden Aufschwung, begünstigt durch Investitionen in digitale Infrastrukturen im Rahmen der „Digitalen Agenda 2040″, was zu zahlreichen neuen Stellen im formellen Sektor führt.

Im Juni dieses Jahres startete unsere erste Kohorte und die Erfolge sind bereits deutlich sichtbar. Die Lernfortschritte, die die jungen Frauen bereits nach nur fünf Monaten verzeichnen können, sind beachtlich. Der sogenannte „Residential Approach“, also das Studieren und Wohnen auf einem Campus, zeigt bereits seine Wirkung, obwohl einige von unseren Stipendiatinnen das Training begonnen haben, ohne jemals zuvor Zugang zu einem Computer gehabt zu haben. Es erfüllt uns mit Freude zu beobachten, wie diese jungen Frauen handfeste Fähigkeiten erwerben und gleichzeitig an Selbstvertrauen gewinnen.

Darüber hinaus sehen wir, dass unser Mentoring-Programm mit Tech-Firmen im Globalen Norden einen erheblichen Einfluss hat. Der persönliche Kontakt zwischen Mentor*in und Mentee fördert Offenheit und trägt dazu bei, Barrieren abzubauen. Unser Ziel ist es, Diversität auf beiden Seiten zu fördern und so einen nachhaltigen Einfluss zu erzielen.

Welchen Herausforderungen bist Du während Deinem Projekt begegnet? Wie bist Du damit umgegangen?

Bisher sind erfreulicherweise nur wenige wirkliche Herausforderungen aufgetreten. Unser Team in Uganda ist fantastisch und hoch motiviert. Die Entscheidung, junge Frauen ohne Vorerfahrung und aus finanziell extrem benachteiligten Verhältnissen auszubilden, macht das Programm selbst natürlich schon anspruchsvoll. Gerade zu Beginn gab es unter den Stipendiatinnen viel Überforderung, aber alle haben sich in Resilienz und Geduld geübt. Außerdem gehören Stromausfälle und vorübergehende Internetprobleme leider zum Alltag. Glücklicherweise wird das jedoch bald Geschichte sein, da wir auf unserem neuen Campus ausreichend Generatoren installiert haben.

Es gibt viele tolle humanitäre Organisationen und Projekte, die lokalen Einwohner:innen einen wirklichen Mehrwert bringen. Doch es ist nicht immer einfach sie zu finden. Welche Tipps hast Du für diejenigen, die Interesse an humanitärer Arbeit haben? Worauf muss man bei der Wahl des Projektes achten?

Bevor wir Groundbreaker gegründet haben, habe ich viele Jahre in verschiedenen kleinen und großen Organisationen gearbeitet. Um echten Mehrwert zu generieren, ist es meiner Meinung nach wichtig, lokale Strukturen zu unterstützen. Ich verstehe aber, dass es schwierig ist diese kleinen, lokalen Organisationen zu finden und ihnen dann auch noch einen Vertrauensvorschuss zu geben. Aus dieser Herausforderung entstand die eigentliche Idee für unser Konzept „Foundation-As-A-Service“. Wir wollten es so einfach und unkompliziert wie möglich für motivierte Spender:innen machen, ein tolles Projekt zu finden, das einen nachhaltigen Unterschied macht. Mittlerweile haben wir ein großes Netzwerk an lokalen Initiativen im Globalen Süden in über 40 Ländern und können diese mit den passenden Spender:innen vernetzen. Allgemein würde ich immer Projekte suchen, die keine Abhängigkeiten schaffen und einen nachhaltigen Ansatz vorzeigen können.

Vielen herzlichen Dank für Deine Zeit und Dein Mitwirken in unserer Interview-Reihe!

*Quelle: https://www.mckinsey.com/capabilities/mckinsey-digital/our-insights/women-in-tech-the-best-bet-to-solve-europes-talent-shortage#/

Das Hauptproblem hierbei ist der erschwerte Zugang zu Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Netzwerken und Mentoring-Programmen.

Die Tech-Szene in Uganda erlebt momentan einen beeindruckenden Aufschwung, begünstigt durch Investitionen in digitale Infrastruktur im Rahmen der „Digitalen Agenda 2040″.

Die Entscheidung, junge Frauen ohne Vorerfahrung und aus finanziell extrem benachteiligten Verhältnissen auszubilden, macht das Programm selbst natürlich schon anspruchsvoll.

Wir wollten es so einfach und unkompliziert wie möglich für motivierte Spender:innen machen, ein tolles Projekt zu finden, das einen nachhaltigen Unterschied macht.

Olga Nevska

Im Gespräch mit Dr. Olga Nevska, Geschäftsführerin der Telekom MobilitySolutions

Olga Nevska ist Geschäftsführerin der Telekom MobilitySolutions, wo sie seit 2019 die Transformation einer der größten Unternehmensflotten zu einem innovativen Mobilitätsprovider verantwortet. Olga steht für Dekarbonisierung, Diversifizierung und Digitalisierung und setzt auf nachhaltige, geteilte Mobilität für alle Mitarbeitenden. Die an der FU Berlin promovierte Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlerin ist Gastdozentin an der Universität St. Gallen und wurde 2023 von der Automobilwoche zu einer der TOP-50 Frauen in der Automobilindustrie gewählt


Wie gestaltet sich Ihr Arbeitstag und was ist das besonders Spannende an Ihrem Job?

Dr. Olga Nevska: Mein Job spielt sich an der Schnittstelle zwischen Telekommunikation und Mobilität ab, zwei der am schnellsten wachsenden und sich verändernden Branchen überhaupt. Hier habe ich die Möglichkeit, an innovativen Lösungen mitzuarbeiten, die das Leben der Menschen verbessern und die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, revolutionieren. Ich kann mir zurzeit kaum einen spannenderen Job vorstellen.

Mein Arbeitsalltag gestaltet sich genauso bunt und vielfältig wie die Mobilität der Zukunft. Ich habe ein hohes Maß an Verantwortung, viel Gestaltungsspielraum und täglich mit spannenden neuen Themen und Entwicklungen zu tun. Da sind Selbstorganisation, Struktur und Planung unverzichtbar. Das ist mir sehr wichtig.


Bei der Telekom verantworten Sie die Transformation einer der größten deutschen Unternehmensflotten zu einem innovativen Mobilitätsprovider und treiben die Verkehrswende hin zu einer vernetzten, nachhaltigen und bedarfsgerechten Mobilität voran. Aus Ihrer Sicht als Expertin: Ist die Mobilität der Zukunft in Deutschland schon angekommen? Wo stehen wir aktuell?

Nevska: Deutschland hat eine lange Geschichte in der Automobilindustrie und ist auch beim Thema Verkehrswende besser als sein Ruf. So stehen wir zum Beispiel bei der Elektromobilität im internationalen Vergleich auf Platz sechs, in Europa auf Platz drei (PwC ‚eReadyness-Index‘ 2023). Die Anzahl der Elektrofahrzeuge nimmt zu und das Netz an Ladestationen wird jeden Tag dichter.

Auch geteilte Mobilität wie Carsharing, Fahrradverleih, Mitfahrgelegenheiten werden mehr und mehr genutzt. Und unsere Städte werden smart: Berlin, Hamburg und München gehen schon heute innovative Wege. Intelligente Verkehrsleitsysteme, Echtzeitinformationen über den öffentlichen Nahverkehr und die Förderung von umweltfreundlichen Transportmitteln sind nur einige Beispiele dafür.

Aber das alles reicht nicht aus! Das Verkehrssystem in Deutschland ist fragmentiert und komplex. Die föderale Struktur führt dazu, dass Verkehrsverbünde auf regionaler Ebene organisiert sind. Da erschweren unterschiedliche Tarifsysteme und Ticketstrukturen nicht nur das Reisen, sie behindern auch den Weg zu nachhaltigen, vernetzten Verkehrslösungen. Wichtige Entscheidungen werden viel zu zögerlich getroffen. Wir verzetteln uns leider häufig in Diskussionen, anstatt an einem Zusammenschluss der Kräfte zu arbeiten.

Was wir brauchen, ist eine verstärkte Koordination, Planung und Zusammenarbeit auf nationaler Ebene und eine langfristige Vision für die Verkehrswende. Und wir müssen die Chancen der Digitalisierung konsequenter nutzen.


Wenn wir ins Jahr 2040 schauen, werden wir plattformübergreifende Mobility-as-a-Service-Lösungen bis zur letzten Meile nutzen, in autonomen Shuttles und Pkws unterwegs sein und Nachhaltigkeitsziele im Mobilitätssektor erreichen: Wie sieht Ihre Vision von urbaner Mobilität 2040 aus?

Nevska: 2040 wird Mobilität geprägt sein von Nachhaltigkeit, Effizienz und einer smarten Verkehrsinfrastruktur, die sich laufend neu an die Bedürfnisse der Menschen anpasst. Ich stelle mir vor, dass unsere Innenstädte weitgehend autofrei sind. Dadurch werden sie grüner und die Lebensqualität nimmt zu. Alle wichtigen Orte des Alltags sind zu Fuß oder über gut ausgebaute Fahrrad- und öffentliche Verkehrsnetze erreichbar. Unsere Kinder kennen keinen Pendelverkehr oder Staus in der Rush Hour. Sie werden flexibel von zu Hause aus oder in einem nahegelegenen Coworking-Space arbeiten – oder von geteilten, vernetzten und flexiblen Transportmitteln ans Ziel gebracht. Mobilität wird mithilfe der Digitalisierung die Brücke sein zwischen meinen verschiedenen Lebensbereichen, als Third Place neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz. Fahrten von A nach B sind keine verlorene Zeit mehr, sondern ich kann sie produktiv nutzen. Alle Mobilitätsformen sind nahtlos miteinander verbunden und intelligente Plattformen ermöglichen es uns, unsere Reisen einfach zu planen und verschiedene Transportmittel zu kombinieren. Daran glaube ich. Und vieles davon wird schon vor 2040 Realität werden.


Sie haben nicht nur einen starken Impact auf die Mobilität der Zukunft, sondern auch im Kontext Frauen in Tech. Bei der Telekom haben Sie beispielsweise das interne Frauennetzwerk Power Women gegründet, welches unter anderem wöchentliche Boxtrainings anbietet. Was genau verbirgt sich hinter Power Women und was war Ihre persönliche Motivation ein internes Frauennetzwerk zu gründen?

Nevska: Ich denke, wir alle sollten tun, was in unseren Möglichkeiten liegt, um die Welt jeden Tag ein kleines bisschen besser zu machen. Und damit meine ich wirklich ‚machen‘ statt nur darüber zu reden. Mir ist es ein Anliegen, Frauen im Business zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam neue Perspektiven zu entwickeln. Vielleicht weil ich aus einer Welt komme, in der es ganz natürlich ist, dass Frauen in der Berufswelt gleichgestellt sind mit Männern. Deswegen habe ich dieses Netzwerk ins Leben gerufen und freue mich jeden Tag, dass es diese wunderbare Gruppe gibt.

Die Mitgliederinnen von Power Women treffen sich einmal pro Woche zum Boxtraining. Diese regelmäßigen Treffen sind sehr wichtig, denn sie bringen uns als Team einander näher. Boxen erhöht nicht nur die körperliche Fitness, sondern hilft auch beim Stressabbau, erfordert mentale Stärke und Durchhaltevermögen und es stärkt das Selbstbewusstsein. Alles Eigenschaften, die wir täglich im Job sehr gut nutzen können.

Wir begleiten uns aber darüber hinaus auch gegenseitig auf unserem beruflichen Weg. Dafür organisieren wir Workshops und Coachings zu Themen wie Assessment Center, Gehaltsverhandlungen etc. und helfen uns dabei, unser berufliches Vorankommen selbst in die Hand zu nehmen – egal ob in Richtung Chefetage oder in eine Fachkarriere. Ich habe in den vergangenen vier Jahren schon viele Ideen und Inspirationen aus diesem Netzwerk mitgenommen. Aber auch zwei tolle neue Mitarbeiterinnen und schließlich auch Freundschaften.


Frauen sind in der Tech-Branche stark unterrepräsentiert. Das gilt nicht nur für Fachkarrieren, sondern insbesondere auch in Führungspositionen. Im Laufe Ihrer Karriere hatten Sie vielfältige Führungs- und Leitungspositionen inne, Sie sind unter anderem Mitglied des Board of Directors bei T-Mobile Czech Republic. Was sind aus Ihrer Sicht sowohl für Unternehmen wie auch für Frauen selbst geeignete Instrumente, um mehr Vielfalt in Chefetagen von Tech-Unternehmen zu erreichen?

Nevska: Ich wünsche mir, dass wir Frauen laut sagen, dass wir Karriere machen wollen und dass wir dazu stehen. Im Vergleich zu Männern neigen wir häufig dazu, abzuwarten und Chancen vorbeiziehen zu lassen. Wenn wir uns aus dieser Position herausbewegen, wird ganz schnell mehr Vielfalt in die Chefetagen einziehen. Mein Führungsteam zum Beispiel besteht aus drei Frauen und drei Männern in unterschiedlichem Alter und aus vier diversen Herkunftsländern. Warum ist das so? Wir haben es einfach gemacht. Und uns auch nicht davor gescheut, eine Frau zur technischen Leiterin zu machen. Am Ende des Tages ist es keine Frage des Geschlechts, ob jemand eine gute Führungskraft ist, sondern es kommt auf die Fähigkeiten und die Persönlichkeit an.

Auf der anderen Seite wünsche ich mir ein Management, für das es selbstverständlich ist, Positionen aller Art genauso mit Frauen wie auch mit Männern zu besetzen. Wenn das glaubwürdig vorgelebt wird, wird es auch mehr weibliche Bewerberinnen geben. So ist das jedenfalls bei uns, wo zwei Frauen die Geschäftsführung bilden.



Sie haben eine sehr beeindruckende Karriere in der Tech-Branche gemacht, sind 2004 über ein Stipendium des Deutschen Bundestags nach Deutschland gekommen, 2009 als Trainee bei der Telekom gestartet und verantworten heute als CEO der Telekom MobilitySolutions die Transformation der zweitgrößten Firmenflotte Deutschlands zum innovativen Mobilitätsprovider. Das Handelsblatt hat sie jüngst zu einer der 100 Frauen gekürt, die Deutschlands Zukunft maßgeblich gestalten. Welche Eigenschaften oder Fähigkeiten waren in der Retroperspektive für Ihre berufliche Laufbahn besonders hilfreich?

Nevska: Neulich sagte jemand zu mir, ich sei Transformationsoptimistin. Das trifft es vielleicht ganz gut, auch wenn es ein sperriges Wort ist. Was mich ausmacht ist Neugier, Veränderungsbereitschaft, aber auch der Mut, neue Wege zu gehen, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren.

Ich denke, das hängt damit zusammen, dass ich in meiner Kindheit und Jugend immer wieder Veränderungen bewältigen und mich neu erfinden musste. Ich komme aus der Ukraine und bin somit bis ich 13 Jahre alt war in der Sowjetunion aufgewachsen, in einem Land also, das es heute gar nicht mehr gibt. Die vielen unfreiwilligen Veränderungen haben mich geprägt und ich habe gelernt, dass diese immer auch Chancen mit sich bringen, mich weiterzuentwickeln, neue Fähigkeiten zu erlernen und etwas für die Gesellschaft zu tun. Vielleicht hat mich all das gelehrt, an mich zu glauben und mit Optimismus durchs Leben zu gehen. Mit 25 bin ich schließlich nach Deutschland aufgebrochen und habe nach vielen unfreiwilligen einen freiwilligen Neuanfang gewagt.


Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums der New York Times oder zum Host Ihres Lieblings-Podcast oder TV-Show mit Mega-Reichweite: Sie dürfen einladen, wen Sie möchten – egal ob tot oder lebendig. Mit wem sprechen Sie und über was?

Nevska: Ich würde Greta Gerwig einladen, die derzeit erfolgreichste Filmregisseurin Hollywoods. In ihrem Film Barbie hat sie gerade auf wunderbar ironische und provokante Weise die Frage zur Rolle der Frau in der modernen Gesellschaft auf die Leinwand gebracht. Mit ihr würde ich gerne über die Parallelen zwischen der Tech-Industrie und der Filmbranche sprechen. Ich denke, da gäbe es viel zu sagen.


Im Rahmen unserer Interview-Reihe haben wir jüngst mit Kim Dressendörfer, Senior Account Technical Leader bei IBM in New York, gesprochen. Sie hat uns folgende Frage für die nächste Interview-Partnerin mitgegeben: „In meinen Gesprächen mit Frauen aus der Tech-Branche stellt sich sehr häufig heraus: Keine hat damit gerechnet, dass sie in dieser Branche landet. Daher lautet meine Frage: Wann hast du realisiert, dass es die Tech-Branche ist, in der du arbeiten möchtest?“

Nevska: Diese Frage hat sich mir nie gestellt. Mir ging es nicht um eine bewusste Entscheidung für die Tech-Branche, sondern um Erneuerung. Ich wollte einfach immer da sein, wo ich etwas bewegen kann. Und das kann ich in der Telco-Industrie, denn sie ist keine statische Branche, sondern befindet sich im ständigen Wandel und hat einen enormen gesellschaftlichen Impact.

In meiner Heimat war es im übrigen ganz normal, dass ich Telekommunikationstechnik studierte oder mich in der Politik engagierte. Ich wünschte, wir würden uns in Deutschland endlich auch von all diesen Mädchen/Jungen-Clichées verabschieden. Ich jedenfalls versuche jeden Tag, meiner Tochter mitzugeben, dass sie in einer freien Welt die Wahl hat, zu tun, was ihr gefällt.


Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Welche Frage möchten Sie uns in diesem Zusammenhang für die nächste Interview-Partner:in mitgeben?

Nevska: Wir diskutieren immer wieder darüber, was Frauen ändern oder anders machen sollen, um ihre Rolle in der Tech-Branche oder in Führungspositionen aktiver zu gestalten.

Ich würde viel lieber gerne fragen, welche Stellschrauben wir in der Gesellschaft betätigen können, damit Frauen in der Tech-Industrie oder in den Führungsetagen endlich zur Normalität werden? Meiner Meinung nach liegt die Ursache nämlich nicht bei den Frauen selbst, sondern in den Strukturen unserer Gesellschaft.

Deutschland hat eine lange Geschichte in der Automobilindustrie und ist auch beim Thema Verkehrswende besser als sein Ruf.

Mobilität wird mithilfe der Digitalisierung die Brücke sein zwischen meinen verschiedenen Lebensbereichen, als Third Place neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz.

Mir ist es ein Anliegen, Frauen im Business zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam neue Perspektiven zu entwickeln. Vielleicht weil ich aus einer Welt komme, in der es ganz natürlich ist, dass Frauen in der Berufswelt gleichgestellt sind mit Männern.

Am Ende des Tages ist es keine Frage des Geschlechts, ob jemand eine gute Führungskraft ist, sondern es kommt auf die Fähigkeiten und die Persönlichkeit an.

Was mich ausmacht ist Neugier, Veränderungsbereitschaft, aber auch der Mut, neue Wege zu gehen, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren.

Ich wollte einfach immer da sein, wo ich etwas bewegen kann. Und das kann ich in der Telco-Industrie, denn sie ist keine statische Branche, sondern befindet sich im ständigen Wandel und hat einen enormen gesellschaftlichen Impact.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihr Mitwirken in unserer Interview-Reihe!

Lars Steffen

Im Gespräch mit Lars Steffen, Director International bei eco Verband der Internetwirtschaft e.V.

Lars Steffen koordiniert als Director International die internationalen Aktivitäten des eco Verbandes und ist Ansprechpartner für Mitgliedsunternehmen aus der Domain-Branche. In unserem Interview spricht er über seinen Arbeitsalltag, das ICANN78 in Hamburg und was er an seinem internationalen Team schätzt.


Wie gestaltet sich Dein Arbeitsalltag als Director International beim eco Verband und was ist das besonders Spannende an Deinem Job?

Lars Steffen: Als Team International bei eco besprechen wir uns jeden Morgen kurz und verteilen die Aufgaben: Übersetzungen von News, Studien, Positionspapieren, neue Artikel für das dotmagazine, Social Media Posts – jeden Tag haben wir mit der ganzen Bandbreite an Themen bei eco zu tun. Diese Vielfalt finde ich besonders spannend.


Du bist als Ansprechpartner für eco Mitgliedsunternehmen weltweit tätig und auch Dein Team beim eco ist sehr international aufgestellt. Am 23. Mai ist Diversity Day. Zur Diversity-Dimension gehört natürlich nicht nur der Aspekt Gender, sondern auch der Aspekt Herkunft. Was schätzt Du an der Zusammenarbeit in multikulturellen Teams und wo liegen vielleicht auch besondere Herausforderungen?

Steffen: Je vielfältiger ein Team in jeder Hinsicht ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es in der Lage ist, eine Vielzahl von Herausforderungen zu meistern: Geschlecht, Herkunft, Sprache, unterschiedliche Ausbildungen, berufliche Hintergründe oder Erfahrungen – viele dieser Faktoren bringen oft eine Fülle von so genannten Soft Skills mit sich, die man in kaum einem Lebenslauf findet, die aber im Team zum Tragen kommen und einen enormen Unterschied machen. Dieses kann man in internationalen Foren wie beispielsweise ICANN oder der eco Kompetenzgruppe Names & Numbers Forum immer wieder beobachten und das macht auch den Reiz aus, sich dort zu engagieren.

Humor kann eine Herausforderung sein. Unterschiedliche Kulturen haben einen unterschiedlichen Sinn für Humor. Gemeinsam lachen ist immer schön, erfordert aber manchmal etwas Fingerspitzengefühl.


Warum engagierst Du Dich mit dem International Team im Bereich Women in Tech?

Steffen: Die meiste Zeit meines Berufslebens bin ich in der so genannten Tech-Branche tätig. Glücklicherweise habe ich immer in Unternehmen und Teams gearbeitet, die geschlechtsspezifisch sehr ausgewogen waren und sind. Das habe ich immer als sehr angenehm empfunden, nicht nur in Bezug auf die Qualität der Arbeit, sondern auch im Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen und den Kunden. Daher sollten auch andere von diesem positiven Einfluss profitieren und mehr auf Diversität achten.


Im Oktober wird Hamburg zum Nabel der Internetwelt: Gemeinsam mit der DENIC eG und der Freien und Hansestadt Hamburg richtet eco als Gastgeber das ICANN Annual General Meeting ICANN78 in Hamburg aus. Erwartet werden rund 2.500 Teilnehmende aus Forschung, Tech-Community, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft aus der ganzen Welt. Was sind die Fokusthemen und wie können sich eco Mitgliedsunternehmen und Mitarbeiter:innen aus eco Mitgliedsunternehmen einbringen?

Steffen: Die Agenda für das ICANN-Meeting78 steht noch nicht fest, so dass sich noch nicht alle Themenschwerpunkte genau vorhersagen lassen. Dennoch gibt es natürlich eine Reihe von Themen, die derzeit in der Branche intensiv diskutiert werden und die sicherlich auch in Hamburg ganz oben auf der Agenda stehen werden. Dazu gehören unter anderem die nächste Bewerbungsrunde für neue Top-Level-Domains, die Neubesetzung des CEO-Postens bei ICANN, der Umgang mit Online-Missbrauch oder die Veröffentlichung von sogenannten WHOIS-Daten.

Da ICANN nach dem Multi-Stakeholder-Modell arbeitet, kann sich jeder aktiv einbringen. Die Teilnahme ist kostenlos. Ich kann daher nur jeden ermutigen, nach Hamburg zu kommen und es selbst zu erleben. ICANN hat ein breites Angebot für Neueinsteiger, um sich bei ICANN zurechtzufinden und auf den aktuellen Stand der Diskussion zu den jeweiligen Themen zu bringen.


Im Rahmen des Begleitprogramms des ICANN78 in Hamburg planst Du gemeinsam mit den Women in DNS, Women4Cyber und #LiT – Ladies in Tech: Wie kam es dazu, was dürfen Teilnehmer:innen erwarten und wer kann teilnehmen?

Steffen: Bei ICANN gibt es bereits seit 2009 die Gruppe „DNS Women“, um mehr Frauen für die Branche zu begeistern. Auch der eco Verband verfolgt mit seiner Initiative „Ladies in Tech“ bereits seit einigen Jahren das gleiche Ziel. Da liegt es nahe, das ICANN78-Meeting in Hamburg zum Anlass zu nehmen, beide Communities zusammenzubringen.


Wie lautet Dein Karriere-Tipp an Frauen, die in der Tech-Branche durchstarten wollen?

Steffen: Dazu kann man eine ganze Menge sagen und schreiben. Wenn ich es aber auf einen Aspekt herunterbrechen soll: Selbstbewusst sein und zeigen, was man kann. Kompetenz ist das A und O. Wer sie zeigt, kann sich der Anerkennung – auch der männlichen Kollegen – sicher sein.


Wir möchten Dir jetzt einen weiteren interessanten Job geben und machen Dich zum Podcast-Host. Welche Personen aus der Tech-Branche lädst Du zum Gespräch ein und worüber redest Du mit Deinen Gästen?

Steffen: Die Gründung und Entstehung der ICANN. Wir sprechen mit der Gründungsvorsitzenden von ICANN, Esther Dyson, und ihrem Nachfolger, Vint G. Cerf, um zu erfahren, wie ICANN gegründet wurde und ihre ersten Schritte als Multi-Stakeholder-Organisation unternahm, um die Wartung und die Verfahren für den Namens- und Zahlenraum des Internets zu koordinieren und einen stabilen und sicheren Betrieb des Netzes zu gewährleisten.

  • Thomas Rickert, Director Names & Numbers, eco will talk to
  • Esther Dyson, founding board chair (October 1998 – November 2000)
  • Vint G. Cerf, board chair, (November 2000 – November 2007)

Im Rahmen unserer Interview-Reihe haben wir jüngst mit Kiki Radicke, Leitung People und Culture bei Adacor, gesprochen. Sie hat uns folgende Frage Dich mitgegeben: Als Personalerin dreht sich in meiner Arbeit viel darum, die richtigen Talente an Bord zu holen und weiter zu entwickeln. Was muss ein Unternehmen mitbringen, damit es dich von sich als beste Arbeitgeberin für deine Karriere überzeugt?

Steffen: Ich denke, dass Fairness und Transparenz wichtige Faktoren sind: Umgang mit Vorgesetzten und Kolleg:innen, Karrieremöglichkeiten, Vergütung etc. Bei vielen dieser Aspekte fühlt man sich wohler, wenn Fairness und Transparenz gewährleistet sind.


Je vielfältiger ein Team in jeder Hinsicht ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es in der Lage ist, eine Vielzahl von Herausforderungen zu meistern.

Glücklicherweise habe ich immer in Unternehmen und Teams gearbeitet, die geschlechtsspezifisch sehr ausgewogen waren und sind.

ICANN hat ein breites Angebot für Neueinsteiger, um sich bei ICANN zurechtzufinden und auf den aktuellen Stand der Diskussion zu den jeweiligen Themen zu bringen.

Kompetenz ist das A und O. Wer sie zeigt, kann sich der Anerkennung – auch der männlichen Kollegen – sicher sein.

Ich denke, dass Fairness und Transparenz wichtige Faktoren sind.

Vielen herzlichen Dank für Deine Zeit und Dein Mitwirken in unserer Interview-Reihe!


Lars Steffen ist Director International bei eco – Verband der Internetwirtschaft, dem größten Verband der Internetwirtschaft in Europa. Bei eco koordiniert er alle internationalen Aktivitäten des Verbandes und kümmert sich um die Mitglieder aus der Domain-Branche.

Dieses Interview ist ebenfalls auf Englisch verfügbar.

Vanda Scartezini

Im Gespräch mit Vanda Scartezini, Partner und General Manager, POLO Consultores Associados und Leiterin der DNS Women Initiative

Vanda Scartezini ist Partnerin und Genral Manager bei POLO Consultores Associados und Leiterin der ICANN Initiative DNS Women. Sie spricht über ihre langjährige Erfahrung in der Tech-Branche, von National Secretary für IT-Politik bis Geschäftsführerin einer IT-Unternehmensberatung, sowie über ihre Tätigkeiten bei der ICANN. Außerdem setzt sich Scartezini mit der Initiative DNS Women für mehr Frauen in Tech ein.


Lars Steffen: Sie haben eine beeindruckende Karriere in Tech hingelegt. Wie sahen Ihre bisherigen beruflichen Stationen aus und was ist Ihre aktuelle berufliche Rolle?

Vanda Scartezini: Ich habe einen technischen Background, bin Elektroingenieurin und habe in meiner beruflichen Laufbahn in verschiedenen Bereichen der IT gearbeitet – unter anderem in der Telekommunikation, der Mikroelektronik, der Messtechnik, aber auch in verschiedenen Bereichen der Produktion.

Gemeinsam mit meinem Mann habe ich ein IT-Beratungsunternehmen, das vor 36 Jahren gegründet wurde. 2003 bin ich ins Unternehmen eingestiegen und habe die Position der Geschäftsführerin übernommen, die zuvor mein Mann innehatte. Wir haben im Zuge meines Einstiegs einige Umstrukturierungen vorgenommen, um die Rolle an meine Fähigkeiten und Expertise anzupassen und meine Reputation und Bekanntheit im Land zu nutzen. Zuvor war ich im brasilianischen Ministerium für Industrie und Handel tätig, erst als National Secretary für Industrie-Technologie und danach als National Secretary für Informationstechnologie im Ministerium für Wissenschaft und Technologie.

Ein wesentlicher Teil meines Profils besteht also aus Technologie und Technologieentwicklung, ein anderer Teil aus dem Bereich Recht und Regulierung. Heutzutage bin ich nicht nur CEO, sondern auch Vorstandsvorsitzende und Vorstandsmitglied in diversen Organisationen der Informations- und Kommunikationstechnologie.


Steffen: Lassen Sie uns gemeinsam zurückblicken auf Ihre Studienzeit: Wie war es damals um den Frauenanteil in IKT-Studiengängen bestellt?

Scartezini: Auf jeden Fall gab es damals an meiner Universität, ob Sie es glauben oder nicht, keine Toilette für Frauen! Daher gaben sie uns bestimmte Zeitfenster vor, an die wir uns halten mussten. Es gab nur fünf Frauen an der Universität. In gewisser Weise hatte dies jedoch auch Vorteile: Die Jungs betrachten uns wie einen Haufen junger, süßer Hundewelpen. Hinzu kam: Ich bin nicht sonderlich groß, eher eine kleine Frau, was vielleicht noch eher den Beschützerinstinkt hervorruft, also hat man sich immer gerne um mich gekümmert. Ich habe tatsächlich eine Menge Freunde aus dieser Zeit. Einige Professoren hingegen waren komplett dagegen, dass Frauen in ihren Seminaren und Vorlesungen sitzen. Ich bin jedoch stets scherzhaft mit ihnen umgegangen!  


Steffen: Was hat Sie dazu gebracht, sich für Technik zu interessieren?

Scartezini: Bereits in jungen Jahren stand für mich fest: Ich will Ingenieurin werden. Ich habe genau wie meine Geschwister sehr früh schreiben und lesen gelernt. Ich wollte immer gerne mehr wie die Jungs sein, immer etwas anders machen. Auch mein Großvater – den ich leider nicht so gut kannte, da wir früh von Rio de Janeiro nach Sao Paulo umgezogen sind – hat mich geprägt. Er war der Direktor einer Telefongesellschaft. Auch meine Mutter hat länger für die Telefongesellschaft gearbeitet. Meine Mutter pflegte zu sagen: „Dein Überleben darf niemals von einem Mann abhängig sein. Sei dir klar, dass du dich auf niemanden wirklich verlassen kannst. Du musst auf dich selbst zählen.“ Meiner Familie war Unabhängigkeit immer sehr wichtig, was ich denke, bei Einwandererfamilien die Norm ist.


Steffen: Wann sind Sie zum ersten Mal mit dem Internet in Berührung gekommen?

Scartezini: Das war Anfang der 90er Jahre als das Bulletin Board System (BBS) in Brasilien verfügbar war. Brasilien war eines der ersten Länder, welches eine Domain-Länderkennung über die Universität vergeben hat: nämlich „.br“.

Die Telefongesellschaft Embratel als Teil der staatlichen Telekommunikationsgruppe war damals für die internationalen Verbindungen zuständig. Wir bekamen erste E-Mail-Adressen wie „vanda@embratel.br“.

Mein Mann, ein Mathematiker, war stets sehr technik-affin und wir haben von Beginn an mit dem Internet gearbeitet. Computer und Software waren seit jeher Bestandteil unseres Unternehmens und die Präsentation des Internets für die Kunden war nur die logische Konsequenz und ein Geschäftsvorteil für uns. Ich fand es extrem interessant, die Zukunft des Internets zu sehen und zu erfahren, was damit alles möglich ist.


Steffen: Wann sind Sie mit dem DNS, der ICANN und der ICANN-Community in Berührung gekommen?

Scartezini: Die ICANN wurde 1998 ins Leben gerufen. Brasilien war von Anfang an dabei. Damals war ich als National Secretary für IT-Politik in der brasilianischen Regierung tätig. Ich wusste, dass jemand der ICANN Governmental Advisory Committee Gruppe (GAC) beitreten sollte. Da ich persönlich zu diesem Zeitpunkt keine Zeit hatte, schickte ich meinen Direktor zum GAC und er nahm an dem ersten ICANN-Meeting teil. Dadurch konnte ich einen Einblick in die GAC-Diskussion gewinnen. Nachdem der Direktor im Jahr 2000 ging, bin ich in eingestiegen und habe Brasilien im GAC vertreten. 2002 wurde ich stellvertretende Vorsitzende des GAC und seitdem habe ich ICANN nie wieder verlassen. Am Anfang war das GAC sehr klein: Wir sind in viele Länder gereist und haben uns gegenseitig besucht – von Australien bis Kanada. Alle, die von Anbeginn dabei waren, stehen sich besonders nahe. Wir konnten viele Probleme, die wir im GAC hatten, gemeinsam lösen. Schließlich bin ich in den Vorstand gekommen, was mir noch mehr Kontakte und Austausch ermöglicht hat.

In der Zwischenzeit habe ich unterschiedliche Positionen in den Gremien wahrgenommen, war im ICANN Vorstand, im At-Large Advisory Committee (ALAC), sowie im Security and Stability Advisory Committee (SSAC). Teil von ICANN zu sein, fühlte und fühlt sich an wie Teil einer Familie zu sein. Um ehrlich zu sein, sehe ich meine Freunde bei ICANN heute öfter als meine Söhne und Enkelkinder.


Steffen: Ist es eher die Technologie oder sind es die Menschen, die Sie dazu bewogen haben, über all die Jahre bei ICANN aktiv zu sein?

Scartezini: Am Anfang war es eher technologiebedingt. Heutzutage hat es viel mehr mit Herausforderungen der User zu tun. Es gibt viele Dinge, die für User nicht verständlich sind. Wie können sie beispielsweise feststellen, dass es sich nicht um eine Fake-Adresse handelt? Wie können sie das verstehen? Sie wissen auch nicht, wer sich um gewisse Aspekte und Angelegenheiten kümmern kann.

Einer der Gründe, warum ich mich stark für die generic Top-Level Domains (gTLDs) engagiert habe, war, weil ich Unternehmen davon überzeugen wollte, dass sie diese Endungen ihres Markennamens als Domain brauchen, weil so für Nutzer leicht erkennbar ist, dass es sich um eine vertrauenswürdige Domain handelt, die zum Unternehmen gehört.


Steffen: Haben Sie für bestimmte gTLDs geworben?

Scartezini: Ja, in meinem Land habe ich einige gTLDs – beispielsweise für Banken oder große Marken – gefördert. Das ist ziemlich wichtig, denn wenn die Leute den Namen einmal gesehen haben, glauben sie oft, dass er ihnen gehört.

Wenn zum Beispiel die Endung „br“ (oder dem Äquivalent in anderen Ländern) lautet, ist es leicht, die Domäne in eine ähnliche Weise zu ändern, was für die Leute irreführend sein kann. Für normale Menschen ist es sehr schwierig zu verstehen, wie sie sich schützen können. Deshalb habe ich meine Aufmerksamkeit genau auf diese Fragen gerichtet und mich damit befasst, wie man Technologie zum Schutz der User einsetzen kann.

Kommen wir zu einem weiteren Aspekt, der mir sehr wichtig ist, zu meinem Engagement für mehr Frauen in der Domain-Industrie: 2009 ist mir im Gespräch mit vier weiteren Frauen aufgefallen, dass wir viel mehr Frauen einbeziehen müssen. Wir waren einfach zu wenige in diesem Umfeld. Daher habe wir die Initiative DNS Women gegründet. Dadurch konnten sich viele Frauen untereinander vernetzen und austauschen, weitere Frauen zu Sitzungen einladen und Frauen stärker in diese Themen einbeziehen. DNS Women ist Teil der ICANN-Agenda.


Steffen: Warum ist Ihnen eine ausgewogenere Geschlechterverteilung und somit die Erhöhung des Frauenanteils bei ICANN wichtig?

Scartezini: Es ist mir besonders wichtig, weil wenn es nur Frauen oder nur Männer gibt, ist die Denkweise eben nicht vielfältig und perspektivenreich, sondern homogen. Es gibt keine Gegenpositionen. Man braucht die Vielfalt, um Punkte anzusprechen, zu diskutieren und die beste Antwort zu finden. Ausgewogenheit und Vielfalt müssen daher unser Ziel sein. Dazu zählen Diversity-Dimensionen wie Geschlechtervielfalt ebenso wie zum Beispiel die geographische Herkunft. Vielfalt zur Norm zu machen, braucht Zeit. Ich glaube, wir brauchen heterogene Denkweisen und die völlig unterschiedlichen Sichtweisen aus der männlichen und aus der weiblichen Perspektive. Wenn man die ausgewogene Denkweise findet und die Themen tiefgehend diskutiert, kann man viel bessere Antworten finden.


Steffen: Wenn ich an ICANN-Sitzungen teilnehme, habe ich das Gefühl, dass es hier wesentlich mehr Frauen gibt als in anderen Tech-Bereichen. Das mag zwar noch lange nicht perfekt sein, aber ich denke, dass bei ICANN mehr Frauen – auch in Führungspositionen – aktiv sind als in anderen Teilen der Tech-Industrie. Was können wir tun, um mehr Frauen für die Tech-Branche im Allgemeinen, aber insbesondere vielleicht auch für die ICANN-Community zu gewinnen?

Scartezini: Es stimmt, heutzutage haben wir in der ICANN Community eine größere Ausgewogenheit als in der IKT-Branche insgesamt. Aber die Beteiligung bei ICANN hängt stark vom kulturellen Hintergrund und Herkunft der Menschen ab. Wenn man die europäische und nordamerikanische Kultur mit der asiatischen, afrikanischen und latein-amerikanischen Kultur vergleicht, stellt man fest, dass sich Europäer:innen und Nordamerikaner:innen für jede Position bewerben. Dagegen warten Menschen aus der südlichen Hemisphäre, bis sie eingeladen werden: Das ist eine völlig andere Herangehensweise. Haben diese großen Weltregionen kein Selbstvertrauen? Das glaube ich nicht. Ich glaube viel mehr, dass es an der unterschiedlichen Sozialisation und kulturell-geprägten Verhaltensnormen liegt, sich nicht in den Vordergrund zu stellen. Das Konzept ist, dass man warten sollte, bis man eingeladen wird. Aber seien wir realistisch: Niemand wird auf sie zugehen und sie explizit dazu einladen. Das ist ganz natürlich. Das beobachtet man im ICANN Nominating Committee (NomCom). Ich bin seit vielen Jahren im NomCom und Sie können sich diese Situation dort zu eigen machen. Kandidat:innen aus Nordamerika und Europa schlagen sich selbst vor. Und die anderen? Sie sagen einfach: „Was denken Sie, bin ich dafür geeignet?“. Bei Frauen ist es noch schwieriger. Sie sind noch zurückhaltender. Selbst in der nördlichen Hemisphäre streben Frauen teilweise weniger aktiv Positionen an als Männer – allerdings treten sie eher pushy auf als Frauen aus der südlichen Hemisphäre.  


Steffen: Das macht es noch schwieriger, denn was wir in Studien und in der Forschung sehen, ist, dass auch in der westlichen Hemisphäre Frauen immer ein bisschen mehr leisten müssen oder besser sein müssen als Männer. Dort haben wir auch immer noch einen Gender Pay Gap, was bedeutet, dass Frauen offenbar immer noch mehr leisten müssen.

Scartezini: Es ist schwieriger, vor allem wenn man diese Aufteilung der Welt und die unterschiedlichen Verhaltensweisen und kulturellen Prägungen der Menschen beobachtet. Das Interessante ist ja, dass das Verhalten so tief in dem Menschen verankert und unterbewusst automatisiert ist, dass die Person sich gar nicht darüber bewusst ist, was sie da tut. Es gibt immer noch die Einstellung und Haltung, dass Frauen härter arbeiten und gleichzeitig schlechter bezahlt werden. Aber ich glaube, das ändert sich langsam – zumindest von dem, was ich in meiner langjährigen beruflichen Laufbahn wahrnehme.


Steffen: Bedeutet das, dass in bestimmten Teilen der Welt ein kultureller Wandel notwendig ist?

Scartezini: Ja, um in einigen Teilen der Welt mehr Frauen in für die Tech-Industrie zu gewinnen, müssen wir uns für die spezifisch kulturell-geprägte Sozialisation von Mädchen wie Rollenbilder und kulturell-geschlechtsspezifisch-geprägte Erwartungsnomen tiefgründig interessieren. Studien renommierter Unternehmen zeigen, dass man nur bis zum 15. Lebensjahr lernt beispielsweise Mathematik als etwas Interessantes zu sehen. Danach sinkt die Wahrscheinlichkeit dafür ein neues Interesse zu entwickeln.


Steffen: Sie haben eine sehr erfolgreiche Karriere in Tech hingelegt. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Scartezini: Ich glaube, dass ich Top-Positionen in der Industrie erreicht habe, weil ich erkannt habe, dass man sich selbst vermarkten muss. Man muss an sich selbst glauben und daran, dass man gut ist. Meine Mutter hat zu mir in jungen Jahren in etwa folgendes gesagt und hat mir in dieser Hinsicht sehr geholfen: „Du bist keine Schönheit, du hast bei Männern nicht allzu großen Chancen. Glaube einfach an deinen Verstand, denn du bist intelligent, nutze das!“ Das war in Ordnung. Ich bin damit aufgewachsen, habe Gelegenheiten, die sich mir geboten haben, genutzt und anderen stets gezeigt und bewiesen, was ich kann und Selbstmarketing betrieben, um aufzufallen und hervorzustechen. Ich musste mich verkaufen und habe diese Erkenntnis auch meinen Kindern beigebracht.

Ich habe Söhne, aber auch zwei Töchter. Eine ist Kinderärztin, die andere ist Ingenieurin. Auch sie standen unter dem Druck, sich zu verkaufen. Das ist besonders wichtig, denn auch für Männer gilt: Wenn sie nicht wissen, wie sie sich verkaufen sollen, kommen sie nicht weit.  


Steffen: Ihr Rat an junge Leute lautet also, mehr Selbstvermarktung zu betreiben und sich und seine Leistungen sichtbar zu machen?

Scartezini: Ja, ganz eindeutig. Ich glaube wirklich, dass die Notwendigkeit einer Veränderung des kulturellen Verhaltens sehr wichtig ist. Denn selbst in Europa kann man sehen, dass beispielsweise die Deutschen, die Portugiesen oder die Süditaliener mit dem Thema Selbstvermarktung völlig unterschiedlich umgehen, und sie haben auch völlig unterschiedlichen Erfolg in der Branche.


Steffen: Gibt es noch etwas, was Unternehmen tun können, um diesen Prozess zu unterstützen?

Scartezini: Das erste ist, die Idee intern zu verbreiten: in Schulen, in Universitäten und in sonstigen Bildungseinrichtungen für Mädchen und Frauen. Untersuchungen zeigen: Nach dem 15. Lebensjahr werden keine neuen persönlichen Interessen mehr angelernt. Deshalb muss Technik-Interesse schon früh geweckt und entwickelt werden. Wenn man Mädchen nicht dabei unterstützt, sich für Mathematik oder Physik zu interessieren, werden sie sich nicht für eine Karriere entscheiden, in der MINT-Kompetenzen gefragt sind. Damit müssen sie in einem frühen Alter anfangen.


Steffen: Nur noch eine letzte Frage: Wenn Sie einen Blick in die nahe Zukunft werfen: Was glauben Sie, wie wird sich die Tech-Branche in den nächsten fünf Jahren entwickeln? 

Scartezini: Meiner Meinung nach wird es sehr viele Veränderungen geben, was die Herausforderungen angeht. Für die junge Generation ist die Nutzung von Technik selbstverständlich und simpel, aber sie ist viel mehr an der Nutzung der Technologie interessiert als dass sie verstehen wollen, wie diese funktioniert. Darin sehe ich eine Herausforderung für den zukünftigen Fortschritt im Technologie-Sektor. Bildung muss daher darauf abzielen, dieses Interesse für die tiefgreifende Auseinandersetzung, das Verstehen von Technik und den Willen diese zu verbessern und zu verändern, wecken.

Ich glaube, dass die Zukunft der gesamte Technologie-Bereich stark davon abhängen wird, wie künstliche Intelligenz die Arbeitswelt verändert, wie sie Menschen insbesondere durch die Übernahme von repetitiven Routineaufgaben entlasten kann. Nehmen wir beispielsweise die Integration von Schaltkreisen: Das Konzept ist schwer umzusetzen, aber die physische Arbeit ist, selbst mit Hilfe einer Software, ziemlich langweilig und besteht im Grunde genommen aus stupiden Copy-and-Paste-Vorgängen. Das bedeutet, dass wir Menschen zukünftig nicht in Routineaufgaben ausbilden sollten. Wir müssen Menschen beibringen, ihre Arbeit mit Hilfe der Technologie besser zu machen. Das heißt, die Bildung muss schneller angepasst werden. Aktuell ist die Welt viel zu langsam, wenn es darum geht, den Kindern das Wissen zu vermitteln, das ihnen in der Zukunft wirklich helfen wird. Gleichzeitig schreitet der Fortschritt einiger Technologien immer schneller voran, und zwar in den Händen von Menschen, die gelernt haben, Technologien zu verändern. Aber die neue Generation ist darauf noch nicht wirklich gut vorbereitet.

Bereits in jungen Jahren stand für mich fest: Ich will Ingenieurin werden. Ich habe genau wie meine Geschwister sehr früh schreiben und lesen gelernt.

2002 wurde ich stellvertretende Vorsitzende des GAC und seitdem habe ich ICANN nie wieder verlassen. Am Anfang war das GAC sehr klein: Wir sind in viele Länder gereist und haben uns gegenseitig besucht – von Australien bis Kanada. Alle, die von Anbeginn dabei waren, stehen sich besonders nahe.

Es gibt viele Dinge, die für User nicht verständlich sind. Wie können sie beispielsweise feststellen, dass es sich nicht um eine Fake-Adresse handelt?

2009 ist mir im Gespräch mit vier weiteren Frauen aufgefallen, dass wir viel mehr Frauen einbeziehen müssen. Wir waren einfach zu wenige in diesem Umfeld. Daher habe wir die Initiative DNS Women gegründet.

Aber die Beteiligung bei ICANN hängt stark vom kulturellen Hintergrund und Herkunft der Menschen ab.

Studien renommierter Unternehmen zeigen, dass man nur bis zum 15. Lebensjahr lernt beispielsweise Mathematik als etwas Interessantes zu sehen. Danach sinkt die Wahrscheinlichkeit dafür ein neues Interesse zu entwickeln.

Ich glaube, dass die Zukunft der gesamte Technologie-Bereich stark davon abhängen wird, wie künstliche Intelligenz die Arbeitswelt verändert.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihr Mitwirken in unserer Interview-Reihe!


Das Interview ist zuerst auf Englisch im dotmagazine erschienen.

Girls' und Boys'Day 2023

eco Umfrage: Deutsche sehen keine Fortschritte bei digitaler Bildung

  • Rund ein Viertel der Befragten sagt, die Vermittlung digitaler Kompetenzen in den Schulen hat sich in den letzten drei Jahren verschlechtert
  • Girls´Day und Boys´Day: Mangelhafte digitale Bildung vergrößert langfristig Fachkräftelücke
  • eco Geschäftsführer Alexander Rabe: Deutsches Bildungssystem benötigt grundlegendes Update

Die Digitalisierung betrifft immer mehr Lebensbereiche, doch in der Schule werden entsprechende Kompetenzen tendenziell immer schlechter vermittelt. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des eco – Verbands der Internetwirtschaft e. V. sagen 23,9 Prozent der Befragten, die Vermittlung digitaler Kompetenzen in den Schulen hat sich in den letzten drei Jahren sogar verschlechtert. Eine Verbesserung bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen in den letzten drei Jahren stellen nur 18,7 Prozent fest. 34,6 Prozent sehen keine Veränderung.

Während in der Corona-Pandemie zahlreiche Jobs digitalisiert wurden, ist diese Entwicklung an vielen Schulen weitestegehend vorbei gegangen. So fehlt es häufig noch immer an den nötigen digitalen Infrastrukturen wie etwa Breitbandzugang und WLAN. Auch die technische Ausstattung mit Endgeräten und das dazugehörige Know-how, sowie regelmäßige Fortbildungen sowie die Etablierung zuverlässiger Lernplattformen, um Partizipation und Teilhabe an digitaler Bildung zu gewährleisten, haben sich in den letzten drei Jahren kaum verbessert.

Update für das Bildungssystem gefordert

„Das Schulsystem in Deutschland benötigt ein grundlegendes Update. Digitale Bildung ist die zentrale Zukunftsaufgabe, um die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft souverän gestalten zu können. Der Zugang zu digitaler Bildung in allen Stufen des Bildungssystems und während aller Phasen des Bildungsweges ist zudem eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung der Arbeitswelt und letztlich der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“, sagt eco Geschäftsführer Alexander Rabe. „Um die Innovationskraft der deutschen Volkswirtschaft und die Bereitstellung geeigneter Fachkräfte langfristig zu sichern gilt es nicht nur, flächendeckend IT-Kenntnisse und Grundlagen der Informatik zu vermitteln, sondern auch die Urteilsfähigkeit und Lösungskompetenz in den Fokus bildungspolitischer Bemühungen zu stellen und so auch für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen.“

Die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen müsse Grundlagen der Programmierung genauso wie die Bedeutung und Funktion von Algorithmen sowie Datenkompetenz beinhalten. Informatik muss als Pflichtfach Eingang in die Curricula aller allgemeinbildenden Schulen finden. Zudem müssen didaktische Konzepte der Informatik und digitalen Bildung in alle Gesellschaftsbereichen Einzug halten, damit mündige und ethisch vertretbare Entscheidungen im Umgang mit digitalen Technologien gewährleistet sind.


* Das Meinungsforschungsunternehmen Civey hat im Auftrag von eco 2.500 Menschen in Deutschland über 18 Jahre vom 29.03.-30.03.2023 befragt. Der statistische Fehler der Gesamtergebnisse liegt bei 3,4 Prozent.

Kiki Radicke

Girls’Day 2023: für eine klischeefreie Berufsorientierung

Die Karrierechancen in der Tech-Branche sind vielfältig und das klischeehafte Nerd-Image längst überholt. Trotzdem sind Frauen in der IT weiterhin unterrepräsentiert. Wie begeistern wir junge Talente für die vielfältigen Karrierechancen in Tech? Passend zum Girls’Day haben wir mit Kiki Radicke, Leiterin People & Culture bei Adacor, über das Arbeiten und Karrierechancen in der Tech-Branche gesprochen und wie es IT-Unternehmen gelingen kann, mehr Mädchen und Frauen für den Einstieg in Tech zu begeistern.


Mitunter haftet der IT-Branche in vielen Köpfen noch das Image an eine Männerdomäne zu sein. Viele denken auch direkt an das klischeehafte Bild vom Nerd. Dabei bietet gerade die Tech-Branche sehr vielfältige Jobs und Karriereperspektiven, ist seit jeher Treiber von New-Work-Faktoren. Wie sieht es wirklich aus in der IT? Was macht Arbeiten in der Tech-Branche aus?

Kiki Radicke: Es stimmt, dass die IT-Branche oft noch als Männerdomäne wahrgenommen wird. Mein Eindruck ist, dass sich dies in den letzten Jahren verändert hat. Auch wenn die Zahl der Frauen in der IT zu langsam wächst, so gibt es doch immer mehr Frauen in der Branche und ein wachsendes Bewusstsein für Diversität und Inklusion.

Die Bemühungen, mehr Frauen für die IT zu gewinnen sind in den letzten Jahren stetig gestiegen. Es herrscht ein besseres Verständnis dafür, welche Bedürfnisse die Mitarbeitenden mitringen, Teilzeitangebote und Vereinbarkeitsmaßnahmen gehören an vielen Stellen zu gelebter Praxis.

In Bezug auf das „Nerd-Image“ ist es wichtig zu betonen, dass die IT-Branche sehr vielfältig ist und ganz unterschiedliche Fachgebiete und Aufgabenbereiche umfasst. Neben den Administrator:innen und Entwickler:innen gibt es das Projektmanagement, Datenanalyse, Design und viele andere Rollen und damit viele unterschiedliche Profile. Wer in der IT arbeitet, ist in der Lage Ideen in technische Konzeptionen zu überführen, Prozesse zu digitalisieren, Möglichkeiten von Technologien und Software zu erfassen und digitale Geschäftsmodelle weiter zu entwickeln. Alles Themen, für die Kommunikation, strategisches Denken, Teamwork und die Offenheit für Neues nötig sind. Also viel mehr, als der klassische „Nerd“ mitbringt ;-).

Die Projekte, an denen gearbeitet wird, sind oft sehr innovativ. Das macht die Arbeit so spannend und ermöglicht denen, die es möchten, gute Karrierechancen. Grundsätzlich würde ich sagen, das Arbeiten in der IT ist sehr dynamisch und agil, nur so kann schnell auf Veränderungen reagiert werden, damit innovative Produkte und Lösung entstehen. Das umfasst auch Arbeitsweisen mit flachen Hierarchien, flexiblen Arbeitszeiten und Remote Work genauso wie lebenslanges Lernen und ein kollaboratives Arbeitsumfeld.


Am 27. April findet erneut der jährliche ist Girls + Boys’Day statt, mit dem Ziel eine klischeefreie Berufsorientierung von Jungen und Mädchen zu stärken. Aus Ihrer Sicht als Personalleiterin: Wie kann es uns gelingen und was können IT-Unternehmen tun, um mehr Mädchen für IT und Technik begeistern?

Kiki Radicke: Es ist immer noch so, dass klassische Rollenbilder oft dafür sorgen, dass Mädchen sich seltener als Jungs für IT-Berufe entscheiden. Leider ist auch In Schulen der Fokus auf den MINT-Fächern grundsätzlich nicht stark genug. Die Vielfältigkeit der Berufe in der IT sind den meisten Jugendlichen gar nicht bekannt und es fehlt daher an inhaltlicher Aufklärung über IT-Jobs.

Grundsätzlich glaube ich, dass in Schulen eine größere Gewichtung auf Medienkompetenz und IT-Themen gelegt werden muss. Programmieren und der Einsatz von digitalen Tools sollte zum Schulalltag gehören, sodass der Einstieg in die IT-Branche viel niederschwelliger wird.

Als IT-Unternehmen öffnen wir unsere Türen am Girls‘Day und klären über den Beruf Fachinformatiker:in Anwendungsentwicklung und Fachinformatiker:in Systemintegration auf. Wir bieten die Ausbildung in Teilzeit an und vergeben immer wieder Praktikumsplätze. Mit unserer Initiative MedienMonster e.V. setzen wir schon seit Jahren Medienkompetenz-Projekte mit Schüler:innen um, schulen Pädagogen für mehr digitale Bildung und klären Eltern über die digitale Lebenswirklichkeit ihrer Kinder auf.

Ich bin großer Fan von Partnerschaften mit Universitäten und Schulen, das verbindet die Wirtschaft mit der Bildung und gibt Schüler:innen und Studierenden die Möglichkeit direkte Einblicke in Aufgabenbereiche zu bekommen und sich auszuprobieren. So werden Talente entdeckt.

Role Models sind ein weiterer wichtiger Aspekt, wenn es darum geht Mädchen für IT-Berufe zu begeistern. Zu sehen, was Frauen erreichen können und wie eine Karriere in der IT aussehen kann, gibt vielleicht den Anstoß diesen Weg ebenfalls einschlagen zu wollen. Wenn es dann noch Förderprogramme gibt, die gezielt Mädchen unterstützen und in der Karriereplanung begleiten, wäre das ein rundes Programm.


Wie lautet Ihr Karriere-Tipp an Frauen?

Radicke: Fangt direkt am Anfang eures Berufslebens an euch ein Netzwerk aufzubauen und geht regelmäßig auf Events und tauscht euch aus. Und natürlich: geht viel mutiger mit eurer Expertise nach vorne!

In Bezug auf das „Nerd-Image“ ist es wichtig zu betonen, dass die IT-Branche sehr vielfältig ist und ganz unterschiedliche Fachgebiete und Aufgabenbereiche umfasst.

Wer in der IT arbeitet, ist in der Lage Ideen in technische Konzeptionen zu überführen, Prozesse zu digitalisieren, Möglichkeiten von Technologien und Software zu erfassen und digitale Geschäftsmodelle weiter zu entwickeln. Alles Themen, für die Kommunikation, strategisches Denken, Teamwork und die Offenheit für Neues nötig sind.

Die Vielfältigkeit der Berufe in der IT sind den meisten Jugendlichen gar nicht bekannt und es fehlt daher an inhaltlicher Aufklärung über IT-Jobs.

Role Models sind ein weiterer wichtiger Aspekt, wenn es darum geht Mädchen für IT-Berufe zu begeistern. Zu sehen, was Frauen erreichen können und wie eine Karriere in der IT aussehen kann, gibt vielleicht den Anstoß diesen Weg ebenfalls einschlagen zu wollen.

Vielen herzlichen Dank für das Interview!

Kiki Radicke

Im Gespräch mit Kiki Radicke, Leiterin People und Culture bei Adacor

Kiki Radicke leitet bei der ADACOR Hosting GmbH den Bereich People Operations. In ihrer Rolle verantwortet sie das Employer Branding und Recruiting sowie die Entwicklung von Maßnahmen im Bereich Feelgood Management und Corporate Social Responsibility. Außerdem ist sie im Vorstand des gemeinnützigen Vereins MedienMonster tätig.


Wie gestaltet sich Ihr Arbeitsalltag als Leiterin People und Culture bei Adacor und was ist das besonders Spannendste an Ihrem Job?

Kiki Radicke: Ich starte an jedem Tag mit einem kurzen Update mit meinen Teams. Wir besprechen, was ansteht und tauschen wichtige Infos aus, so dass wir alle mit allem ausgestattet sind, was wir brauchen, um an den richtigen Aufgaben zu arbeiten und die besten Entscheidungen treffen zu können.

Mein Aufgabenbereich ist sehr breit, von daher sieht bei mir jeder Arbeitstag anders aus. Ich arbeite strategisch, wenn es um die Weiterentwicklung der Arbeitgebermarke, den Ausbau meines Netzwerks oder die Ausrichtung des Unternehmens geht, sehr operativ mit der Erstellung von Inhalten für Vorträge, Artikel, Social-Media-Posts und der Erstellung von Konzepten, kreativ bei der Planung von Veranstaltungen und dem Employer Branding und unterstützend bei der Weiterentwicklung von Mitarbeitenden.

Als spannend an meinem Job empfinde ich besonders die Möglichkeit schnell auf Veränderungen im Unternehmen oder bei den Bedürfnissen der Mitarbeitenden reagieren zu können, die Freiheit Themen voranzutreiben, für die meine Teams und ich brennen und den Einsatz von Technologien und AI im Arbeitsalltag.


Frauen sind in der Tech-Branche weiterhin unterrepräsentiert. Viele IT-Unternehmen wollen sehr gerne mehr Frauen einstellen, jedoch scheitert es mitunter schon daran, dass nur sehr wenige Bewerbungen von Frauen eingehen. Wie gelingt es Tech-Unternehmen mehr Bewerbungen von Frauen zu generieren?

Radicke: Als IT-Unternehmen fällt es uns tatsächlich schwer, Frauen zu rekrutieren. Diese sind leider immer noch unterrepräsentiert in der Branche. Wir schreiben daher Stellen auch zusätzlich gezielt auf Frauen zugeschnitten aus. Dabei geht es viel um das Wording. Man kann zum Beispiel „durchsetzungsstark“ durch „selbstbewusst“ ersetzen, „Verhandlungsgeschick“ durch „wortgewandt“ oder „analytisches Denken“ durch „den Blick für das Wesentliche“.

Studien zeigen, dass sich Frauen eher nicht auf Stellen bewerben, bei denen sie nicht 100% der geforderten Skills abdecken. Wir sind daher dazu übergegangen, keine Liste von Forderungen in die Anzeigen zu packen, sondern zu beschreiben wie der Job aussieht, was wir bieten und was gute Voraussetzung für die Zusammenarbeit wären.

Mit dem Gedanken an Vereinbarkeit, kann es auch hilfreich sein Jobportale zu nutzen, die ein Werte-Matching machen. Das gibt Kandidatinnen die Sicherheit, dass der Arbeitgeber passt. Empion setzt das zum Beispiel super um.

Auf unserer Karriereseite, den Social-Media-Kanälen und in Blogbeiträgen platzieren wir gezielt Themen, die auf Vereinbarkeit abzielen. Unser Learning dabei ist, dass wir damit nicht nur die Zielgruppe der Frauen und Mütter ansprechen, sondern auch (zukünftige) Väter. Laut der Trendstudie “Zukunft Vereinbarkeit” würden 59 Prozent der befragten zukünftigen Eltern ihren Arbeitgeber wechseln, wenn keine betrieblichen Maßnahmen zur Vereinbarkeit angeboten würden (Hays, 2021).

Zusätzlich binden wir unsere Corporate Influencer:innen in das Employer Branding ein, sie haben einen besonders positiven Einfluss, da sie den authentischen Blick hinter die Kulissen geben. Als Arbeitgeber profitieren wir von deren Netzwerk, Einfluss und Reputation.

Auch das Engagement in Netzwerken wie LiT hilft dabei, die Arbeitgebermarke bei der Zielgruppe der Frauen bekannter zu machen und in Kontakt zu kommen. Ich persönlich halte viele Vorträge zu den Themen Vereinbarkeit und New Work, um das Engagement und die Benefits, die Adacor bietet, bekannter zu machen.

Über die Auszeichnungen, die wir erhalten, zum Beispiel von der Zeitschrift BRIGITTE als eines der besten Unternehmen für Frauen, der Zeitschrift ELTERN als eines der besten Unternehmen für Eltern, Auszeichnungen als besonders familienfreundliches Unternehmen der Stadt Offenbach, kununu TOP Company und Beste Arbeitgeber von Great Place to Work, lassen wir unsere Maßnahmen und unsere Arbeitgebermarke immer wieder überprüfen. Kandidatinnen haben so an ganz vielen Stellen die Möglichkeit sich über uns zu informieren.

So flexibel wir in unserer Arbeitsorganisation sind, so flexibel wollen wir auch schon im Recruiting sein. Wenn die Kita nur von 8-17 Uhr geöffnet hat, ist es schwer, danach noch einen Termin für ein Bewerbungsgespräch wahrzunehmen – kein Problem, bei uns können die Kinder mit zum Bewerbungsgespräch kommen. Das führen wir dann eben im Eltern-Kind-Büro und lernen die Kandidat:innen zusätzlich von einer neuen Seite kennen.

Was für mich persönlich ein Punkt ist, den ich gerne aktiver treiben möchte, ist das Anerkennen der Elternzeit und Pflegezeit als Berufserfahrung im Lebenslauf. Wenn wir anfangen diesen Zeitraum im Lebenslauf als Teil der persönlichen Entwicklung mit dem Erlernen von neuen Fähigkeiten anzusehen, die weiter qualifizieren, dann ist die Elternzeit auch kein Karrierekiller mehr.

Ein strukturierter Recruitingprozess mit schneller, persönlicher, transparenter Kommunikation und klarem Erwartungsmanagement hilft beiden Seiten, die neue Partnerschaft richtig zu beurteilen, sodass eigentlich nichts mehr schief gehen kann. Besonders mit Familie oder zu pflegenden Angehörigen geht man nicht leichtfertig das Risiko eines Jobwechsels ein. In diesem Prozess legen wir die Basis für den psychologischen Vertrag, den wir als Arbeitgeber mit zukünftigen Mitarbeitenden eingehen. Wir wollen Vertrauen schaffen, sodass im Laufe der Beziehung Probleme, Bedürfnisse, Ängste und Erwartungen offen angesprochen werden können.


Das sind tolle Impulse und Anregungen, um als Unternehmen eine Diversität in der Dimension Gender zu stärken. Jedoch ist das Recruiting nur der Anfang. Wie müssen Maßnahmen aussehen, um Frauen langfristig zu binden und in Führungspositionen oder Fachkarrieren zu bringen?

Radicke: Da stehen die Themen Vereinbarkeit, Arbeitsorganisation, Gleichstellung und Förderung im Mittelpunkt. Ein wichtiger Punkt in Sachen Vereinbarkeit sind in meinen Augen sehr flexible Arbeitsmodelle. Von individuellen Teilzeitmodellen, einer 4-Tage Woche, der flexiblen Reduzierung der Wochenarbeitsstunden bis zum Job-Sharing auch in Führungspositionen.

Veraltete starre Teilzeitmodelle sind nicht mehr zeitgemäß und bilden auch nicht die Lebenswirklichkeit von Frauen und im Speziellen von Müttern ab. Es ist für Arbeitgeber also wichtig, sich als Partner für die verschiedenen Lebensphasen zu positionieren. Unternehmen, in denen Familienplanung und Karriereplanung sich nicht gegenseitig aushebeln, werden für Frauen immer interessanter sein.

Das bezieht sich auch auf die Benefits, die Unternehmen bieten. Der Kickertisch und der Obstkorb sind es nicht mehr, es geht vielmehr um unterstützende oder erleichternde Maßnahmen. Dazu zählen zum Beispiel die Bezuschussung oder das Angebot der Kinderbetreuung oder haushaltsnaher Dienstleistungen, Aufstockung des Kindergeldes. Sonderurlaube, Gesundheitsprogramme, Weiterbildungsmöglichkeiten, privates Coaching und Familienevents.

Was die Arbeitsorganisation angeht, bin ich überzeugt, dass besonders für Frauen eine agile Organisation wertvoll ist. Unternehmen, die agil und flexibel aufgestellt sind, bieten oft flache Hierarchien, viel Teamwork und den Mitarbeitenden mehr Autonomie. Ziele werden im Team festgelegt, Aufgaben werden gemeinsam geplant und die Arbeitslast auf viele Schultern verteilt. Das bietet Raum für flexible Arbeitszeiten, Remote Work und Teilzeitmodelle, ohne dass dies zu Lasten der Karriere geht. Damit einher geht eine Kultur des Vertrauens und der Kommunikation, was dazu führt, dass sich Kolleg:innen sicher fühlen können, wenn sie sich um Familienangelegenheiten kümmern müssen.

Wenn wir über Gleichstellung sprechen, dann gehört es dazu, dass Frauen in allen Unternehmensbereichen die gleichen Chancen wie ihre Kollegen haben. Das geht nur über ein transparentes und objektives Einstellungs- und Beförderungsverfahren. Wir haben ein eigenes Framework entwickelt, das sich an das Modell von Spotify anlehnt, welches ganz unterschiedliche Karrierepfade ermöglicht.

Unabhängig von der Wochenstundenzahl, die jemand bei uns arbeitet, ist eine Karriere auch ohne disziplinarische Verantwortung und in Teilzeit möglich. Dafür haben wir verbindliche Richtlinien für die Beurteilung von Mitarbeitenden und Vorlagen für Feedbackgespräche. Es geht darum, ein klares Erwartungsmanagement zu etablieren und vergleichbare Maßstäbe anzusetzen.

Dafür eine Awareness im Unternehmen zu schaffen und Führungskräfte zu sensibilisieren Stereotype und Vorurteile abzubauen, sollte fester Bestandteil der People-Strategie sein.

Feste Gehaltsstrukturen für alle Rollen im Unternehmen helfen zu vermeiden, dass Personen in der gleichen Rolle unterschiedlich bezahlt werden. Da hilft es auch, sich einmal die Arbeit zu machen, den Pay-Gap im Unternehmen zu identifizieren, um Ungerechtigkeiten sukzessive abzubauen.

Wenn dann offen und proaktiv aufgezeigt wird, was im Unternehmen wie zu erreichen ist, stehen die Chancen gut, dass Karriere nicht nur von den Personen gemacht wird, die am längsten arbeiten und am häufigsten im Büro sind.

Die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden sollte zusätzlich wichtiger Bestandteil des Aufgabenbereichs der Führungskräfte sein. In Kombination mit Mentoring- und Coaching-Programmen, können Frauen so gezielt gefördert werden. Dabei ist die Unterstützung, von externen Dienstleistern ebenso sinnvoll, wie erfahrene Kolleginnen, die Nachwuchstalende fördern und ihnen beratend zur Seite stehen. Unternehmen sollten aktiv darauf hinwirken, Frauen in Führungspositionen zu befördern und ihnen die Möglichkeit geben, Verantwortung zu übernehmen und Karriere zu machen.


Adacor wurde mehrfach als Top-Arbeitgeber ausgezeichnet und bietet zahlreiche Benefits für Mitarbeiter:innen jenseits vom Obstkorb und Kicker. Besonderen Wert legt Adacor auf die Familienfreundlichkeit und das Miteinander im Unternehmen. Wie unterstützt Ihr bei Adacor Arbeitnehmer:innen ganz konkret in diesen Bereichen?

Radicke: Wir wünschen uns ein partnerschaftliches Miteinander. Dazu gehört auch, die Bedürfnisse der Kolleg:innen in den individuellen Lebensphasen zu berücksichtigen. Daher hat das Thema Vereinbarkeit eine hohe Gewichtung, vor allem in Bezug auf die Kombination von Job, Pflege und Familie.

Das fängt schon im Recruiting an. Wir bieten Vätern und Müttern familienfreundliche  Bewerbungsgespräche im Eltern-Kind-Büro. Wenn die Kita von 8 Uhr bis 17 Uhr geöffnet ist, dann ist es schwer außerhalb dieser Zeiten Termine wahrzunehmen. Bei uns darf der Nachwuchs gerne mitkommen. Alle Stellen werden immer auch in Teilzeit ausgeschrieben und wir bieten ganz flexible Arbeitsmodelle an.

Neben finanziellen Benefits, wie die Bezuschussung der Kinderbetreuung mit bis zu 300€ monatlich oder Versicherungen, die über das Unternehmen laufen, schauen wir besonders auf die Arbeitsorganisation. Wir haben Kernzeiten, in denen alle arbeiten. Außerhalb davon finden keine Meetings statt, sodass die Arbeitszeit nicht mit dem Privatleben kollidiert.

Die Teams arbeiten agil mit Wochensprints, das ermöglicht eine Aufgabenplanung, die den Möglichkeiten der Mitarbeitenden entspricht, sodass Überlastungen vermieden werden können und gleichzeitig zu einer hohen Performance angeregt wird.

Zusätzlich steuern die Teams ihre Aufgaben über OKRs (Objectives and Key Results, eine Projektmanagementmethode aus dem Silicon Valley). Dadurch hat jede:r Einzelne im Unternehmen die Möglichkeit seine bzw. ihre Expertise am sinnvollsten und mit der größten Wirksamkeit einzusetzen. Dafür brauchen wir viel transparente Kommunikation und interne Abstimmung, das führt dazu, dass sich wenig Stress oder Unmut aufstaut, da Entscheidungen gemeinsam getragen werden und nachvollziehbar sind. Themen werden wohlwollend und offen besprochen, um gemeinsam Lösungen zu finden.

Auch das Thema Karriere haben wir auf die unterschiedlichen Lebensphasen und Bedürfnisse der Kolleg:innen ausgerichtet.  Wir arbeiten mit Rollen und unser „Steps-Karriereframework“ ermöglicht, unabhängig von den Wochenstunden, die jemand arbeitet, verschiedene Karrierepfade. Eine Karriere ist bei uns so auch ohne disziplinarische Führung und in Teilzeit möglich.

Mit Coachingangeboten unterstützen wir die Kolleg:innen aktiv bei ihrer persönlichen Weiterentwicklung. Die Mitarbeitenden haben jeweils 10 Coachingstunden im Jahr, zu ihrer freien Verfügung. Uns ist ganz wichtig, dass dieses Angebot auch für private Themen genutzt werden kann. Bei speziellen Themen unterstützen unsere Eltern– und Pflegeguides.


Vereinbarkeit ist nicht nur ein Thema für Mütter. Viele Männer wünschen sich mehr Familienzeit. Was braucht es aus Ihrer Sicht seitens der Väter und der Arbeitgeber, damit zukünftig mehr Männer Elternzeit nehmen, sich stärker an der Care-Arbeit beteiligen?

Radicke: Nach wie vor ist es in vielen Unternehmen nicht akzeptiert oder angesehen, wenn Väter überhaupt oder länger als zwei Monate in die Elternzeit gehen. Elternzeit gilt immer noch an vielen Stellen als Karrierekiller.

Solange sich dieser Zustand nicht ändert, wird sich nicht viel bewegen können. Für Väter muss es genauso akzeptiert sein, in Elternzeit zu gehen, wie für Mütter. Wünschenswert wäre es, wenn für alle Mitarbeitenden die Möglichkeit besteht längere Auszeiten, sei es die Elternzeit, ein Sabbatical, eine längere Kur o.ä., zu nehmen, ohne dass dies die Chancen auf eine Karriere verringert.

Immer mehr Väter haben den Wunsch nach gleichverteilter Elternzeit, sodass das Thema Vereinbarkeit immer wichtiger wird und Unternehmen nicht mehr daran vorbei kommen.

Im besten Fall bedeutet das für Unternehmen, dass das „Risiko“ eine Frau im Alter zwischen 25 und 35 einzustellen genauso hoch ist, wie das einen Mann einzustellen. Beide werden 6-12 Monate Elternzeit nehmen. Das zwingt Unternehmen in Zukunft, ihre Arbeitsorganisation darauf auszurichten, sodass längere Ausfälle aufgefangen werden können. Bis dahin haben wir aber noch ein ordentlichen Stück Arbeit vor uns. Da ist die Bildung gefragt, die Gesellschaft und die Politik.


Wir möchten Ihnen jetzt einen weiteren interessanten Job geben und machen Sie zum Podcast-Host. Wen laden Sie in unserem Kontext Frauen in Tech zum Gespräch ein und worüber reden Sie mit Ihren Gästen?

Radicke: Ich finde, es kommen insgesamt noch zu wenig Kolleginnen aus Mittelständischen Unternehmen zu Wort. Ich könnte mir daher ein Gespräch mit Miriam Reichelt von Comspace vorstellen und würde mit ihr darüber diskutieren, wie cool Compliance sein kann. Andere spannende Gesprächspartnerinnen wären natürlich Kenza Ait Si Abbou von IBM oder Gabriele Pulvermüller von Dogado als Role Models zum Thema wie man Kinder, Familie und Karriere unter einen Hut bekommt.


Im Rahmen unserer Interview-Reihe haben wir jüngst mit Kim Dressendörfer, Senior Account Technical Leader bei IBM, gesprochen. Sie hat uns folgende Frage für die nächste Interview-Partnerin mitgegeben: In meinen Gesprächen mit Frauen aus der Tech-Branche stellt sich sehr häufig heraus: Keine hat damit gerechnet, dass sie in dieser Branche landet. Daher lautet meine Frage: Wann hast du realisiert, dass es die Tech-Branche ist, in der du arbeiten möchtest?

Radicke: Da geht es mir tatsächlich genau so. Ich hatte nicht geplant in der IT zu landen. Dass ich in der Branche arbeiten möchte weiß ich erst, seitdem ich bei Adacor bin. Das ich an der IT-Branche wirklich Spaß habe, habe ich auch nicht direkt realisiert, sondern erst nach etwa etwa fünf Jahren, als innerhalb der Geschäftsführung ein Wechsel statt gefunden hat und die neue Leitung das Unternehmen auf agile Arbeitsweisen umgestellt hat. Ich mag gut funktionierende Prozesse und liebe es, diese automatisiert abbilden zu können. Dazu kommt die Geschwindigkeit, mit der wir Dinge umsetzen und Neues implementieren können. Mit so viel Kreativität hätte ich in der IT nie gerechnet und möchte diese Kombination auch nicht mehr missen.


Welche Frage möchten Sie uns für die nächste Interview-Partner:in mitgeben?

Radicke: Als Personalerin dreht sich in meiner Arbeit viel darum, die richtigen Talente an Bord zu holen und weiter zu entwickeln. Was muss ein Unternehmen mitbringen, damit es dich von sich als beste Arbeitgeberin für deine Karriere überzeugt?


Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihr Mitwirken in unserer Interview-Reihe!

Wir sind daher dazu übergegangen, keine Liste von Forderungen in die Anzeigen zu packen, sondern zu beschreiben wie der Job aussieht, was wir bieten und was gute Voraussetzung für die Zusammenarbeit wären.

Auch das Engagement in Netzwerken wie LiT hilft dabei, die Arbeitgebermarke bei der Zielgruppe der Frauen bekannter zu machen und in Kontakt zu kommen.

Wenn die Kita nur von 8-17 Uhr geöffnet hat, ist es schwer, danach noch einen Termin für ein Bewerbungsgespräch wahrzunehmen – kein Problem, bei uns können die Kinder mit zum Bewerbungsgespräch kommen.

Ein wichtiger Punkt in Sachen Vereinbarkeit sind in meinen Augen sehr flexible Arbeitsmodelle.

Der Kickertisch und der Obstkorb sind es nicht mehr, es geht vielmehr um unterstützende oder erleichternde Maßnahmen.

Unternehmen sollten aktiv darauf hinwirken, Frauen in Führungspositionen zu befördern und ihnen die Möglichkeit geben, Verantwortung zu übernehmen und Karriere zu machen.

Die Teams arbeiten agil mit Wochensprints, das ermöglicht eine Aufgabenplanung, die den Möglichkeiten der Mitarbeitenden entspricht, sodass Überlastungen vermieden werden können und gleichzeitig zu einer hohen Performance angeregt wird.

Wünschenswert wäre es, wenn für alle Mitarbeitenden die Möglichkeit besteht längere Auszeiten, sei es die Elternzeit, ein Sabbatical, eine längere Kur o.ä., zu nehmen, ohne dass dies die Chancen auf eine Karriere verringert.

Mit so viel Kreativität hätte ich in der IT nie gerechnet und möchte diese Kombination auch nicht mehr missen.