INTERVIEW

Im Gespräch mit Dr. Olga Nevska, Geschäftsführerin der Telekom MobilitySolutions

Olga Nevska ist Geschäftsführerin der Telekom MobilitySolutions, wo sie seit 2019 die Transformation einer der größten Unternehmensflotten zu einem innovativen Mobilitätsprovider verantwortet. Olga steht für Dekarbonisierung, Diversifizierung und Digitalisierung und setzt auf nachhaltige, geteilte Mobilität für alle Mitarbeitenden. Die an der FU Berlin promovierte Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlerin ist Gastdozentin an der Universität St. Gallen und wurde 2023 von der Automobilwoche zu einer der TOP-50 Frauen in der Automobilindustrie gewählt


Wie gestaltet sich Ihr Arbeitstag und was ist das besonders Spannende an Ihrem Job?

Dr. Olga Nevska: Mein Job spielt sich an der Schnittstelle zwischen Telekommunikation und Mobilität ab, zwei der am schnellsten wachsenden und sich verändernden Branchen überhaupt. Hier habe ich die Möglichkeit, an innovativen Lösungen mitzuarbeiten, die das Leben der Menschen verbessern und die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, revolutionieren. Ich kann mir zurzeit kaum einen spannenderen Job vorstellen.

Mein Arbeitsalltag gestaltet sich genauso bunt und vielfältig wie die Mobilität der Zukunft. Ich habe ein hohes Maß an Verantwortung, viel Gestaltungsspielraum und täglich mit spannenden neuen Themen und Entwicklungen zu tun. Da sind Selbstorganisation, Struktur und Planung unverzichtbar. Das ist mir sehr wichtig.


Bei der Telekom verantworten Sie die Transformation einer der größten deutschen Unternehmensflotten zu einem innovativen Mobilitätsprovider und treiben die Verkehrswende hin zu einer vernetzten, nachhaltigen und bedarfsgerechten Mobilität voran. Aus Ihrer Sicht als Expertin: Ist die Mobilität der Zukunft in Deutschland schon angekommen? Wo stehen wir aktuell?

Nevska: Deutschland hat eine lange Geschichte in der Automobilindustrie und ist auch beim Thema Verkehrswende besser als sein Ruf. So stehen wir zum Beispiel bei der Elektromobilität im internationalen Vergleich auf Platz sechs, in Europa auf Platz drei (PwC ‚eReadyness-Index‘ 2023). Die Anzahl der Elektrofahrzeuge nimmt zu und das Netz an Ladestationen wird jeden Tag dichter.

Auch geteilte Mobilität wie Carsharing, Fahrradverleih, Mitfahrgelegenheiten werden mehr und mehr genutzt. Und unsere Städte werden smart: Berlin, Hamburg und München gehen schon heute innovative Wege. Intelligente Verkehrsleitsysteme, Echtzeitinformationen über den öffentlichen Nahverkehr und die Förderung von umweltfreundlichen Transportmitteln sind nur einige Beispiele dafür.

Aber das alles reicht nicht aus! Das Verkehrssystem in Deutschland ist fragmentiert und komplex. Die föderale Struktur führt dazu, dass Verkehrsverbünde auf regionaler Ebene organisiert sind. Da erschweren unterschiedliche Tarifsysteme und Ticketstrukturen nicht nur das Reisen, sie behindern auch den Weg zu nachhaltigen, vernetzten Verkehrslösungen. Wichtige Entscheidungen werden viel zu zögerlich getroffen. Wir verzetteln uns leider häufig in Diskussionen, anstatt an einem Zusammenschluss der Kräfte zu arbeiten.

Was wir brauchen, ist eine verstärkte Koordination, Planung und Zusammenarbeit auf nationaler Ebene und eine langfristige Vision für die Verkehrswende. Und wir müssen die Chancen der Digitalisierung konsequenter nutzen.


Wenn wir ins Jahr 2040 schauen, werden wir plattformübergreifende Mobility-as-a-Service-Lösungen bis zur letzten Meile nutzen, in autonomen Shuttles und Pkws unterwegs sein und Nachhaltigkeitsziele im Mobilitätssektor erreichen: Wie sieht Ihre Vision von urbaner Mobilität 2040 aus?

Nevska: 2040 wird Mobilität geprägt sein von Nachhaltigkeit, Effizienz und einer smarten Verkehrsinfrastruktur, die sich laufend neu an die Bedürfnisse der Menschen anpasst. Ich stelle mir vor, dass unsere Innenstädte weitgehend autofrei sind. Dadurch werden sie grüner und die Lebensqualität nimmt zu. Alle wichtigen Orte des Alltags sind zu Fuß oder über gut ausgebaute Fahrrad- und öffentliche Verkehrsnetze erreichbar. Unsere Kinder kennen keinen Pendelverkehr oder Staus in der Rush Hour. Sie werden flexibel von zu Hause aus oder in einem nahegelegenen Coworking-Space arbeiten – oder von geteilten, vernetzten und flexiblen Transportmitteln ans Ziel gebracht. Mobilität wird mithilfe der Digitalisierung die Brücke sein zwischen meinen verschiedenen Lebensbereichen, als Third Place neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz. Fahrten von A nach B sind keine verlorene Zeit mehr, sondern ich kann sie produktiv nutzen. Alle Mobilitätsformen sind nahtlos miteinander verbunden und intelligente Plattformen ermöglichen es uns, unsere Reisen einfach zu planen und verschiedene Transportmittel zu kombinieren. Daran glaube ich. Und vieles davon wird schon vor 2040 Realität werden.


Sie haben nicht nur einen starken Impact auf die Mobilität der Zukunft, sondern auch im Kontext Frauen in Tech. Bei der Telekom haben Sie beispielsweise das interne Frauennetzwerk Power Women gegründet, welches unter anderem wöchentliche Boxtrainings anbietet. Was genau verbirgt sich hinter Power Women und was war Ihre persönliche Motivation ein internes Frauennetzwerk zu gründen?

Nevska: Ich denke, wir alle sollten tun, was in unseren Möglichkeiten liegt, um die Welt jeden Tag ein kleines bisschen besser zu machen. Und damit meine ich wirklich ‚machen‘ statt nur darüber zu reden. Mir ist es ein Anliegen, Frauen im Business zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam neue Perspektiven zu entwickeln. Vielleicht weil ich aus einer Welt komme, in der es ganz natürlich ist, dass Frauen in der Berufswelt gleichgestellt sind mit Männern. Deswegen habe ich dieses Netzwerk ins Leben gerufen und freue mich jeden Tag, dass es diese wunderbare Gruppe gibt.

Die Mitgliederinnen von Power Women treffen sich einmal pro Woche zum Boxtraining. Diese regelmäßigen Treffen sind sehr wichtig, denn sie bringen uns als Team einander näher. Boxen erhöht nicht nur die körperliche Fitness, sondern hilft auch beim Stressabbau, erfordert mentale Stärke und Durchhaltevermögen und es stärkt das Selbstbewusstsein. Alles Eigenschaften, die wir täglich im Job sehr gut nutzen können.

Wir begleiten uns aber darüber hinaus auch gegenseitig auf unserem beruflichen Weg. Dafür organisieren wir Workshops und Coachings zu Themen wie Assessment Center, Gehaltsverhandlungen etc. und helfen uns dabei, unser berufliches Vorankommen selbst in die Hand zu nehmen – egal ob in Richtung Chefetage oder in eine Fachkarriere. Ich habe in den vergangenen vier Jahren schon viele Ideen und Inspirationen aus diesem Netzwerk mitgenommen. Aber auch zwei tolle neue Mitarbeiterinnen und schließlich auch Freundschaften.


Frauen sind in der Tech-Branche stark unterrepräsentiert. Das gilt nicht nur für Fachkarrieren, sondern insbesondere auch in Führungspositionen. Im Laufe Ihrer Karriere hatten Sie vielfältige Führungs- und Leitungspositionen inne, Sie sind unter anderem Mitglied des Board of Directors bei T-Mobile Czech Republic. Was sind aus Ihrer Sicht sowohl für Unternehmen wie auch für Frauen selbst geeignete Instrumente, um mehr Vielfalt in Chefetagen von Tech-Unternehmen zu erreichen?

Nevska: Ich wünsche mir, dass wir Frauen laut sagen, dass wir Karriere machen wollen und dass wir dazu stehen. Im Vergleich zu Männern neigen wir häufig dazu, abzuwarten und Chancen vorbeiziehen zu lassen. Wenn wir uns aus dieser Position herausbewegen, wird ganz schnell mehr Vielfalt in die Chefetagen einziehen. Mein Führungsteam zum Beispiel besteht aus drei Frauen und drei Männern in unterschiedlichem Alter und aus vier diversen Herkunftsländern. Warum ist das so? Wir haben es einfach gemacht. Und uns auch nicht davor gescheut, eine Frau zur technischen Leiterin zu machen. Am Ende des Tages ist es keine Frage des Geschlechts, ob jemand eine gute Führungskraft ist, sondern es kommt auf die Fähigkeiten und die Persönlichkeit an.

Auf der anderen Seite wünsche ich mir ein Management, für das es selbstverständlich ist, Positionen aller Art genauso mit Frauen wie auch mit Männern zu besetzen. Wenn das glaubwürdig vorgelebt wird, wird es auch mehr weibliche Bewerberinnen geben. So ist das jedenfalls bei uns, wo zwei Frauen die Geschäftsführung bilden.



Sie haben eine sehr beeindruckende Karriere in der Tech-Branche gemacht, sind 2004 über ein Stipendium des Deutschen Bundestags nach Deutschland gekommen, 2009 als Trainee bei der Telekom gestartet und verantworten heute als CEO der Telekom MobilitySolutions die Transformation der zweitgrößten Firmenflotte Deutschlands zum innovativen Mobilitätsprovider. Das Handelsblatt hat sie jüngst zu einer der 100 Frauen gekürt, die Deutschlands Zukunft maßgeblich gestalten. Welche Eigenschaften oder Fähigkeiten waren in der Retroperspektive für Ihre berufliche Laufbahn besonders hilfreich?

Nevska: Neulich sagte jemand zu mir, ich sei Transformationsoptimistin. Das trifft es vielleicht ganz gut, auch wenn es ein sperriges Wort ist. Was mich ausmacht ist Neugier, Veränderungsbereitschaft, aber auch der Mut, neue Wege zu gehen, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren.

Ich denke, das hängt damit zusammen, dass ich in meiner Kindheit und Jugend immer wieder Veränderungen bewältigen und mich neu erfinden musste. Ich komme aus der Ukraine und bin somit bis ich 13 Jahre alt war in der Sowjetunion aufgewachsen, in einem Land also, das es heute gar nicht mehr gibt. Die vielen unfreiwilligen Veränderungen haben mich geprägt und ich habe gelernt, dass diese immer auch Chancen mit sich bringen, mich weiterzuentwickeln, neue Fähigkeiten zu erlernen und etwas für die Gesellschaft zu tun. Vielleicht hat mich all das gelehrt, an mich zu glauben und mit Optimismus durchs Leben zu gehen. Mit 25 bin ich schließlich nach Deutschland aufgebrochen und habe nach vielen unfreiwilligen einen freiwilligen Neuanfang gewagt.


Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums der New York Times oder zum Host Ihres Lieblings-Podcast oder TV-Show mit Mega-Reichweite: Sie dürfen einladen, wen Sie möchten – egal ob tot oder lebendig. Mit wem sprechen Sie und über was?

Nevska: Ich würde Greta Gerwig einladen, die derzeit erfolgreichste Filmregisseurin Hollywoods. In ihrem Film Barbie hat sie gerade auf wunderbar ironische und provokante Weise die Frage zur Rolle der Frau in der modernen Gesellschaft auf die Leinwand gebracht. Mit ihr würde ich gerne über die Parallelen zwischen der Tech-Industrie und der Filmbranche sprechen. Ich denke, da gäbe es viel zu sagen.


Im Rahmen unserer Interview-Reihe haben wir jüngst mit Kim Dressendörfer, Senior Account Technical Leader bei IBM in New York, gesprochen. Sie hat uns folgende Frage für die nächste Interview-Partnerin mitgegeben: „In meinen Gesprächen mit Frauen aus der Tech-Branche stellt sich sehr häufig heraus: Keine hat damit gerechnet, dass sie in dieser Branche landet. Daher lautet meine Frage: Wann hast du realisiert, dass es die Tech-Branche ist, in der du arbeiten möchtest?“

Nevska: Diese Frage hat sich mir nie gestellt. Mir ging es nicht um eine bewusste Entscheidung für die Tech-Branche, sondern um Erneuerung. Ich wollte einfach immer da sein, wo ich etwas bewegen kann. Und das kann ich in der Telco-Industrie, denn sie ist keine statische Branche, sondern befindet sich im ständigen Wandel und hat einen enormen gesellschaftlichen Impact.

In meiner Heimat war es im übrigen ganz normal, dass ich Telekommunikationstechnik studierte oder mich in der Politik engagierte. Ich wünschte, wir würden uns in Deutschland endlich auch von all diesen Mädchen/Jungen-Clichées verabschieden. Ich jedenfalls versuche jeden Tag, meiner Tochter mitzugeben, dass sie in einer freien Welt die Wahl hat, zu tun, was ihr gefällt.


Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Welche Frage möchten Sie uns in diesem Zusammenhang für die nächste Interview-Partner:in mitgeben?

Nevska: Wir diskutieren immer wieder darüber, was Frauen ändern oder anders machen sollen, um ihre Rolle in der Tech-Branche oder in Führungspositionen aktiver zu gestalten.

Ich würde viel lieber gerne fragen, welche Stellschrauben wir in der Gesellschaft betätigen können, damit Frauen in der Tech-Industrie oder in den Führungsetagen endlich zur Normalität werden? Meiner Meinung nach liegt die Ursache nämlich nicht bei den Frauen selbst, sondern in den Strukturen unserer Gesellschaft.

Deutschland hat eine lange Geschichte in der Automobilindustrie und ist auch beim Thema Verkehrswende besser als sein Ruf.

Mobilität wird mithilfe der Digitalisierung die Brücke sein zwischen meinen verschiedenen Lebensbereichen, als Third Place neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz.

Mir ist es ein Anliegen, Frauen im Business zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam neue Perspektiven zu entwickeln. Vielleicht weil ich aus einer Welt komme, in der es ganz natürlich ist, dass Frauen in der Berufswelt gleichgestellt sind mit Männern.

Am Ende des Tages ist es keine Frage des Geschlechts, ob jemand eine gute Führungskraft ist, sondern es kommt auf die Fähigkeiten und die Persönlichkeit an.

Was mich ausmacht ist Neugier, Veränderungsbereitschaft, aber auch der Mut, neue Wege zu gehen, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren.

Ich wollte einfach immer da sein, wo ich etwas bewegen kann. Und das kann ich in der Telco-Industrie, denn sie ist keine statische Branche, sondern befindet sich im ständigen Wandel und hat einen enormen gesellschaftlichen Impact.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihr Mitwirken in unserer Interview-Reihe!