Im Gespräch mit Deepa Gautam-Nigge, Global Lead SAP Next-Gen Ecosystem, SAP

Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag aus?

Deepa Gautam-Nigge: Als Global Lead SAP Next-Gen Ecosystem bei SAP ist in meiner Rolle kaum ein Tag wie der andere. Dabei verbringe ich einen Teil meiner Arbeitszeit damit mir grundsätzlich Gedanken zu machen wie Partner und Organisationen rund um Bildungsauftrag für die nächste Generation Anwender, Entscheider, junger Unternehmer und Mitarbeiter weiterzuentwickeln und einzubinden sind. Einen weiteren Teil meiner Zeit verbringe ich dann auch damit die Entscheider, Vorstände, Universitätsprofessoren und Start-ups zu treffen um diese Ideen auch gemeinsam mit ihnen umzusetzen. Also die komplette Spannweite von sehr strategischen Themen bis hin zu operativen Details. Da ich  mich beruflich schon seit über 20 Jahren damit beschäftige neue, innovative Geschäftsmodelle in den Markt zu bringen oder diese weiterzuentwickeln, ist diese Arbeitsweise für mich aber sehr vertraut.

Was muss man für Deinen Job unbedingt mitbringen?

Gautam-Nigge: Eine ganz wichtige Eigenschaft ist eine konstruktive Neugier und Offenheit gegenüber Neuem. In meinem Job verbinde ich ganz verschiedene Welten miteinander. Ich habe täglich mit sehr diversen Unternehmenstypen sowie mit Entscheidern auf unterschiedlichsten Karriere-Leveln zu tun: Das reicht von globalen Konzernen bis zum Start-up – mit einem 360-Grad-Blick auf das Thema Innovation. An dieser Schnittstelle muss ich immer die richtigen Puzzleteile zusammensetzen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Das setzt einerseits ein immenses Verständnis für ganz unterschiedliche Organisations-Strukturen wie -Kulturen und andererseits ein hohes Maß an Empathie voraus.

Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung einen unheimlichen Schub gegeben. Als Expertin für Innovation wie ist Deine Einschätzung: Wird die Krise auch die Innovationskraft stärken?

Ich bin davon überzeugt, die Corona-Pandemie ist ein starker Katalysator, um die Digitalisierung voranzubringen. Auf der anderen Seite dürfen wir nicht vergessen: Wir managen derzeit eine Ausnahmesituation. Wenn wir diese hinter uns haben, werden wir einiges wieder so handhaben wie in der in der Zeit „vor Corona“ . Viele Veränderungen die durch die Krise angestoßen wurden, werden sich aber dauerhaft manifestieren. In Bezug auf innovative Geschäftsmodelle tut sich momentan ebenfalls sehr viel. Einerseits zeigt sich gerade, welche Unternehmen und Geschäftsmodelle wirklich krisenresistent sind. Andererseits ist es eine gute Zeit, um Geschäftsmodelle noch einmal zu überdenken, zu überprüfen und anzupassen. Es wird sich jedoch erst noch zeigen, wer sich bestmöglich anpassen konnte, aus der Not eine Tugend gemacht hat und vielleicht sogar sein Geschäftsmodell erfolgreich weiterentwickelt hat.

Du bist durch Deine ersten eigenen Berufsjahre in einem Start-up und Deinem Engagement im Venture-Capital-Bereich  sehr eng mit der Gründerszene verbunden und hattest bei SAP ein Start-up-Programm gestartet, das sich speziell an Gründerinnen richtet. Laut Female Founders Monitor liegt der Frauenanteil bei Gründungen bei 15,7 Prozent. Wo stehen wir aus Deiner Sicht aktuell im Bereich Female Entrepreneurship?

Gautam-Nigge: Was das Thema Frauen und Gründung betrifft, fehlt es in gewisser Weise an Vorbildern und deren Sichtbarkeit. Die Gründerszene ist aktuell noch sehr männlich geprägt. Nichtsdestotrotz gibt es schon einige erfolgreiche Tech-Gründerinnen, die wir mehr herausstellen müssen. Ich hatte seinerzeit ein Frauen-Mentoring-Programm bei SAP ins Leben gerufen, um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen, und sie gezielt zu den Themen zu schulen voranzubringen, ihnen Zugang zu erstklassigen Mentoren zu verschaffen und einen geschützten Raum zu bieten, in dem sie sich austauschen können.

Frauen stellen 50 Prozent der Gesellschaft dar, insofern sollten sich weibliche Sichtweisen und Perspektiven in jeglicher Hinsicht auch im Start-up-Ökosystem widerspiegeln, weil sie einfach bereichernd sind. Gemischte Teams sind im Übrigen erfolgreicher und Frauen gründen auch nachhaltiger in ihren Geschäftsmodellen.

Was das Thema Frauen und Gründung betrifft, fehlt es in gewisser Weise an Vorbildern und deren Sichtbarkeit. Die Gründerszene ist aktuell noch sehr männlich geprägt.

Du bist auch als Venture Advisor bei einem Investor sowie einem Logistik-Unternehmen im Mittelstand tätig. Einige Gründerinnen sagen: Ich arbeite den Investoren-Pitch aus. Zum Pitch-Termin schicken wir aber meinen männlichen Mitgründer. Ist es für Frauen schwieriger, Kapital einzusammeln?

Gautam-Nigge: Wir sehen in vielen Bereichen einen Unconcious Bias in Entscheidungssituationen, das ist menschlich. Das führt mich auch zurück zum Pitch: Die Vielzahl der Investoren ist männlich. Per se verbindet man Tech-Expertise eher mit Männern, also sehen Investoren auch bei den Pitches eher Männer. Wichtig ist es, sich möglichst davon frei zu machen und vielleicht mehr weibliche Investorinnen ins Investment Commitee zu holen, damit auch diese Perspektive in eine Investment-Entscheidung mit einfließt. Es ist aktuell aber auch schon erfreulich zu sehen, dass sich mehr und mehr Investoren in den letzten Monaten entsprechend verstärkt haben.

Wie sieht das Programm bei SAP konkret aus?

Gautam-Nigge: Innerhalb des Programms wurden Gründer über ein halbes Jahr lang begleitet. Dabei fanden pro Monat zwei Präsenz-Workshop-Tage statt, abgerundet durch Gelegentliche gemeinsame Lunch- und Afterwork-Sessions, zu denen auch Experten eingeladen waren. Die Module reichten von Organisation und HR über Vertrieb und Produktentwicklung bis hin zu Venture-Capital-Finanzierung und Marketing. Wir deckten dabei alle Bereiche ab, die für ein junges Unternehmen relevant sind. Ganz konkret haben wir beispielsweise einen Workshop „How to launch a product with zero budget?“ angeboten. Dort gab es  Tipps und Tricks, wie Start-ups kostenlose Tools nutzen können, um ihr Produkt zu vermarkten. Wir arbeiteten dabei mit verschiedenen Experten wie beispielsweise Venture-Capital-Spezialisten oder Juristen zusammen. In Kombination mit dem regen Austausch der Teilnehmer untereinander resultierte so eine sehr spannende Dynamik, die das ganze Programm wertvoll abgerundet hat. Grundsätzlich legten wir beim Programm schon ein Augenmerk auf Gründerinnen, aber das Programm ist dem Start-up auch als Ganzes zugutegekommen.

Warum ist Dir das Thema Diversity persönlich wichtig?

Gautam-Nigge: Ich engagiere mich im Bereich Diversity, weil wir bestimmte Verhaltensmuster einfach aufbrechen müssen. Vorbilder sichtbar zu machen, ist dabei das A und O. Bei mir zu Hause waren Gleichberechtigung oder die gläserne Decke nie ein Thema. Meine Mutter und mein Vater haben beide das Gleiche studiert und sich auch im Gleichschritt beruflich weiterentwickelt. Ganz wichtig ist daher, dass wir Frauen ermutigen und ihnen klarmachen: Du kannst alles erreichen, was du willst. Aber auch ganz klar sagen: Ist das ein Spaziergang? Ist es immer einfach? Nein, ist es nicht. Natürlich gibt es Betreuungs- Strukturen die Vereinbarkeit zu einem ewigen Jonglage-Akt machen und mitunter immer wieder männliche Kollegen, die einem das Leben schwermachen. Es hilft jedoch, sich immer zu vergegenwärtigen, dass sie dies nicht bewusst tun, sondern zu erkennen, dass sie in gewisser Weise auch nur Opfer ihrer eigenen Sozialisation sind. Die gesellschaftlich-tradierten Strukturen durchbrechen wir nur gemeinsam. Wir müssen dafür sorgen, dass es selbstverständlicher ist, dass wir Frauen mitreden und unseren Teil vom Kuchen abhaben wollen. Deshalb ist es ganz wichtig, Frauen in die erste Reihe zu holen. Kolleginnen auf Bühnen zu stellen, weibliche Nachwuchstalente zu fördern, Frauen im Allgemeinen sichtbarer zu machen und sie für Jobs zu empfehlen. Männer tun das untereinander doch auch.

Wir müssen dafür sorgen, dass es selbstverständlicher ist, dass wir Frauen mitreden und unseren Teil vom Kuchen abhaben wollen. Deshalb ist es ganz wichtig, Frauen in die erste Reihe zu holen. Kolleginnen auf Bühnen zu stellen, weibliche Nachwuchstalente zu fördern, Frauen im Allgemeinen sichtbarer zu machen und sie für Jobs zu empfehlen. Männer tun das untereinander doch auch.

Du hast selbst die Wichtigkeit von Vorbildern angesprochen. Hattest oder hast Du selbst noch Vorbilder?

Gautam-Nigge: Ich glaube, es gibt für jeden Lebensabschnitt und jede Lebensphase, unterschiedliche Vorbilder. Meine Eltern sind vor 40 Jahren aus einem Entwicklungsland nach Deutschland gekommen und haben sich alles selbst aufgebaut, was mich natürlich dahingehend sehr geprägt hat, sich seinen Erfolg selbst erarbeiten zu können. Es liegt vor allem an dir selbst, die Chancen, die das Leben dir bietet, auch zu nutzen. Im Laufe meiner Karriere gab es immer Menschen, die entweder wichtige Impulse gegeben haben oder als Mentoren fungiert haben und meine Karriereschritte bewusst oder auch unbewusst geprägt haben, konkret beispielsweise Simone Menne oder Hendrik Brandis.

Simone Menne hatten wir auch schon als Interview-Partnerin in unserer Reihe. Dann möchten wir Dir gerne eine Frage stellen, die Simone Menne uns für die nächste Interview-Partnerin mitgegeben hat: Wenn Du in der IT-Abteilung eine Leitungsposition besetzen müssten, wie würden Du Frauen ansprechen und das möglichst kreativ?

Gautam-Nigge: Zunächst hilft es, sich in seinem eignen Netzwerk umzuschauen. Ich würde daher Frauen aus meinem Netzwerk ansprechen und sie vorschlagen und empfehlen. Ein weiterer Fakt, den viele unterschätzen, ist, dass Stellenanzeigen häufig durch die Art der Formulierung eher Männer adressieren. Ich würde daher schon in der Ausschreibung auf Formulierungen achten, die gezielt Bewerberinnen ansprechen. Es hilft zudem, sich ein wenig von der Erwartungshaltung zu lösen, diejenige muss das schon 15 Jahre lang gemacht haben, und jemanden wirklich die Chance zu geben, sich in einem Themenfeld außerhalb der Komfortzone neu zu bewähren.

Ein weiterer Fakt, den viele unterschätzen, ist, dass Stellenanzeigen häufig durch die Art der Formulierung eher Männer adressieren. Ich würde daher schon in der Ausschreibung auf Formulierungen achten, die gezielt Bewerberinnen ansprechen. 

Welche Frage möchtest Du unserer nächsten Interviewpartnerin im Kontext Diversity mitgeben?

Gautam-Nigge: Die Unternehmen haben die Wichtigkeit von Diversität erkannt. Wir wissen, wir müssen Diversität in all ihren Dimensionen fördern. Auch die gesellschaftliche Notwendigkeit dafür ist in allen Bereichen mehr als evident. Schaffen wir die geeigneten Strukturen profitieren nicht nur Frauen, sondern in der positiven Folge auch andere benachteiligte Gruppen. Trotz dieser Erkenntnis zementiert der Unconcious Bias gerade im mittleren Management mit zunehmendem Aufstieg in der Hierarchie eine Abrisskannte. Wie schaffen wir es, systematisch eine inklusive Kultur zu verankern, dass sich Frauen mittelfristig weiter durchsetzen und ihr Potential gezielt entfaltet wird?

Vielen herzlichen Dank für Deine Zeit und das Interview!


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Im Gespräch mit Simone Menne, Aufsichtsrätin und Expertin in Finanzen und Digitalisierung

Sie haben eine sehr beeindruckende Karriere hingelegt. Mit nur 32 Jahren hatten Sie ihre erste Führungsposition inne, waren als käufmännische Leitung für Lufthansa in Nigeria. Im Lufthansa Konzern sind Sie kontinuerlich aufgestiegen bis zur Finanzchefin CFO. Heute sind Sie Multi-Aufsichtsrätin u. a. bei BMW, Johnson Controls und Deutsche Post. Zudem haben Sie im September 2019 ihre Galerie in Kiel eröffnet. Was ist Ihr persönliches Erfolgsrezept?

Simone Menne: Es gab zwei essentielle Eigenschaften, die mir sehr geholfen haben. Um Karriere zu machen, braucht es vor allem ein gutes Selbstbewusstsein und Risikobereitschaft.

Ihr Herz schlägt für Women in Leadership. Warum ist Ihnen das Thema Frauen in Führungspositionen persönlich wichtig?

Menne: Mir ist generell erst einmal sehr wichtig, dass gesellschaftlich alle zu Wort kommen und wir eine gesamtgesellschaftliche Perspektive auch in den Führungsetagen erreichen. Schauen Sie beispielsweise ins Feld der KI-Entwicklung: Wenn dort alle Algorithmen überwiegend von einer homogenen Gruppe 25- bis 40-jähriger weißer Männern geschrieben werden, dann resultieren daraus stereotype Lösungen. Es ist es ganz wichtig, dass Frauen ihre Perspektiven einbringen — auch bei der Programmierung von Algorithmen. Zweitens engagiere ich mich für das Thema Frauen in Leadership, weil es nicht legitim ist, sich zu beschweren, dass man nicht gehört oder schlecht behandelt wird, wenn man sich nicht selber einbringt.

Im Bereich Women in Leadership gibt es einerseits einige positive Entwicklungen: Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommisions-Präsidentin Ursula von der Leyen und mit SAP-Co-Chefin Jennifer Morgan steht erstmals eine Frau an der Spitze eines DAX-Konzerns. Anderseits gibt es Konzerne, die sich eine Frauenquote von Null Prozent im Vorstand setzen. Wie weit sind wir aus Ihrer Sicht im Bereich Women in Leadership?

Menne: Es gibt natürlich ein paar gute Beispiele, aber man sollte sich nicht blenden lassen von dem, was in den Schlagzeilen steht. Von einer Parität in Führungsetagen, die eigentlich anzustreben wäre, sind wir noch sehr weit entfernt. Im DAX haben wir knapp 10 Prozent Frauen. Es muss also noch ganz viel passieren. Das gilt in allen Bereichen, schauen Sie beispielsweise auf die Oscar-Nominierungen. Es gibt keine einzige Frau, die für die beste Regie nominiert ist, obwohl es sehr gute Regisseurinnen und sehr gute Frauen im Filmbereich gibt. Die Systeme und das gilt nicht nur für Führungsgremien führen nach wie vor dazu, dass sie sich selbst weiter befruchten und weiterhin sehr männliche Systeme hervorbingen. Eine Frau alleine an der Spitze ändert das nicht.

Von einer Parität in Führungsetagen, die eigentlich anzustreben wäre, sind wir noch sehr weit entfernt. Im DAX haben wir knapp 10 Prozent Frauen. Es muss also noch ganz viel passieren. 

Wie können denn Strategien aussehen, um diese männerdominierten Führungsetagen und den Thomas-Kreislauf zu durchbrechen?

Menne: Erstens brauchen wir Quoten, weil es ansonsten nicht funktioniert. Man muss sehr, sehr konsequent mit Quoten arbeiten. Jede Führungskraft muss immer wieder fordern, dass jede Bewerberliste eigentlich zu 50 Prozent mit Männern und zu 50 Prozent mit Frauen besetzt sein muss. Zweitens müssen Frauen ihre informellen Netzwerke stärken und sich gegenseitig unterstützen. Jede Frau, die von einer vakanten Führungsposition erfährt, sollte eine andere Frau nennen und loben und sagen: „Die schlage ich vor“.

Studien zeigen, dass Teams mit einem hohen Diversity-Grad innovativer, effizienter und erfolgreicher sind. Diversität hat somit einen finanziellen Mehrwert. Da müsste doch jeder Vorstand sofort dabei sein. Trotzdem stellt Thomas lieber Thomas ein als Tatjana. Woran liegt das und was brauchen wir, um Führungskräfte zu überzeugen?

Menne: Menschen  neigen dazu – und das gilt für Männer wie für Frauen – jemanden auszuwählen, der ähnlich sozialisiert ist. Wenn wir 80 Prozent Frauen in Führungspositionen hätten, dann wäre es vermutlich so, dass Sabine lieber Sabines einstellt. Clevere Führungskräfte suchen jedoch mit Absicht jemanden, der gegebenenfalls unbequem ist und besetzen ihre Teams kontrovers. Dabei spielt auch die Unternehmenskultur eine wichtige Rolle. Wenn die Kultur eine ist, wo immer noch Männerwitze erlaubt sind und wo man die Augen verdreht, wenn eine Frau mit kräftiger Stimme redet, obwohl sie etwas Schlaues sagt, dann ist das problematisch. Dann müssen teilweise die Investoren zur Veränderung beitragen. In einem meiner Aufsichtsräte arbeiten wir gerade an einer entsprechenden Auswertung zur Diversität. Da schauen wir ganz genau: Wie alt sind die Mitglieder in Aufsichtsrat und Vorstand? Aus welchem kulturellem Hintergrund kommen die Mitglieder? Wie international sind die Gremien besetzt? Diese Faktoren werden sehr deutlich von Investoren bewertet und ein homogenes 50-jähriges rein männliches Board, das aus dem gleichen Kulturkreis kommt, zieht definitiv eine schlechte Bewertung nach sich. Dieser Druck von außen hilft natürlich. Darüber hinaus ist auch der Aufsichtsrat gefragt. Aufsichtsräte müssen alles dafür tun, damit man Vorstände besetzt, die für Diversität stehen, die in ihrer Karriere deutlich gezeigt haben, dass sie in der Lage sind, mit diversen Teams hervorragende Arbeit zu leisten.

Dabei spielt auch die Unternehmenskultur eine wichtige Rolle. Wenn die Kultur eine ist, wo immer noch Männerwitze erlaubt sind und wo man die Augen verdreht, wenn eine Frau mit kräftiger Stimme redet, obwohl sie etwas Schlaues sagt, dann ist das problematisch. 

Sie haben einmal gesagt: Jede Frau in einer Führungsposition hat einmal folgende Erfahrung gemacht. Eine Frau bringt im Meeting einen Vorschlag ein und erhält keine Reaktion. Ein paar Minuten später macht der männliche Kollege den gleichen Vorschlag und erntet Applaus. Wie kann ich derartiges Verhalten unterbinden bzw. ihm souverän entgegnen?

Menne: Wichtig ist, sich im Vorfeld Verbündete zu suchen oder per se Verbündete zu haben. Treffen Sie zuvor eine Art Abkommen: Wenn einer von uns einen Vorschlag macht, der übergangen wird, dann sollte ein anderer darauf hinweisen. Genau das Gleiche gilt, wenn der Kollege den Vorschlag macht, den zuvor schon die Kollegin gemacht hat. Dann sollte ein Verbünderter sagen: „Es ist toll, Herr Meier, das ist ja genau das, was Frau Müller vor fünf Minuten gesagt hat. Schön, dass Sie das bestärken.“ Das ist eine sehr nette, charmante Art so etwas anzusprechen und eben nochmal darauf hinweisen: Das ist nicht ihr Original, sondern das von Frau Müller. Interessanterweise passieren solche Dinge nämlich häufig unbewusst, weil bei Frauen anders hingehört wird.

Sie haben einmal in einem Interview einmal sehr schön umschrieben: Wenn ein Handwerker zu Ihnen kommt und sagt: Schwieriger Fall, ich weiß nicht, ob ich das noch repariert kriege und ein zweiter Handwerker sagt: Kein Thema, das krieg ich hin. Dann nehme ich den letzteren. Warum sind Frauen denn eher bescheiden und zögerlich bei neuen Positionen?

Menne: Es ist häufig die Sozialisierung. Mädchen werden immer noch zur Bescheidenheit und Zurückhaltung erzogen. Jungs hingegen, die laut sind, ernten ein Schulterklopfen. Es ist wichtig, Mädchen darin zu bestärken, dass sie anders auftreten und sie auch dementsprechend zu erziehen. Darauf sollten Chefinnen achten und den Frauen ganz viel Mut machen. Und immer wieder sagen: „Doch ich trau Ihnen das zu.“ Die Tendenz sehr bescheiden und zögerlich aufzutreten gilt mitunter leider durch alle Hierachiestufen hinweg. Ich hatte eine Dame, die ich im Aufsichtsrat platzieren konnte. Sie sagte mir, im ersten Gespräch würde sie darauf hinweisen, dass dies ihre erste Aufsichtsratsposition sei und sie an einigen Stellen vielleicht noch nicht so viel wüßte. Da habe ich ihr ganz klar gesagt, das werden Sie nicht tun. Sie werden sagen: „Ich kenne die Frau Menne, und ich kenne andere Aufsichtsräte und ich bin da sehr gut vernetzt. Ich mache mir überhaupt keine Sorgen, dass ich mich sofort hervorragend einarbeiten kann.“

Mädchen werden immer noch zur Bescheidenheit und Zurückhaltung erzogen. Jungs hingegen, die laut sind, ernten ein Schulterklopfen. Es ist wichtig, Mädchen darin zu bestärken, dass sie anders auftreten und sie auch dementsprechend zu erziehen.

Wie hat sich Führung aus Ihrer Sicht verändert?

Menne: Ich glaube, in einigen Unternehmen hat sich in puncto Führung leider noch gar nicht viel verändert. Viele Unternehmen sind nach wie vor sehr hierarchisch organisiert. Im Idealfall ist Führung jedoch geprägt von Kooperation und dem Agieren auf Augenhöhe. Eine gute Führungskraft ist eine Art Ermöglicher. Ein Mensch, der zuhört, der Ideen zusammenführt, der schlaue Fragen stellt, der Menschen miteinander vernetzt, damit Bereiche übergreifend auf neue Ideen kommen. In gar keinem Fall ist eine gute Führungskraft, der Mensch, der alles sowieso immer besser weiß. In der Regel weiß der einzelne Mitarbeiter in seinem Spezialgebiet ohnehin viel mehr als der Chef. Daher muss ein Chef eine gewisse Bescheidenheit mitbringen und trotzdem natürlich die klare Linie durchhalten und Ziele vorgeben. Wichtig ist darüber hinaus eine gewisse Risikobereitschaft. Viele Menschen in hohen Positionen haben Angst, Entscheidungen zu treffen. Aber jede Entscheidung auf höherer Ebene ist eine Entscheidung unter Unsicherheit. Meine persönliche Linie heißt daher: zuhören, Ideen entwickeln, Leute vernetzen, gut delegieren, aber trotzdem aufpassen, wenn etwas schiefläuft und dann am Ende Entscheidungen treffen und das möglichst schnell.

Stichwort: Diversity. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Erfolgsformel zur Zusammensetzung von Teams? Wie sieht das ideale Team aus?

Menne: Wichtig ist, Diversität herbeizuführen. Wenn Sie ein rein männliches Team haben, versuchen Sie, den Genderaspekt zu beeinflussen und eine Frau einzustellen. Wenn Sie sehr viel ältere Mitarbeiter haben, versuchen Sie, einen jungen Mitarbeiter für Ihr Team zu gewinnen. Versuchen Sie auch, internationale Blickwinkel in Ihr Team zu bekommen. Dann sind Sie als Führungskraft vor allem in der Moderation gefragt, weil diese Menschen nicht zwangsläufig auf derselben Ebene agieren und kommunizieren. Sie müssen aus diesen Menschen, die kontrovers diskutieren, dann ein Team zusammenzuschweißen, das auf eine gute Lösung kommt. Dafür werden Sie aber belohnt und wirklich erfolgreich sein, weil Sie ganz viele Aspekte bedacht haben und es geschafft haben, sehr unterschiedliche Menschen zu einem gemeinsamen Ziel zusammenzubringen.

Mitunter taucht bei den Besetzungen von Führungspositionen das Argument auf: Man hätte sehr gerne eine Frau eingestellt, habe aber keine gefunden. Ist das tatsächlich so und wie kann ich als Unternehmen geeignete Kandidatinnen erreichen?

Menne: Ich kenne diese Beispiele leider auch. Da heißt es lapidar: „Wir haben keine Frau gefunden.“ Wenn ich persönlich so etwas höre, bitte ich darum, beim nächsten Mal angerufen zu werden, damit ich bei der Besetzung helfen kann. Auf diese Art habe ich bereits verschiedene talentierte Frauen in Aufsichtsräte, Beiräte und in den Vorstand gebracht. Frauen sollten sich viel mehr gegenseitig empfehlen. Ich habe immer mehrere CVs von Frauen, die ich regelmäßig vorschlage, weil ich weiß, dass sie sehr gut sind und dann funktioniert das häufig auch. Mitunter liegt die Ursache dafür, dass keine Bewerbungen von Frauen generiert werden, auch bei den Personalberatern selbst, weil sie mitunter auch sehr homogen rekrutieren und über ein entsprechend ähnlich sozialisiertes Netzwerk verfügen. Während meiner Tätigkeit als CFO bei Boehringer Ingelheim wollten wir beispielsweise eine kaufmännische Leitung, die global einsetzbar sein musste, besetzen. Ich habe eine Vorschlagsliste mit fünf Männer mit sehr homogenem Background erhalten. Das war ganz klar nicht der Auftrag. Ich habe ganz klar eingefordert, dass auch eine Liste mit Frauen aufgestellt wird.  Wenn es keine deutsche Bewerberin gibt, die derzeit global einsetzbar ist, dann sucht man halt international. Und wir haben gute Kandidatinnen gefunden.

Frauen sollten sich viel mehr gegenseitig empfehlen. Ich habe immer mehrere CVs von Frauen, die ich regelmäßig vorschlage, weil ich weiß, dass sie sehr gut sind und dann funktioniert das häufig auch. 

Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Bild, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Menne: Meine Schlagzeile lautet: Es ist ein Gerücht, dass es keine Frauen in der Tech-Branche gibt. Denn es gibt sie schon jetzt.

Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Welche Frage möchten Sie uns in diesem Zusammenhang für die nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Menne: Stellen Sie sich vor, Sie müssen die Leitung der IT-Abteilung in Ihrem Konzern neu besetzen. Wie generieren Sie Bewerbungen von Frauen und zwar möglichst kreativ?

Lieben herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Frau Menne!


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Im Gespräch mit Magdalena Rogl, Microsoft Deutschland

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?

Magdalena Rogl: Tatsächlich habe ich schon länger gar keine Visitenkarten mehr. Ich connecte mich immer direkt auf LinkedIn, dort steht in meinem Profil: Head of Digital Channels bei Microsoft Deutschland.

Wenn ich mich auf Ihren Job bewerben möchte, was würde mich im Arbeitsalltag erwarten? Und was muss ich für den Job unbedingt mitbringen?

Rogl: Einen richtigen Arbeitsalltag gibt es ehrlich gesagt gar nicht: Das Spannende an meinem Job ist, dass jeder Tag anders aussieht. Bei Microsoft haben wir das Glück nach dem Prinzip Vertrauensarbeitsort und Vertrauensarbeitszeit zu leben. Das heisst: Jede*r Mitarbeiter*in kann arbeiten, wann und wo sie oder er will. Das erfordert auf der einen Seite viel Selbstorganisation und -verantwortung, gibt aber gleichzeitig viel Freiheit, Kreativität und Produktivität. Als Head of Digital Channels bin ich Teil der Unternehmenskommunikation von Microsoft Deutschland. In diesem Job arbeitet man viel im direkten Austausch mit anderen Menschen: mit dem Team, mit Journalist*innen, Influencer*innen, Mitarbeiter*innen und so weiter. Anders als oft vermutet, geht es bei Kommunikation aber nicht darum, immer selbst zu sprechen, sondern vor allem auch aktiv zuhören zu können.

Sie haben keinen klassischen Karriereweg eingeschlagen, aber eine sehr beeindruckende Karriere hingelegt. Sie sind ausgebildete Erzieherin, standen als alleinerziehnde Mutter vor der Herausforderung Kinder und Karriere unter einen Hut zu bekommen, haben als Community Managerin bei Focus Online gearbeitet als Social Media noch in den Kinderschuhen steckte. Heute sind Sie Head of Digital Channels bei Microsoft. Wie haben Sie all das geschafft?

Rogl: Ehrlich gesagt glaube ich, dass es ganz viele solcher Geschichten gibt – nur sprechen leider Wenige darüber. Ich freue mich immer, von anderen „ungeraden“ Karrierewegen zu hören, weil ich denke, dass auch das ein Aspekt von Diversity ist, weil diese Menschen neue und andere Blickwinkel einbringen können. Außerdem nennt das World Economic Forum „Problemlösungsfähigkeit“ als eins der wichtigsten Skills für die Zukunft und genau diese Fähigkeit lernt man durch herausfordernde Situationen. Bei mir persönlich war es vielleicht die Kombination aus Dickkopf, Optimismus und Neugier, die mir geholfen hat Neues zu lernen und den Glauben an mich selbst nicht zu verlieren.

Außerdem nennt das World Economic Forum „Problemlösungsfähigkeit“ als eins der wichtigsten Skills für die Zukunft und genau diese Fähigkeit lernt man durch herausfordernde Situationen.

Wenn Sie eine Frau beliebigen Alters um einen Karrieretipp bitten würde: Was würden Sie ihr raten?

Rogl: Sei die beste Freundin für dich selbst. Meinen besten Freundinnen kann ich perfekte Karrieretipps geben, ich feiere sie bei Erfolgen, baue sie bei Misserfolgen wieder auf, helfe ihnen bei Verhandlungen, kann sofort aufzählen, was ihre Stärken sind – all das fällt mir bei mir selbst oft sehr schwer. Und ich weiss, dass es Vielen genauso geht und sie eher ihr stärkster Kritiker sind. Mir hilft es oft sehr, die Perspektive zu wechseln und zu überlegen, was ich meiner besten Freundin raten würde, wenn sie in meiner Situation wäre.

Sie sind sicherlich ein Vorbild für viele Frauen. Haben Sie selbst noch Vorbilder? Nehmen wir an Sie selbst könnten eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen: Wer wäre es und warum?

Rogl: Ich fände es wahnsinnig spannend, Melinda Gates zu treffen, um mit ihr über ihre Erfahrungen in der Tech-Branche als eine der ersten Mitarbeiterinnen Microsofts zu sprechen – aber vor allem um mehr über ihre humanitäre Arbeit zu erfahren. Ich finde es immer wahnsinnig inspirierend zu sehen, wenn sie Menschen für die Gesellschaft einsetzen.

Beim Thema Vorbilder finde ich es aber auch sehr wichtig, sich selbst ein Vorbild zu sein – denn wenn wir immer versuchen, wie jemand anders zu sein, können wir unser eigenes Potenzial nie ganz ausschöpfen. Jede*r ist einzigartig.

Beim Thema Vorbilder finde ich es aber auch sehr wichtig, sich selbst ein Vorbild zu sein – denn wenn wir immer versuchen, wie jemand anders zu sein, können wir unser eigenes Potenzial nie ganz ausschöpfen.

Es gibt eine ganze Reihe an Klischees über Frauen im Beruf. Einer lautet: Frauen seien zu emotional und das sei im Berufsleben problematisch. In einem Ihrer LinkedIn-Artikel erzählen Sie, dass eine Kollegin Ihnen auch einmal das Feedback gab: „Lena, Du bist viel zu emotional. Und untergräbst damit Deine Autorität.“ Wie hat sich das Feedback angefühlt, wie sind Sie damit umgegangen und welche Learnings haben sich daraus für Sie ergeben?

Rogl: Für mich hat es sich im ersten Moment sehr irritierend angefühlt und gleichzeitig wie eine Bestätigung für mein Imposter-Sydrom (auch bekannt als Hochstapler-Syndrom). Nach einiger Reflexion war mir aber klar, es ist keine Schwäche, sondern meine Stärke. Und ich bin davon überzeugt, dass Emotionalität stark an Bedeutung gewinnen wird. Denn wenn wir in Zukunft mit und neben künstlichen Intelligenzen und Robotern arbeiten, sind es genau diese Eigenschaften, die wir brauchen, um Technologien zu ergänzen: Emotionalität, Empathiefähigkeit und Menschlichkeit.

Sie gehen in Ihrem Artikel sogar noch einen Schritt weiter und schreiben: Ich glaube, dass jeder – ganz gleich in welcher Branche und in welchem Bereich – emotional sein sollte. Eine sehr spannende und bemerkswerte Aussage. Was bringt mir Emotionalität denn im Beruf und vor allem im Bereich Leadership?

Rogl: Emotionalität und Empathie sind aus meiner Sicht die Grundlagen von Leadership. Und Leadership bedeutet für mich nicht Führung, sondern vor allem Vorbildfunktion. Jeder kann ein Vorbild sein, ganz gleich auf welcher Position und in welcher Funktion.Emotionen definieren unsere Werte und unsere Haltung. Wenn wir unsere Emotionen reflektieren und analysieren, wenn wir sie nicht als lästig, sondern als hilfreich sehen, dann können sie wichtige Wegweiser für unsere Passion und Antrieb für unsere Ziele sein.

Wenn ich mir beispielsweise darüber bewusst werde, warum ich Angst vor einer Situation habe oder warum mich bestimmte Themen oder Menschen begeistern, dann kann ich sehr viel über mich selbst lernen und mich so weiterentwickeln. Wenn ich meine Emotionen aber unterdrücke, wenn ich versuche sie zu ignorieren oder zu überspielen, dann werden sie zu einer Blockade für mich, meine Produktivität, meine Kreativität und meiner Interaktion mit Menschen. In Zusammenarbeit mit anderen, gewinnt deshalb auch Empathie noch mehr an Bedeutung. Weil es nicht nur um uns und unsere eigenen Gefühle, sondern auch um die der anderen geht und darum, welche Emotionen unser Verhalten bei anderen auslöst und wie unsere Emotionen interagieren.

Emotionalität und Empathie sind aus meiner Sicht die Grundlagen von Leadership. Und Leadership bedeutet für mich nicht Führung, sondern vor allem Vorbildfunktion.

Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Bild, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Rogl: Eine spannende Vorstellung! Meine Überschrift würde lauten: „Diversity ist das Ziel – Inklusion ist der Weg“ (inspiriert von Robert Franken, der das oft in seinen Vorträgen sagt).
Im Artikel würde ich darüber schreiben, warum es bei Diversity nicht um Männer und Frauen, sondern um Vielfalt im wahrsten Sinne des Wortes geht: Geschlecht, soziale und geologische Herkunft, Glaube, Bildung, Aussehen, Einstellung, Behinderung und vieles, vieles mehr. Vielfalt hat viele Gesichter und viele Chancen.

Welche drei Eigenschaften braucht ein gute Führungskraft im digitalen Zeitalter? Und sehen Sie Unterschiede oder Gemeinsamkeiten im Führungsstil weiblicher und männlicher Führungskräfte?

Rogl: Das kommt jetzt vermutlich wenig überraschend: Aus meiner Sicht braucht eine Führungskraft Empathie, Emotionalität und Reflexionsfähigkeit. Ich halte nichts davon, zwischen weiblicher und männlicher Führung zu unterscheiden – es geht um Menschen und gibt auf allen Seiten positive Beispiele.

Aus meiner Sicht braucht eine Führungskraft Empathie, Emotionalität und Reflexionsfähigkeit.

Stichwort: Diversity. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Erfolgsformel zur Zusammensetzung von Teams? Wie sieht das ideale Team aus?

Rogl: Genau das macht Diversity ja aus: Jedes Team ist anders – und anders erfolgreich. Wenn wir über Diversity sprechen ist es wichtig, auch anzuerkennen, dass das anstrengend sein kann: Wenn alle gleich denken, scheine viele Dinge auf den ersten Blick einfacher und umso mehr Unterschiede es in einem Team gibt, desto mehr Diskussionen und Reibungen können auftauchen. Darauf muss man sich vorbereiten und für das eigene Team passende Absprachen, Methodiken und Formate entwickeln. Dass sich der vermeintliche Mehraufwand lohnt zeigen alle Studien zu diesem Thema: Diverse Teams sind auf lange Sicht erfolgreicher, entwickeln bessere Produkte, managen komplexere Projekt, sind resilienter – und vor allem bieten sie für jedes einzelne Teammitglied unzähliche Chancen zu lernen.

Im Rahmen unserer Interview-Reihe haben wir bereits Saskia Steinacker, Global Head Digital Transformation bei Bayer, getroffen. Sie hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: Wie kann man Entscheider in Firmen dazu bringen, Diversity als ihre persönliche Verantwortung zu sehen und zu fördern?

Rogl: Ich glaube, um persönliche Verantwortung wahrzunehmen, ist es wichtig, die Chancen zu begreifen. Ein diverses Team kann mir als Führungskraft helfen erfolgreicher und vor allem zukunftsfähig zu sein. Wenn ich als Entscheider*in in Diversity investiere, investiere ich also nicht nur in die Gesellschaft, sondern auch in mich selbst und meine eigene Zukunft.

Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung findet oder ein Herzensthema, das Sie umtreibt?

Rogl: Eins meiner Herzensthemen ist HR. Wie können wir aus Human Resources Human Relations machen? Wie können wir die Arbeitwelt inklusiver gestalten? Wie können wir inklusiver kommunizieren? Wie können wir es schaffen, die Chancen von Inklusion zu sehen und so näher an echte Diversität kommen?

Welche Frage möchten Sie uns in diesem Zusammenhang für die nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Rogl: Ich würde gerne die Frage mitgeben: Wie schaffen wir es aus einer Männer/Frauen-Debatte eine echte Diversity-Diskussion zu machen?

Lieben herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Frau Rogl!


Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de


Bettina Horster

Im Gespräch mit Dr. Bettina Horster, VIVAI Software AG

Es gibt tausende gute Gründe, warum die Internetwirtschaft weibliche Verstärkung braucht. Schließlich stehen zahlreiche Jobangebote dem Fachkräftemangel gegenüber oder aber homogene Teams und Denkweisen Innovationen im Wege. Die Digitalbranche boomt, täglich entstehen neue digitale Geschäftsmodelle und schaffen lukrative Jobs, doch die lassen sich Frauen noch zu häufig entgehen. Wir wollen das ändern. In unserer Serie „Frauen in der Tech-Branche“ kommen inspirierende weibliche Fach- und Führungskräfte der Internetbranche zu Wort. Dabei sprechen wir über die wirklich wichtigen Themen: von Entwicklungsperspektiven über Karrieretipps und Zukunftswünsche bis hin zu den Herausforderungen in einem männerdominierten Arbeitsumfeld und warum Arbeit in der Internetbranche Spaß macht. Diesmal mit: Dr. Bettina Horster, Vorstand VIVAI Software AG.

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?

Dr. Bettina Horster: Vorstand Business Development

Wenn ich mich auf Ihren Job bewerben möchte, was würde mich im Arbeitsalltag erwarten? Und was muss ich für den Job unbedingt mitbringen?

Horster: Lust auf Innovationen und gaaaaanz viel Flexibilität. Obgleich wir natürlich vieles planen, kommt es doch oftmals ganz anders. Ich liebe es, mit Menschen zu kommunizieren und Informationen auszutauschen, darin sollte mein Nachfolger oder Nachfolgerin auch gut sein.

Besonders wichtig ist mir zudem eine wertschätzende Haltung gegenüber unseren Mitarbeitern und Kunden.

Mit VIVAI Software leiten Sie das Verbundprojekt Smart Service Power, das Menschen im Alter ermöglicht, länger im eigenen Zuhause zu wohnen. Technologie zum Wohl der alternden Bevölkerung einzusetzen, ist eines Ihrer zentralen Themen. Wie helfen digitale Technologien denn konkret helfen?

Horster: Ich bin überzeugt, dass die IT die Lösung des demographischen Wandels und des Pflegenotstands ist und daher brenne ich total für dieses Thema. Wissen Sie, was ihre Eltern oder Großeltern gerade in ihrer Wohnung machen? Vielleicht geht es ihnen gar nicht so gut – im schlimmsten Fall ist die Mutter oder der Vater gestürzt. Natürlich gibt es bereits heute Systeme, die bei einem Notruf reagieren, aber reicht das aus? Sind wir doch mal ehrlich: Sind wir in einer Gefahrensituation überhaupt noch in der Lage, einen Notrufknopf zu drücken? Neuere und bessere Lösungen sind beispielsweise Sensoren im Boden, die eine Alarmierungskette automatisch auslösen, wenn ein Bewohner gestürzt ist. Technik ist eine Lösung zu mehr Autonomie.

Viele Notfälle kommen schleichend daher oder kündigen sich schon länger an: Der Bewohner bemerkt es aber nicht oder verdrängt es. Eine Menge Geräte des täglichen Gebrauchs sind mittlerweile „connected“ und können dazu verwendet werden zu erkennen, ob der Tagesablauf in gewohnten Bahnen verläuft, oder ob Unterstützungsbedarf vorliegt. Eine WLAN-Zahnbürste kann insofern sinnvoll sein, indem das Monitoring über die tägliche Verwendung Aufschluss darüber gibt, ob alltägliche Dinge noch bewältigt werden oder nicht. Das Zeitalter der Sensorik hat gerade erst begonnen. Es gilt die vielen verschiedenen Sensoren in einem einzigen offenen System zu integrieren. Dies hilft uns, Daten aus vielen verschiedenen Lebensbereichen zusammenzufassen, zu analysieren und zu bewerten.

Wenn Sie eine Frau beliebigen Alters um einen Karrieretipp bitten würde: Was würden Sie ihr raten?

Horster: Jeder sagt: „Sei authentisch“. Doch daraus ergibt sich gleich die Frage: Was heißt das denn überhaupt? Ich würde sagen, dass man vielleicht einen Tick selbstbewusster auftreten sollte, als einem eigentlich lieb ist und damit die Komfortzone verlässt. Und ganz wichtig: Einfach mal machen, ohne immer an die Konsequenzen zu denken. In den meisten Fällen kommt es sowieso anders als man denkt – wieso sollte man sich also mit Bedenken quälen?

Einfach mal machen, ohne immer an die Konsequenzen zu denken. In den meisten Fällen kommt es sowieso anders als man denkt – wieso sollte man sich also mit Bedenken quälen?

Sie selbst sind studierte Informatikerin. Haben Sie Ideen, wie man Mädchen für MINT begeistern kann?

Horster: Es gibt sehr viele Initiativen in diesem Bereich. Ich selber habe mich viele Jahre für den Girls Day stark gemacht. Das war manchmal leider recht ernüchternd. Aber die Anzahl der Frauen in MINT steigt, wenn auch nur langsam. Ich bin überzeugt, wenn einmal die kritische Masse erreicht ist, wird es einfacher werden.

Sie haben auf einer MINT-Fachtagung einen Vortrag mit dem Titel „Industrie 4.0 – neue Werte für die Arbeitswelt. Interkulturell, qualifiziert, wählerisch – Frau 4.0“ gehalten und die These vertreten, dass Frauen von der Arbeitswelt 4.0 profitieren. Inwiefern profitieren Frauen denn konkret und warum sollten sich Frauen für die IT-Branche entscheiden?

Horster: Ich begleite seit vielen Jahren junge Frauen im Mentoring. Das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist schon immer ein Dauerbrenner. Ich sage immer, dass es kein besseres Berufsfeld für Frauen gibt als die Informatik. Zum einen ist es immer schon ein Mangelberuf. Sie werden in dem Bereich immer einen Job finden. Ganz gleich, ob Sie männlich oder weiblich sind. Zum anderen sind Arbeitgeber aufgrund des Fachkräftemangels sehr großzügig. Ich kenne eigentlich kein Softwareunternehmen, das keine Telearbeitsplätze anbietet und sich bei der Arbeitszeit nicht flexibel zeigt. Als Arbeitnehmer müssen sie nicht unbedingt physisch anwesend sein, um ihre Arbeit zu erledigen. Dies ist insbesondere für Mütter ein echter Vorteil. Ich war immer nachmittags für meine Kinder da. Dies zeigt doch sehr deutlich, dass die Informatik ein idealer Frauenberuf ist. Wir müssen es den jungen Frauen bloß viel deutlicher machen.

2015 wurden Sie als Entrepreneure of the Year ausgezeichnet, aktuell sind Sie für den WIN-Award (Womens IT Networks) in der Kategorie Business Innovation nominiert. Was bedeuten solche Auszeichnungen Ihnen persönlich?

Horster: Ich freue mich, dass man meine Arbeit und meine Person würdigt. Für mich war es immer wichtig, Engagement und eine ganz klare Position zu zeigen. Ich bin viel ehrenamtlich unterwegs – ob in Branchenverbänden wie dem eco, in Organisationen, die Frauen stärken (Mentoring KIM – Kompetenz im Management, Dortmunder Forum für Frauen in der Wirtschaft), regionalen Initiaitven (GFS Gesellschaft für den Strukturwandel) oder auch international für den Diplomatic Council, der eine NGO der Vereinten Nationen ist. Ich bin auch noch im Digitalbeirat des Landes NRW und berate unseren Wirtschafts- und Digitalminister. Dafür setze ich viel Kraft und Zeit ein. Ich finde es gut, wenn dies auch öffentlich anerkannt wird.

Für mich war es immer wichtig, Engagement und eine ganz klare Position zu zeigen.

Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Bild, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Horster: „Die Anzahl der weiblichen Studierenden in den MINT Fächern liegt bei über 50 Pozent“. Das fände ich wirklich schön.

Welche drei Eigenschaften braucht eine gute Führungskraft im digitalen Zeitalter?

Horster: Flexibilität, gute Menschenkenntnis, Optimismus, gute Laune und viel Sinn für Freude! Bei uns gibt es den Leitspruch: Gute Laune macht gute Projekte!

Bei uns gibt es den Leitspruch: Gute Laune macht gute Projekte!

Stichwort: Diversity. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Erfolgsformel zur Zusammensetzung von Teams? Und welche Rolle spielt Vielfalt bei der Besetzung von Teams?

Horster: Das ist eine meiner liebsten Fragen! Zu einem guten Team braucht es immer einen guten Mix aus Männern, Frauen, Menschen unterschiedlicher Herkunftsländer, gemischter Alterstrukturen und so weiter. Ich verweise bei der Bildung von High-Performance Teams gerne auf das Buch von Prof. Heike Bruch, Universität St. Gallen. Demnach braucht  ein gutes Team einerseits einen Technologietreiber, andererseits einen Star, aber auch nur einen, denn Stars sind manchmal wie Sheldon Cooper von der TV Serie „Big Bang Theory“ und wissen, dass sie die Besten sind. Daneben noch einen »Happy Bear« vielleicht nicht ganz so genial, aber teamfähig und nett. Er fördert vor allem den Zusammenhalt und das Wohlbefinden im Team. Ich lasse gerne den anderen den Vortritt immer die Besten einzustellen. Bei uns ist das Team der Star.

Wie leben Sie Diversity innerhalb Ihres Unternehmens?

Horster: Anders als viele IT-Unternehmen sprechen wir nicht über Diversity – denn wir sind es. Wir haben einen hohen Frauenanteil. Von fünf Führungskräften sind zwei Frauen, bei uns arbeiten junge und ältere Kollegen, Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern und mit unterschiedlichster sexueller Orientierung. Wir haben schon mehrere Preise für unsere Diversity erhalten.

Dr. Laura Dornheim, Head of Communication bei eyeo, hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: Wann sind Sie sich Ihrer eigenen Privilegien bewusst geworden und wie prägt Sie diese Erfahrung?

Horster: Ich war auf einer Veranstaltung und ein paar junge Frauen fragten mich, ob sie ein Selfie mit mir machen könnten. Das hat mich echt sprachlos gemacht.

Ich habe keine Privilegien im Unternehmen. Ich sitze nicht im Einzelbüro, sondern teile es mit einer Mitarbeiterin. Bei uns gibt es ein sehr angeglichenes Gehaltsniveau. Ich würde mir im Unternehmen niemals etwas zugestehen, das ich nicht anderen auch gewähren würde.
Ansonsten lebe ich natürlich sehr privilegiert in einem schönen Land mit Frieden und Wohlstand.  Meine persönliche Privilegien – ich habe einen tollen Mann und zwei super Töchter.

Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Welche Frage möchten Sie uns für die nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Horster: Wann hatten Sie persönlich den Eindruck, dass Sie Nachteile gegenüber Männern im Job hatten?

Lieben herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Frau Dr. Horster!

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de

Dr. Laura Dornheim

Im Gespräch mit Dr. Laura Dornheim, eyeo

Es gibt tausende gute Gründe, warum die Internetwirtschaft weibliche Verstärkung braucht. Schließlich stehen zahlreiche Jobangebote dem Fachkräftemangel gegenüber oder aber homogene Teams und Denkweisen Innovationen im Wege. Die Digitalbranche boomt, täglich entstehen neue digitale Geschäftsmodelle und schaffen lukrative Jobs, doch die lassen sich Frauen noch zu häufig entgehen. Wir wollen das ändern. In unserer Serie „Frauen in der Tech-Branche“ kommen inspirierende weibliche Fach- und Führungskräfte der Internetbranche zu Wort. Dabei sprechen wir über die wirklich wichtigen Themen: von Entwicklungsperspektiven über Karrieretipps und Zukunftswünsche bis hin zu den Herausforderungen in einem männerdominierten Arbeitsumfeld und warum Arbeit in der Internetbranche Spaß macht. Diesmal mit: Dr. Laura Dornheim von eyeo.

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?

Dr. Laura Dornheim: Head of Communications eyeo GmbH

Wenn ich Ihre Position hätte, was würde mich in meinem Arbeitsalltag bei eyeo erwarten? Und was muss ich für den Job unbedingt mitbringen?

Dornheim: Ich glaube ohne Multitasking wäre ich ziemlich aufgeschmissen. Ich manage ein 12-köpfiges Team, bin Unternehmenssprecherin und arbeite mit unserer Geschäftsführung an der strategischen Ausrichtung von eyeo. Alles ist wichtig und ich muss sehr oft spontan umpriorisieren. Dass ich aus dem Backstage-Bereich einer Digitalkonferenz an einer Videokonferenz mit meinem Team teilnehme, ist eher Alltag als Ausnahme. Business as usual gibt es bei uns nicht. Was ich sehr genieße! Als Digitalunternehmen ist ständige Veränderung bei uns Programm. Bei eyeo achten wir aber sehr darauf, dass das nicht zu Lasten unserer Mitarbeiter*innen geht. Vertrauensarbeitszeit und die Möglichkeit, jederzeit von Zuhause zu arbeiten sind nur zwei Beispiele, wie wir allen die individuell besten Rahmenbedingungen ermöglichen.

Sie haben beruflich sehr viel erreicht. Bei eyeo führen Sie das internationale Kommunikationsteam. Zuvor haben Sie als Unternehmensberaterin in einer internationalen Strategieberatung und als selbstständige Beraterin, Unternehmen bei der digitalen Transformation geholfen. Sie engagieren sich für verschiedene feministische Projekte und Initiativen und sind Sprecherin der LAG Netzpolitik für Bündnis 90 Die Grünen. Wenn Sie eine Frau um einen Karrieretipp bitten würde: Was würden Sie ihr raten?

Dornheim: Netzwerken. Netzwerken. Netzwerken! Unterstützt euch gegenseitig, lobt die Kollegin im nächsten Meeting, leitet spannende Stellenanzeigen an Bekannte weiter, bildet Banden! Und stellt auch das eigene Licht nicht unter den Scheffel. Frauen unterschätzen sich leider oft selbst. Das zeigt sich schon darin, dass Frauen sich nur auf Stellenanzeigen bewerben, bei denen sie 100 % aller Anforderungen erfüllen, Männer tun das schon ab 60 Prozent.[1] Sprecht über die eigenen Erfolge und die anderer Frauen und traut euch!

Haben Sie selbst noch Vorbilder? Nehmen wir an Sie selbst könnten eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen: Wer wäre es und warum?

Dornheim: Häufig inspirieren mich Frauen am meisten, die ich im täglichen Leben treffe, wie zum Beispiel die Journalistin Teresa Bücker, die ein feministisches Online-Magazin aufgebaut hat oder die Programmiererin Lucy Höhler, die sich selbst das Coden beigebracht hat.

Natürlich bin ich auch fasziniert von den Karrieren von Sheryl Sandberg und Marissa Meyer. Aber ich würde mich freuen, wenn lebendige Legenden wie Alexandra Elbakyan, die Gründerin des Portals für freies Wissens, Sci-Hub, genauso viel öffentliche Aufmerksamkeit bekämen. Sie würde ich sehr gerne einmal treffen. Oder natürlich die Tüftlerin und Erfinderin des Computers, Ada Lovelace. Oder doch lieber Trinity aus Matrix?

Auf der republica 2018 haben Sie eine Keynote mit dem Titel: Braucht das Silicon Valley eine Frauenquote gehalten und gesagt die Frauenquote in Deutschland sei nicht mehr als ein Feigenblatt. Was halten Sie ganz persönlich von der Frauenquote?

Dornheim: Von einer echten Frauenquote halte ich sehr viel! Allerdings geht die Frauenquote in Deutschland nicht weit genug und verfehlt so ihre Wirkung. Sie betrifft nur etwa 200 Unternehmen in Deutschland und kein Unternehmen unter 2000 Angestellten. Hinzu kommt noch, dass die Unternehmen sich ihr Ziel selbst aussuchen dürfen. Einige Unternehmen haben sich eine Frauenquote von 0 Prozent als Ziel gesetzt. Das ist schlichtweg inakzeptabel. Wird die Quote richtig eingesetzt, mit verbindlichen Zielvereinbarungen und geknüpft an Boni, dann kann sie den Teufelskreis der homosozialen Reproduktion durchbrechen. Das bedeutet kurz und knapp: Gleich und gleich gesellt sich gerne. Ein Thomas stellt lieber einen weiteren Thomas ein, als eine Tatjana. Noch 2017 gab es in Deutschland mehr Vorstände, die Thomas oder Michael heißen, als Frauen.[2] Der Effekt verstärkt sich also von selbst, um faire Bedingungen zu schaffen ist eine Quote meiner Meinung nach das einzige Mittel.

Wird die Quote richtig eingesetzt, mit verbindlichen Zielvereinbarungen und geknüpft an Boni, dann kann sie den Teufelskreis der homosozialen Reproduktion durchbrechen.

Ein eyeo Posting zum Weltfrauentag lautet: Wir sind stolz darauf, dass die Mehrheit unserer Führungsfunktionen bei eyeo von Frauen ausgeübt werden. Wie schaffen Sie das? Was machen Sie bei eyeo anders?

Dornheim: Zuallererst ist eyeo einfach ein unglaublich spannendes Unternehmen mit tollen Produkten, das Frauen sehr viele spannende Positionen bietet und da wir sehr stark wachsen, gibt es auch exzellente Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist unsere Unternehmensphilosophie, die unseren Mitarbeiter*innen maximale Flexibilität ermöglicht. Viele eyeo Mitarbeiter arbeiten in Teilzeit oder Remote, das wird nicht nur von Frauen gerne genutzt, sondern ist für Menschen mit verschiedensten familiären Hintergründen oder eben auch ohne Familie sehr attraktiv. Das bedeutet, dass jede Mitarbeiter*in auch einfach von Zuhause aus arbeiten kann, wenn er  oder sie das möchte. Das gibt unheimlich viel Flexibilität und öffnet das Unternehmen für Menschen mit ganzen verschiedenen Lebensentwürfen.

Zum anderen haben wir insgesamt sehr viele weibliche Mitarbeiter*innen und wir qualifizieren unsere eigenen Mitarbeiterinnen weiter, so können wir auch aus dem Vollen schöpfen, wenn es um die Besetzung von Führungsrollen geht. Ich bin außerdem fest davon überzeugt, dass Role Models das A und O sind. Wenn ich auf der Webseite sehe, wie viele weibliche Führungskräfte ein Unternehmen hat oder zum Beispiel auf Konferenzen oder im Unternehmen selbst, dann zieht das weitere weibliche Führungskräfte an und führt auch dazu, dass ich mir das im Zweifelsfall eher selbst zutraue.

Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Bild, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Dornheim: Ich würde mich freuen, wenn wir irgendwann titeln könnten: “Wir brauchen die Männerquote in Tech-Unternehmen!” Davon sind wir aber noch weit entfernt. Wirkliche Gleichberechtigung ist für mich erst erreicht, wenn Unternehmen auch ein Spiegel unserer Gesellschaft sind. Das bedeutet, dass es keinen Unterschied mehr macht welches Gender oder welche sexuelle Orientierung ich habe, meine Hautfarbe, Herkunft oder politische Einstellung. Damit wäre ich vorerst zufrieden.

Wirkliche Gleichberechtigung ist für mich erst erreicht, wenn Unternehmen auch ein Spiegel unserer Gesellschaft sind.

Stichwort: Diversity. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Erfolgsformel zur Besetzung von Teams? Wie sieht aus Ihrer Sicht das ideale Team aus?

Dornheim: In erster Linie muss jedes Teammitglied erst einmal fachlich für die Position geeignet sein, für die es vorgesehen ist. Das ist immer ein Missverständnis bei jeder Quote, dass weniger qualifizierte Menschen dann bevorzugt werden. Das stimmt aber natürlich nicht. Es geht darum bei gleicher Qualifikation den Kandidaten auszuwählen, der eine benachteiligte Gruppe repräsentiert. Außerdem muss die Person sich mit unserer Mission an einem fairen und für alle profitablen Internet ohne nervige Werbung zu arbeiten, identifizieren können.

Wir suchen tatsächlich auch sehr viel proaktiv, das heißt wir sprechen selbst Menschen an, die gut zu uns passen könnten. Das hilft natürlich das jeweilige Team so zu gestalten wie wir es uns vorstellen. Außerdem finde ich es wichtig, dass Unternehmen die Diversität, die sie schon erreicht haben auch nach außen tragen, um zu zeigen: Das Thema ist uns wichtig, wir arbeiten daran, du bist bei uns willkommen.

Ein gutes Team braucht einen guten Leader. Wie führe ich als Führungskraft ein diverses Team zum Erfolg?

Dornheim: Ein diverses Team macht es für mich als Leader ja erst einmal leichter, weil ich eine ganze Bandbreite an Sichtweisen habe, die ich sonst niemals erreichen kann. Man schaue sich nur mal den Shitstorm einer deutschen Immobilienfirma an, die zum Weltfrauentag ein Bild ihres rein männlichen Vorstands gepostet hat, da merkt man Diversität wird dort nicht gelebt und noch nicht mal verstanden, sondern man versucht das nachzuahmen, ich nenne das gerne Pinkwashing. Natürlich gilt es in einem diversen Team besonders die verschiedenen Sichtweisen unter einen Hut zu bringen, das kann herausfordernd sein, ist aber etwas das auch in nicht diversen Teams zu meistern ist. Mir persönlich ist es wichtig, meine Mitarbeiter*innen individuell zu fördern und zu selbstständigem Denken zu ermutigen. Damit das Team auch gut zusammenwächst haben wir regelmäßige Team Events und verbringen auch mal ein paar Tage gemeinsam in einem Hotel, das schweißt zusammen!

Wir haben für unsere Reihe Donya Amer, Executive Vize President bei Bosch, getroffen. Sie hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: Was meint Diversity für Sie?

Dornheim: Diversity ist soviel mehr als nur Mann oder Frau. Auf Diversity zu achten, bedeutet vor allem darauf zu achten, wer repräsentiert wird und wer nicht. Für ein junges Start-Up ist eine 40-Jährige Alleinerziehende wahrscheinlich bereichernder in Sachen Diversity als ein Entwickler aus Indien. Diversity muss auf alle Lebensumstände schauen: Geschlecht, Herkunft, sexuelle Orientierung, Religion, wirtschaftliche Position und einige mehr.

Diversity ist soviel mehr als nur Mann oder Frau.

Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung findet oder Sie umtreibt? Dann geben Sie uns diese doch bitte für unsere nächste Interviewpartnerin mit. Welche Frage sollen wir ihr stellen?

Dornheim: Wann sind Sie sich Ihrer eigenen Privilegien bewusst geworden und wie prägt Sie diese Erfahrung?

Vielen herzlichen Dank für das Interview, Frau Dr. Dornheim!

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de


Katja Tietze

Im Gespräch mit Katja Tietze, Blockchain Consulting und Business Development bei T-Systems Multimedia Solutions

Es gibt tausende gute Gründe, warum die Internetwirtschaft weibliche Verstärkung braucht. Schließlich stehen zahlreiche Jobangebote dem Fachkräftemangel gegenüber oder aber homogene Teams und Denkweisen Innovationen im Wege. Die Digitalbranche boomt, täglich entstehen neue digitale Geschäftsmodelle und schaffen lukrative Jobs, doch die lassen sich Frauen noch zu häufig entgehen. Wir wollen das ändern. In unserer Serie „Frauen in der Tech-Branche“ kommen inspirierende weibliche Fach- und Führungskräfte der Internetbranche zu Wort. Dabei sprechen wir über die wirklich wichtigen Themen: von Entwicklungsperspektiven über Karrieretipps und Zukunftswünsche bis hin zu den Herausforderungen in einem männerdominierten Arbeitsumfeld und warum Arbeit in der Internetbranche Spaß macht. Diesmal mit: Katja Tietze, Blockchain Consulting und Business Development bei T-Systems Multimedia Solutions.

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?

Katja Tietze: “Blockchain Consulting und Business Development”

Das klingt so spannend, dass ich mich direkt auf deinen Job bewerben möchte. Was würde mich als Blockchain Consultant bei T-Systems Multimedia Solutions im Arbeitsalltag erwarten?

Tietze: Sie sollten Lust haben täglich etwas Neues zu lernen! Dazu gehört, immer ein Ohr am Markt und das andere bei den Kunden zu haben. Schließlich geht es darum, sie bestmöglich beraten zu können, inwiefern die Blockchain-Technologie generell oder konkrete Blockchain-Lösungen helfen können, das Geschäft effizienter oder effektiver zu gestalten. Wir sind kein Forschungsunternehmen und keine pauschale Innovationseinheit, wir fokussieren die Einbindung dieser neuen Technologie in bestehende Prozesse und Systeme, um bestehende Anwendungen zu verbessern oder die Erschließung neuer Geschäftsmodelle zu forcieren. Praxistauglichkeit und Ökonomie stehen dabei weit oben auf der Prioritätenliste.

Wenn Sie eine Frau beliebigen Alters als Mentorin um einen Tipp bitten würde. Was würden Sie ihr raten? Kennen Sie Stolpersteine und/oder Erfolgsmethoden?

Tietze: Darf ich ehrlich sein? Ich mag diese „Frauen in der IT“ Debatte nicht. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir leben immer noch in einer Welt, in der diese Debatte Realität ist. Aber mir wäre es am liebsten, es wäre einfach völlig egal, ob Frau oder Mann diesen Beruf ausüben. Ich selbst sehe mich nicht als „Frau in der IT“, sondern einfach als Diplom Informatikerin. Und ich bin überzeugt, dass, solange man Mädchen immer wieder erzählt, wie ungewöhnlich Frauen in der IT sind, sich gewiss weiterhin wenige Mädchen für diesen Berufszweig entscheiden werden. Wir müssen von der Besonderheit wegkommen und in die Normalität übergehen, dabei hilft es natürlich Vorbilder zu haben, aber auch einfach sein Ding zu machen. Deshalb mein Rat: Wisse, was du kannst und wer du bist und lass dich nicht von Rollenvorurteilen oder Rollenbildern leiten, sondern von deinem eigenen, objektiven Anspruch.

Wenn Sie selbst eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen dürften: Wer wäre es und warum?

Tietze: Queen Elisabeth. Warum? Ich hab noch niemanden sagen hören „Für eine Frau macht sie ihren Job ganz gut“. (Vielleicht auch, weil sich keiner mehr an den letzten Mann in ihrer Situation erinnert.)

Wir geben Ihnen jetzt mal einen anderen interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Bild oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Tietze: Am liebsten würde ich gar keinen Artikel zu diesem Thema publizieren wollen – schon gar keinen Aufmacher mit prägnanter Schlagzeile. Denn indem wir die Besonderheit von Frauen in der Tech-Branche betonen, stellen wir die Normalität dieser Tatsache in Frage. Und das erscheint mir unangemessen! Wenn es dann aber doch sein müsste, wäre ich für einen historischer Rückblick à la „Heute undenkbar, früher Realität: Als das Geschlecht noch eine Rolle spielte“. In dem Artikel würde es darum gehen, dass es eine Zeit gab, als Frauen in bestimmten Berufen noch immer die Ausnahme darstellten und es auch für junge Mädchen nicht einfach war, aus der rosa-hellblau Falle auszubrechen.

Beim letzten Mal haben wir Donya Amer, Executive Vize President bei Bosch, getroffen. Sie hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: „Mir persönlich wird die Diversity-Debatte in Deutschland mitunter zu oft auf Gender-Diversity reduziert. Ich würde Ihrer nächsten Interview-Partnerin daher gerne die Frage mitgeben: Was ist für Sie Diversity?

Tietze: Das ist eine schöne Vorlage. Ja, Diversity ist weitreichender und letztlich ist niemand genau wie der andere. Jeder hat bestimmte Stärken und Schwächen und am Ende sind häufig die optimale Teamzusammensetzung und gute Kommunikation zwischen den Individuen der entscheidende Erfolgsfaktor. Ich würde ein Team nicht nach Ausgewogenheit der Geschlechter aufstellen, sondern nach Ausgewogenheit der Fähigkeiten. Fachliche Expertise, wirtschaftliche Weitsicht, soziale Kompetenz, innovative Denkweisen, Flexibilität und Risikobereitschaft, ein bisschen von allem (in einer Person oder einem Team). Das für mich Diversity: Vielschichtigkeit und ein weiter Horizont.

Für unsere Interview-Reihe „Frauen in der Tech-Branche“ treffen wir beim nächsten Mal Kenza Ait Si Abbou Lyadini, Senior Managerin Robotics & Artificial intelligence bei der Telekom. Welche Frage sollen wir ihr stellen?

Tietze: Oh cool, das klingt nach einer sehr spannenden Gesprächspartnerin! Ich würde sie fragen: „Welche Skills haben Ihnen nach Ihrer Meinung am meisten geholfen, um Ihre jetzige Position zu erreichen?“ Und natürlich, ob sie einmal ein Projekt mit uns zusammen durchführen will.

Vielen lieben Dank für das Interview, Frau Tietze!

Wir müssen von der Besonderheit wegkommen und in die Normalität übergehen, dabei hilft es natürlich Vorbilder zu haben, aber auch einfach sein Ding zu machen.

Das für mich Diversity: Vielschichtigkeit und ein weiter Horizont.

Im Gespräch mit Saskia Steinacker, Bayer AG

Es gibt tausende gute Gründe, warum die Internetwirtschaft weibliche Verstärkung braucht. Schließlich stehen zahlreiche Jobangebote dem Fachkräftemangel gegenüber oder aber homogene Teams und Denkweisen Innovationen im Wege. Die Digitalbranche boomt, täglich entstehen neue digitale Geschäftsmodelle und schaffen lukrative Jobs, doch die lassen sich Frauen noch zu häufig entgehen. Wir wollen das ändern. In unserer Serie „Frauen in der Tech-Branche“ kommen inspirierende weibliche Fach- und Führungskräfte der Internetbranche zu Wort. Dabei sprechen wir über die wirklich wichtigen Themen: von Entwicklungsperspektiven über Karrieretipps und Zukunftswünsche bis hin zu den Herausforderungen in einem männerdominierten Arbeitsumfeld und warum Arbeit in der Internetbranche Spaß macht. Diesmal mit: Saskia Steinacker: Global Head of Digital Transformation bei Bayer und Mitglied im eco Präsidium.

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?

Saskia Steinacker: Global Head of Digital Transformation bei Bayer.

Wenn ich Ihre Position hätte, was würde mich in meinem Arbeitsalltag bei Bayer erwarten? Und was muss ich für den Job unbedingt mitbringen?

Steinacker: Zunächst bietet Bayer die großartige Chance, das Thema Digitalisierung mit den Megathemen Ernährung und Gesundheit zu kombinieren. 2050 werden über 10 Milliarden Menschen auf der Erde sein, die medizinisch versorgt und ernährt werden müssen. Dazu wollen wir mit neuen Lösungen beitragen. Ich leite mit unserem Digital Transformation Board die Transformation des Konzerns. Im Arbeitsalltag muss ich dafür sorgen, dass die Potenziale der Digitalisierung im Bereich Digital Health oder Digital Farming bei uns im Unternehmen gesehen werden und die nötigen Voraussetzungen für die Umsetzung geschaffen werden. Das heißt konkret beispielsweise, dass wir die nötige Infrastruktur haben, dass wir Mitarbeiter mit dem entsprechenden Know-how beschäftigen. Wie können wir die digitale Transformation bei Bayer beschleunigen? Darüber spreche ich täglich mit sehr vielen Menschen und das wollen wir in konkrete Projekte umsetzen. Ich bin mit absoluter Leidenschaft dabei. Es braucht Hartnäckigkeit, weil der Handlungsdruck in einem bisher erfolgreichen Geschäft nicht unbedingt gesehen wird. Auch eine Menge Diplomatie ist nötig, weil ich ganz unterschiedliche Stakeholder ins Boot holen muss.

Sie sind definitiv eine Female Hero der Digital-Szene und sicherlich ein Vorbild für viele. Wenn Sie eine Frau um einen Karrieretipp bitten würde: Was würden Sie ihr raten?

Steinacker: Das Wichtigste ist, den eigenen Purpose zu finden. Das heißt sich die Frage zu stellen: Wozu möchte ich eigentlich beitragen? Titel und hohe Position sind schön und gut, aber nicht entscheidend. Die nächste Frage ist, wie erreiche ich mein Ziel? Es muss nicht der traditionelle Karriereweg sein, sondern der eigene. Als Mentorin für Frauen habe ich häufiger erlebt, dass sie zu viel Energie darauf verwenden, sich über Ungerechtigkeiten zu ärgern. Die Energie ist besser darauf verwendet, den eigenen Weg konsequent zu gehen und dann ein Rollenmodell für die nächste Generation zu werden und diese zu fördern. Dazu gehört natürlich auch eine gewisse Widerstandsfähigkeit, denn der Wind bläst weiter oben in der Hierarchie durchaus rauher. Um das Durchhalten zu können, braucht es auch Ausgleichsmöglichkeiten zum Job. Ich halte nichts davon, alles dem Beruf unterzuordnen. Ein ausgewogenes Leben zwischen Beruf, Familie und Freunden ist sehr wichtig. Das gilt übrigens nicht nur für Frauen.

Als Mentorin für Frauen habe ich häufiger erlebt, dass sie zu viel Energie darauf verwenden, sich über Ungerechtigkeiten zu ärgern. Die Energie ist besser darauf verwendet, den eigenen Weg konsequent zu gehen und dann ein Rollenmodell für die nächste Generation zu werden und diese zu fördern.

Wie war das bei Ihnen selbst?

Steinacker: Mein Antrieb ist ganz klar, dass wir Digitalisierung für eine bessere  Landwirtschaft und Gesundheit nutzen sollten. Wenn ein Diabetes-Patient seinen Insulinspiegel selbst monitoren kann, ist das großartig! Ich habe auf der Business-Seite angefangen und bin dann in die IT gegangen, was damals ein sehr ungewöhnlicher Schritt war. Mir war schnell klar, welche Chancen in IT-Lösungen für unser Geschäft liegen. Als eine der wenigen Frauen in der IT habe ich durchweg positive Erfahrungen gemacht. Vorteilhaft war, dass ich von Natur aus großes Interesse an IT habe und mir auch Programmiersprachen selbst beigebracht habe. Dadurch verstehe ich heute einerseits die Technik. Auf der anderen Seite spreche ich aber auch die Businesssprache.

Stichwort: Diversity. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Erfolgsformel zur Besetzung von Teams? Wie sieht aus Ihrer Sicht das ideale Team aus oder wie besetzen Sie selbst Ihre Teams?

Steinacker: Grundsätzlich finde ich Diversity extrem wichtig. Im Geschäft braucht es verschiedene Perspektiven, um das beste Ergebnis zu liefern. Wenn ich jetzt ein Team mit einem eher monokulturellen Profil habe, dann deckt das am Ende eben nicht die gesellschaftliche Realität ab. Wer persönlich in diversen Teams gearbeitet hat, wird erleben, dass es immer eine Bereicherung ist, andere Hintergründe und Denkweisen mit einbeziehen zu können. So gehe auch ich bei meinem Team vor. Es ist sehr divers in Aspekten wie Nationalität, unterschiedliche Hintergründe und Fähigkeiten. Natürlich muss man da am Anfang etwas mehr moderieren, bis die Teammitglieder den Mehrwert selbst erleben. Wenn das einmal erreicht ist, will kein Mitarbeiter zurück in die Monokultur.

Natürlich muss man da am Anfang etwas mehr moderieren, bis die Teammitglieder den Mehrwert selbst erleben. Wenn das einmal erreicht ist, will kein Mitarbeiter zurück in die Monokultur.

Ein gutes Team braucht eine gute Führungskraft. Wie führt man aus Ihrer Sicht sein Team zum Erfolg?

Steinacker: Ich sehe es als meine Verantwortung, die Umgebung für den Erfolg meines Teams zu schaffen. Vor allem braucht es Plattformen für den Austausch und die Zusammenarbeit. Mir sind Teamplayer wichtig. Als Führungskraft muss ich allerdings auch auf die einzelnen Menschen und ihre Bedürfnisse eingehen können und sich dafür die nötige Zeit nehmen. Was ich außerdem sehr wichtig finde ist, Mitarbeitern Freiräume zu geben. Ich mache klar, was die Ziele sein sollen. Wie sie die Ziele erreichen, können sie selbst entscheiden. Wenn es Schwierigkeiten gibt, bin ich da und unterstütze. Ich habe aber auch das Glück, wirklich tolle Leute in meinem Team zu haben!

Wir haben beim letzten Mal Kenza Ait Si Abbou Lyadini, Senior Managerin Robotics & Artificial Intelligence bei der Telekom getroffen. Sie hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: Diverse Studien belegen, dass Unternehmen, die divers aufgestellt sind, innovativer und erfolgreicher sind. Diversity bietet eben auch einen finanziellen Mehrwert. Wie ist es aus Ihrer Sicht zu erklären, dass der Großteil der Unternehmen trotzdem noch nicht divers genug ist?

Steinacker: Grundsätzlich braucht Wandel Zeit. Alte Denkmuster müssen aufgebrochen werden und das geht nicht von heute auf morgen. Leider ist es so, dass Menschen häufig ähnliche tickende Menschen einstellen. Das führt dann dazu, dass man nur gleiche Perspektiven erhält, die sich für die Führungskraft zwar logisch anhören, aber es fehlt der andere Blick auf ein Thema. Das Ergebnis ist dann selten das beste. Dieses Verhaltensmuster muss über die verschiedenen Hierarchieebenen bewusst gemacht werden. Nur so lässt sich das Ähnlichkeitsprinzip durchbrechen.

Alte Denkmuster müssen aufgebrochen werden und das geht nicht von heute auf morgen.

Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung findet oder Sie umtreibt? Dann geben Sie uns diese doch bitte für unsere nächste Interviewpartnerin mit. Welche Frage sollen wir ihr stellen?

Steinacker: Wie kann man Entscheider in Firmen dazu bringen, Diversity als ihre persönliche Verantwortung zu sehen und zu fördern?

Vielen herzlichen Dank für das Interview, Frau Steinacker!

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de

Kenza Ait Si Abbou

Im Gespräch mit Kenza Ait Si Abbou Lyadini, Deutsche Telekom AG

Es gibt tausende gute Gründe, warum die Internetwirtschaft weibliche Verstärkung braucht. Schließlich stehen zahlreiche Jobangebote dem Fachkräftemangel gegenüber oder aber homogene Teams und Denkweisen Innovationen im Wege. Die Digitalbranche boomt, täglich entstehen neue digitale Geschäftsmodelle und schaffen lukrative Jobs, doch die lassen sich Frauen noch zu häufig entgehen. Wir wollen das ändern. In unserer Serie „Frauen in der Tech-Branche“ kommen inspirierende weibliche Fach- und Führungskräfte der Internetbranche zu Wort. Dabei sprechen wir über die wirklich wichtigen Themen: von Entwicklungsperspektiven über Karrieretipps und Zukunftswünsche bis hin zu den Herausforderungen in einem männerdominierten Arbeitsumfeld und warum Arbeit in der Internetbranche Spaß macht. Diesmal mit: Kenza Ait Si Abbou Lyadini, PMP, Senior Managerin Robotics & Artificial Intelligence

Wenn ich Ihre Position hätte: Was würde mich denn in meinem Arbeitsalltag erwarten? Und was muss ich für den Job unbedingt mitbringen?

Ich treibe die Themen AI und Robotics bei der Telekom und leite das interne Consulting rund um die Robotic-Process-Automation und KI-Lösungen innerhalb der IT-Abteilung. Zudem bin ich sehr viel auf Konferenzen, Panels und Veranstaltungen, um unsere Arbeit und das Thema AI auch nach außen sichtbar zu machen. Ich tausche mich mit Konzerneinheiten aus und unterstütze sie bei der Identifizierung von Automatisierungs- und KI-Anwendungen. Ich berate Business Leader, wie sie mithilfe von KI und Robotics Prozesse automatisieren und effizienter gestalten. Da geht es häufig um KPIs und Kosten. Wenn es hingegen eine innovative, technische Lösung braucht, um die Business Challenge zu meistern, dann berate ich auch dazu und bin auch das Bindeglied in die Entwicklung. Als Business Leader muss man schließlich nicht unbedingt wissen, wie ein Algorithmus programmiert wird, dafür sind wir da.

Bei der Telekom haben Sie einen Hackathon speziell für Frauen veranstaltet. Wie kam es dazu?

Wir haben zwar einige Frauen in der IT bei uns. Aber die meisten trauen sich nicht, an einem Hackathon teilzunehmen. Ich selber gehe total gerne zu Hackathons. Wenn ich dann Kolleginnen anspreche und sage: Hey, willst Du nicht mitkommen. Dann kommt als Antwort oft: Hackathons sind doch nur was für Hardcore Geeks. Deshalb haben wir beschlossen, wir machen einen Hackathon zum Thema KI nur für Frauen. Damit nehmen wir diese Ängste und Vorurteile. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Alle Teilnehmerinnen waren total begeistert. Bei unserem AIHack4Ladies sind über 50 Frauen aus dem AI-Umfeld zusammengekommen, darunter Data Scientist, Entwicklerinnen und Grafikerinnen, die dann in Teams Prototypen entwickelt haben. Für den 24. und 25. Oktober planen wir wieder einen Hackathon bei uns im hub:Raum in Berlin. Das Thema Diversität steht dabei weiterhin im Vordergrund. Da werden Frauen und Männer gemeinsam Lösungen im Bereich Cybersecurity entwickeln. Die Teams werden wir nach verschiedenen Diversity-Aspekten zusammenstellen wie kultureller Hintergrund, Geschlecht, Herkunft und Skills.

Was hat das Frauen-Sieger-Team im letzten Jahr entwickelt?

Das Team hat eine Lösung für mehr Chancengleichheit im Bewerbungsprozess entwickelt. Es geht darum durch den Einsatz von KI, den Recruiting-Prozess so neutral wie möglich zu gestalten und dafür zu sorgen, dass keine Person diskriminiert wird. Dazu ging es um drei Teilbereiche. Erstens hat sich das Team Stellenanzeigen angesehen, welche Formulierungen wirken auf Frauen eher abschreckend, bzw. welche Formulierungen enthalten irgendeine Art von Vorurteil. Dann haben sie die Bewerberseite beleuchtet. Welche Formulierungen nutzen Frauen in Anschreiben und CV eher als Männer? Der dritte Teil der Lösung bestand aus einer Diversity Engine, die Aufschluss darüber gibt, wie divers mein Team aktuell ist und wie sich die Diversität verändert, je nachdem wen ich einstelle. Ich bin mir zu 95 Prozent sicher, dass ein Männerteam nie auf diese Idee gekommen wäre, weil sie den Pain nicht haben. Sie schrecken Formulierungen in Stellenanzeigen nicht ab und daher kommen sie auch nicht auf die Idee, dazu eine Lösung zu entwickeln. Das bezieht sich natürlich auf unsere Branche, die IT Branche.

Warum scheuen Frauen mitunter die IT?

Das ist wahnsinnig komplex und hat mehrere Gründe. Es gibt nicht die eine magische, allumfassende Antwort. Ein Thema, das aber eine große Rolle spielt, sind Stellenanzeigen. Die Stellenausschreibungen sind meistens für Männer geschrieben und daher für Frauen nicht unbedingt sonderlich attraktiv. Das zeigt sich beispielsweise in Ausdrücken, die stark männlich-dominiert sind. Wo Frauen dann mitunter denken, da wird ein extrem ehrgeiziges Alphatier mit Ellenbogenmentalität gesucht. Da sagen Frauen dann: Darauf habe ich keine Lust. Ich bin eher ein sehr teamfähiger, kooperativer Mensch und suche eher einen Arbeitgeber, der diese Werte sucht. Männer nutzen im CV und Anschreiben sehr häufig die Ich-Form, die eigene Person steht immer im Vordergrund. Bei Frauen geht es eher um Aspekte wie Kollaboration, Moderation, Teamfähigkeit, kurz gesagt: den Wir-Gedanken, das Gemeinsam-Etwas-erreichen. Frauen sagen eher: Ich bin Teil vom Team und ich sorge dafür, dass alle zusammen arbeiten können, anstatt zu schreiben: Ich habe das Team geführt. Diese bescheidende Haltung im Bewerbungsprozess, wird oft als „unqualifiziert“ wahrgenommen. Aber das Problem fängt natürlich viel früher an. Es geht schon los mit der traditionellen Erziehung von Mädchen und Jungs, bereits in der Kita. Dann hören viele Mädchen in der Schule „Mathe ist nichts für Mädchen“. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich diesen Satz heute noch von Mädchen höre.

Sie repräsentieren Diversity bei der Telekom. Wie lebt ihr Diversity im Konzern?

Generell ist die Telekom wirklich offen für alle. Der Diversity-Bereich engagiert sich sehr. Wir haben das Frauen-Netzwerk Women@Telekom, bei dem wir beispielsweise Hackathons speziell für Frauen veranstalten oder Podiumsdiskussionen zu Woman in AI oder Gender in AI organisieren. Die Magenta Pride Kollegen haben die Telekom auf dem Christopher Street Day (CSD) in Köln repräsentiert, mit 250 Kollegen. Wir hatten eine Trans@work-Ausstellung bestehend aus Porträts transsexueller Menschen. Das sind Menschen, die arbeiten bei uns und das ist eben auch total normal. Wir sind Partner von FemTech und Global Digital Women, Panda und haben Inhouse-Initiativen und Projekte für Flüchtlinge. Operativ ist es manchmal schon eine Herausforderung, Diversity auch in die Köpfe der Mannschaft zu bekommen. Das stützt auch die Allbright-Studie mit dem sogenannten Thomas-Effekt. Der Vorstand heißt Thomas und der stellt dann eben den nächsten Vorstand ein, der auch Thomas heißt, der genauso aussieht und genauso viele Kinder hat und so weiter. Er stellt also sein eigenes Mini-Me ein. Diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist wahnsinnig kompliziert.

Der Vorstand heißt Thomas und der stellt dann eben den nächsten Vorstand ein, der auch Thomas heißt, der genauso aussieht und genauso viele Kinder hat und so weiter. Er stellt also sein eigenes Mini-Me ein. Diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist wahnsinnig kompliziert.

Sie machen sich stark für Frauen in der IT. Sie sitzen in der Jury vom MINT-Award der Initiative MINT Zukunft schaffen, wurden mit dem Female Digital Leader Award ausgezeichnet und vertreten das Thema als Keynote Speakerin auf sehr viel auf Konferenzen. Warum ist Dir Ihnen Thema Diversity persönlich wichtig?

Ja, das Thema ist mir definitiv sehr wichtig. Ich bin in Marokko geboren und aufgewachsen, habe Elektrotechnik in Spanien und Deutschland studiert. Ich habe lange Zeit in China gelebt und unter anderen für die EXPO in Shanghai gearbeitet. Ich spreche sieben Sprachen. Weil ich so viele Perspektiven habe und offen für die Welt bin, stärkt das auch meine Fähigkeit zur Innovation. Wenn man nicht in so einer Box verhaftet ist, kann man auch sehr gut quer denken und über den Tellerrand hinaus schauen. Dann findet man Zusammenhänge, die jemand oder eine homogene Gruppe ohne diese diversen Erfahrungen, gar nicht so sieht. Deshalb setze ich mich auch sehr für Diversity ein. Ich bin absolut davon überzeugt, dass Diversität richtig ist und etwas bringt. Zudem habe ich selber in meiner Vergangenheit auch schwierige Situationen erlebt bzw. Dinge, mit denen ich zu kämpfen hatte. Deshalb möchte ich, dass die Welt für die nächste Generation besser wird.

Gudrun Scharler; Chief Operations Officer bei Unitymedia hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: Wie machen Sie anderen Frauen Mut? Wie empowern Sie andere Frauen?

Als Leiterin vom Netzwerk Women@Telekom suche ich aktiv den Austausch mit weiteren Frauen-Netzwerken anderer Firmen, oder mit selbstständigen Netzwerken wie beispielsweise den Global Digital Women oder Women in AI. Ich empowere Frauen, indem ich auf sehr, sehr viele Konferenzen gehe. Ich traue mich auf die Bühne zu gehen und über AI zu referieren, obwohl ich seit 15 Jahren keinen Algorithmus mehr selbst programmiert habe. Ich tue das nicht nur, um das Thema AI zu platzieren, sondern auch für das Female Empowerment. Ich zeige damit Präsenz und dass es Frauen gibt, die sich in dem Thema auskennen, die auch auf der Bühne darüber reden können. Umso mehr Frauen es tun, umso selbstverständlicher wird es. Die Mädchen nächster Generationen denken dann eben gar nicht erst: Oh, auf der Bühne stehen nur Männer. Podiumsdiskussionen mit rein männlichen Teilnehmern werden hoffentlich bald der Vergangenheit angehören.

Ich tue das nicht nur, um das Thema AI zu platzieren, sondern auch für das Female Empowerment. Ich zeige damit Präsenz und dass es Frauen gibt, die sich in dem Thema auskennen, die auch auf der Bühne darüber reden können. Umso mehr Frauen es tun, umso selbstverständlicher wird es.

In einem Interview haben Sie einmal gesagt: Ich mochte Mathe schon als Kind. Haben Sie einen Tipp, wie man Kinder für Mathe begeistern kann?

Wenn ich in meine eigene Vergangenheit schaue, dann war meine Begeisterung für Mathematik immer intrinsisch motiviert. Ich bin mit einem Blatt Papier zu meiner Mutter gegangen und habe gesagt, schreib mir bitte Mathematikübungen auf. Ich wollte die Aufgaben lösen. Ich liebe Mathematik. Ich sehe Mathematik überall. Ich meine, wenn man ein Auto parkt, dann ist das Geometrie. Du musst wissen, wie groß ist das Auto, wie groß ist die Parklücke und wie bekommst du es in die Parklücke. Je besser du warst, desto besser kriegst du es hin mit dem Einparken. Mathematik ist überall in unserem Alltag. Wenn man sich darüber bewusst ist, entwickelt man auch eher ein Interesse dafür. Oft hört man Schüler sagen: Ja, Mathematik mache ich jetzt nur für die Schule, für meine Prüfung und danach brauche ich das nie wieder. Ich glaube sinnvoll ist, diese Transferleistung zwischen Zahlen und Leben stärker aufzuzeigen. Ich habe viele Sprachen gelernt und auch Klavier gespielt, beides war für mich auch sehr mathematisch. Es heißt nicht umsonst: Gute Mathematiker können gut Klavier spielen oder andersrum. Diese Transferleistung Kindern klar zu machen, das ist glaube ich ganz wichtig und entscheidend. Meinem Sohn habe ich das Buch Agathe zählt die Sterne geschenkt. Ein Buch für Kinder im Kindergartenalter. Agathe geht durch die Welt und zählt Dinge beispielsweise die Punkte einer Giraffe.

Haben Sie selbst noch Vorbilder?

Ich habe kein Role Model. Ich brauche niemand konkretes, um das zu erreichen, was ich mir vorgenommen habe. Ich brauche nur mich selbst. Spannend finde ich Managerfrauen wie Janina Kugel, Chief Human Resources Officer und Mitglied des Vorstands der Siemens AG. Ich mag vor allem ihre Authentizität. Vera Schneevoigt, Chief Digital Officer bei Bosch Building Technologies finde ich mit ihrer Persönlichkeit, ihrer Offenheit und ihrer Bodenständigkeit und ihrer Position im Top-Management auch super. Sehr inspiriert hat mich auch eine ehemalige Kollegin Vidya Munde-Müller. Sie ist in Indien aufgewachsen, teilweise in den Slums. Sie hat es geschafft, zu studieren, nach Deutschland zu kommen und bei der Telekom zu arbeiten. Mittlerweile hat sie ihr eigenes Start-up „Givetastic“ aufgebaut, um KI-untersützt Empfehlungen für Spenden zu machen, basierend auf den eigenen Interessen. In jeder Phase des Lebens ist es für mich aber jemand anderes, der mich inspiriert.

Ich habe kein Role Model. Ich brauche niemand konkretes, um das zu erreichen, was ich mir vorgenommen habe. Ich brauche nur mich selbst.

Warum würden Sie Mädchen oder Frauen die IT-Branche empfehlen?

Generell ist die IT super als Branche schon allein wegen ihrer Familienfreundlichkeit und der Flexibilität. Diese Flexibilität ist für mich persönlich aktuell super wichtig, gerade als Mutter. Wenn mein Sohn beispielsweise einmal krank ist, kann ich ohne Probleme von Zuhause aus arbeiten. Mobiles Arbeiten ist auch super für Menschen, die vielleicht die eigenen Eltern betreuen müssen. Wahrscheinlich werden die Ärzte in der Zukunft auch mit einem Roboter operieren, vielleicht sogar von Zuhause aus, aber soweit sind wir noch nicht.  Ein weiterer wichtiger Pluspunkt ist die Vielfältigkeit der Tech-Branche. Die digitale Transformation und Digitalisierung erreicht immer mehr Arbeits- und Lebensbereiche: Alles basiert auf IT. Wenn ich zum Beispiel Linguistik studiert habe, kann ich jetzt Dialoge für Chatbots schreiben. Wenn ich Anthropologe bin, kann ich die Mensch-Maschine-Interaktion mitgestalten. Es gibt inzwischen keine Trennung mehr in dem Sinne, das ist IT, das ist keine IT, alles ist IT. Die Frage, die ich mir als junger Mensch stellen sollte, ist nur: Von welcher Seite komme ich? Was sind meine inhaltlichen Interessen und wie kann ich mich einbringen in ein IT-Umfeld?

Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Welche Fragen sollen wir unserer nächsten Interview-Partnerin stellen?

Studien belegen, dass Unternehmen mit Diversity innovativer und erfolgreicher sind. Diversity bringt eben auch einen finanziellen Mehrwert. Wie ist es aus Ihrer Sicht zu erklären, dass der Großteil der Unternehmen trotzdem noch nicht divers genug ist?

Vielen herzlichen Dank für das Interview!

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de


Donya Amer

Im Gespräch mit Donya Amer, Bosch

Es gibt tausende gute Gründe, warum die Internetwirtschaft weibliche Verstärkung braucht. Schließlich stehen zahlreiche Jobangebote dem Fachkräftemangel gegenüber oder aber homogene Teams und Denkweisen Innovationen im Wege. Die Digitalbranche boomt, täglich entstehen neue digitale Geschäftsmodelle und schaffen lukrative Jobs, doch die lassen sich Frauen noch zu häufig entgehen. Wir wollen das ändern. In unserer Serie „Frauen in der Tech-Branche“ kommen inspirierende weibliche Fach- und Führungskräfte der Internetbranche zu Wort. Dabei sprechen wir über die wirklich wichtigen Themen: von Entwicklungsperspektiven über Karrieretipps und Zukunftswünsche bis hin zu den Herausforderungen in einem männerdominierten Arbeitsumfeld und warum Arbeit in der Internetbranche Spaß macht. Diesmal mit: Donya Amer, Executive Vice President bei Bosch.

Wenn ich Ihre Position hätte, was muss ich für den Job unbedingt mitbringen?

Donya Amer: In meiner Rolle als Business Interface in der Robert Bosch Corporate IT verantworte ich ein internationales Team, daher sind interkulturelle Kompetenz und das Arbeiten über Grenzen hinweg zwei wesentliche Faktoren. Darüber hinaus bin ich ein sehr neugieriger und ausgeprochen lernbereiter Mensch. Dies sind alles Eigenschaften, die mir in meinem Job entgegenkommen. Und zu guter Letzt schlägt mein Herz natürlich für Technologie und kontinuierlichen Wandel. Auch dafür sollte man eine Passion mitbringen.

Mitunter scheuen Frauen die Tech-Branche. Wir würden diesen Aspekt gerne einmal umdrehen und fragen: Was mögen Sie besonders an Ihrem Beruf?

Amer: Ich mache das gar nicht so an der Tech-Branche fest. Ich glaube eher, dass es immer die beste Variante ist, in einem Bereich zu arbeiten, für den man brennt. Ich selbst mag die Tech-Branche, weil sie sehr abwechslungsreich ist. Hier gestalten wir die Zukunft mit und das in einer enormen Geschwindigkeit. Die Digitalisierung ist extrem vielfältig und bietet jeden Tag neue Herausforderungen. Mit meinem Team unterstütze ich den digitalen Wandel von Bosch weltweit auf seinem Weg zum führenden Unternehmen im „Internet der Dinge“.

Gibt es ein Projekt aus dem Bereich IoT, das Sie besonders spannend finden? Wenn ja, warum?

Ich bin erst seit zwei Jahren bei Bosch und bin begeistert, wie konsequent das Unternehmen das Thema Internet of Things (IoT) durchdringt. Im Bereich der Mobilität arbeiten wir zum Beispiel mit vernetzten Lösungen wie Automated Driving oder Valet-Parking und sind dabei, einen kompletten Markt neu zu gestalten. Ein anderes IoT-Beispiel aus dem neuen Bereich „Smart Agricultue“ ist eines meiner aktuellen Lieblingsprojekte, unsere Smart-Farming-Lösung Plantec. Dies ist ein innovatives Konzept für den Anbau von Tomaten in den Green Houses (Anmerkung der Redaktion: kleine Gewächshäuser) in Japan. Über Sensoren werden Daten wie Temperaturen und Sonneneinstrahlung gemessen, die anschließend in der Bosch IoT-Cloud gespeichert und ausgewertet werden. Die Farmer erhalten dann Handlungsempfehlungen für die Pflege ihrer Tomaten und erzielen so eine bessere Ernte und damit höhere Erträge. Das ist nicht nur visuell eine tolle Lösung, sondern auch technisch: innovativ, skalierbar und cloud-basiert. In diesem Projekt haben Kollegen aus unterschiedlichsten Bereichen und Kulturen eng zusammengearbeitet. Das ist sehr inspirierend.

Das klingt nach interdisziplinärer Teamarbeit über Ländergrenzen hinweg und trifft sicherlich auch den Aspekt Diversity: Wie wird Diversity denn bei Bosch gelebt?

Ich erlebe bei Bosch eine unglaubliche Vielfalt. So sind meine direkten Kollegen im Bereichsvorstand der Corporate IT zum Beispiel sehr divers. Sowohl in Bezug auf Alter, Erfahrung und kultureller Hintergrund als auch Gender. Einige von uns sind kaufmännisch geprägt, andere technisch. Das ist eine sehr gute Kombination. Diese Vielfalt findet sich auch in unseren Teams wieder, die weltweit über Grenzen hinweg erfolgreich zusammen arbeiten.

Und wie divers ist Ihr eigenes Team?

Innerhalb meines direkten Teams gibt es acht Führungspositionen: zwei davon sind Frauen und sechs sind Männer. Wir repräsentieren unterschiedliche Hintergründe und Erfahrungen aus Kulturen, Kompetenzen und Kontinenten. Ich möchte niemanden davon missen, denn in den Diskussionen zeigt sich immer wieder, dass uns diese Vielfalt nach vorne bringt. Mir ist jedoch bei der Personalauswahl vor allem wichtig, daß die richtige Person auf dem richtigen Job ist, und dass sich die Fähigkeiten gut ergänzen. So kommt Diversity automatisch ins Team.

Mir ist jedoch bei der Personalauswahl vor allem wichtig, daß die richtige Person auf dem richtigen Job ist, und dass sich die Fähigkeiten gut ergänzen. So kommt Diversity automatisch ins Team.

Wenn eine Frau beliebigen Alters Sie um einen Karrieretipp bitten würde: Was würden Sie ihr raten?

Habe keine Angst vor Veränderungen. Das ist ein Thema, welches ich auch meinen Mentees bei Bosch immer mitgebe. Niemand sollte warten, bis irgendeiner kommt, und man an die Hand genommen wird, um voranzukommen. Jeder sollte sich selbst antreiben, hinterfragen und eine gewisse Veränderungsbereitschaft mitbringen. Mein Mentor hat mir den Rat gegeben: „Be interested, be interesting“, also sei interessiert und gleichzeitig auch interessant. Ich glaube, wer dies beherzigt, wird automatisch erfolgreich sein. Daher lautet mein Karrieretipp: Sei grundsätzlich bereit, dich zu verändern – nicht übereilt, denn dann verlierst du Qualität, aber sei grundsätzlich auch offen für Neues. Schau dich interessiert um, sei wissbegierig, und erweitere dein Skill-Set kontinuierlich – vor allem in neuen Themen und Technologien.

Sei grundsätzlich bereit, dich zu verändern – nicht übereilt, denn dann verlierst du Qualität, aber sei grundsätzlich auch offen für Neues. Schau dich interessiert um, sei wissbegierig, und erweitere dein Skill-Set kontinuierlich – vor allem in neuen Themen und Technologien.

Haben Sie selbst noch Vorbilder? Nehmen wir an Sie selbst könnten eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen: Wer wäre es und warum?

Wenn ich an Vorbilder denke, denke ich an Katherine Goble, Dorothy Vaughan und Mary Jackson. Das sind drei afroamerikanische Mathematikerinnen aus der Zeit, in der die NASA das Thema Erdumkreisung auf den Weg gebracht hat. Diese drei Frauen haben signifikant dazu beigetragen, dass diese Mission überhaupt erst zustande gekommen ist. Sie haben nicht nur zum Thema Diversity in Summe sehr viel beigetragen, sondern auch über ihre Zeit hinaus unendlich große Spuren hinterlassen. Ich hatte selbst erst kürzlich die Chance, auf dem NASA-Campus in den USA zu sein. Auch da sind Goble, Vaughan und Jackson überall gegenwärtig. Ihre Geschichte ist auch verfilmt worden. Hidden Figures ist ein wunderbarer Film, der zeigt, wie man Vorurteile nicht durch eine Quote, sondern durch Inhalte überwinden kann. Ich finde, dass diese drei Frauen Großartiges geleistet haben. Diese Leistung ist etwas, was ich mir immer wieder auch selbst zu Herzen nehme. Ich finde, dass man sich nicht aufhalten lassen sollte, nur weil man vielleicht an der einen oder anderen Stelle nicht dem Standard entspricht, ganz im Gegenteil.

Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Bild, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Als ergebnisorientierter Mensch würde mein Aufmacher lauten: Delivering through Diversity. Je vielfältiger Teams sind, desto erfolgreicher sind sie. Je diverser ein Führungsteam ist, desto stärker werden bei Entscheidungen alle relevanten Aspekte betrachtet. Studien belegen eindeutig, dass diverse Unternehmen weitaus produktiver, erfolgreicher und damit profitabler sind. Auch wenn man sich im Markt einmal umschaut, welche Firmen erfolgreich sind, dann werden in diesem Kontext immer wieder Firmen genannt, welche gerade auf der Führungsebene divers zusammengesetzt sind.

Im Rahmen unserer Interview-Reihe haben wir beim letzten Mal Stefanie Kemp, Director Innovation & Transformation bei der Lowell Gruppe getroffen. Sie hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: Was erwarten Frauen von Männern, wenn sie an ihre Karriereplanung denken? Was braucht es da?

Was es braucht, ist deutlich mehr Offenheit und deutlich mehr Mut sowie ein ausgeprägteres Verständnis dafür, dass Diversity einen Unterschied macht. Dabei zielt Diversity nicht nur auf Gender Vielfalt, sondern auf viel mehr Dimensionen wie Kultur, Alter oder auch Mindset. Da müssen wir in Deutschland noch deutlich mutiger werden. Wir müssen uns damit bewusster auseinandersetzen. In Norwegen zum Beispiel gibt es mehr CEOs, die Johann heißen als CEOs, die Frauen sind. Das gleiche gilt auch für die USA. Nur heißen sie dort nicht Johann, sondern John. An der Führungsspitze ist es um die Diversity also noch nicht gut bestellt. In Familien-geführten Unternehmen finden wir hingegen häufiger Frauen in Führungspositonen. Die Würth Gruppe beispielsweise mit Bettina Würth oder Trumpf mit Nicola Leibinger-Kammüller. Für mich sind beide sehr gute Beispiele, weil sie auch einen sehr positiven Einfluss auf die Unternehmenskultur haben. Wir müssen es schaffen, dass weibliche – besser noch vielfältige – Führungskräfte eine Selbstverständlichkeit sind und wir keine Quote brauchen. Ich bin aber überzeugt, dass wir mit Offenheit und deutlich mehr Mut auch dorthin kommen werden.

Wir müssen es schaffen, dass weibliche – besser noch vielfältige – Führungskräfte eine Selbstverständlichkeit sind und wir keine Quote brauchen.

Gibt es für Sie ein Herzensthema im Bereich Diversity?

In meiner idealen Welt ist Diversity kein Thema mehr. Es ist gelebte Praxis. Wir müssen gar nicht mehr darüber reden. Die Vielfalt, die wir in Deutschland in Summe schon sehen, ist auch in den Konzernspitzen angekommen.

Gibt es einen Aspekt, der Ihnen persönlich in der Diversity-Debatte zu kurz kommt?

In Deutschland wird Diversity sehr schnell auf das Thema Gender reduziert. Ich halte das für falsch. Wir brauchen nicht mehr Frauen in Führungspositionen, wir brauchen mehr Vielfalt in Führungspositionen. Eine Ausprägung dieser Vielfalt kann Gender sein, aber wir brauchen auch Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, mit unterschiedlichen Mindsets und so weiter. Meine Assistentin ist beispielsweise Chinesin. In Asien wird die Digitalisierung ganz anders gelebt. Das sieht man auch an der Nutzung von Mobile-Payment-Lösungen. Es ist ganz normal, mit dem Smartphone zu bezahlen. Gesichtserkennungs-Software wird in der chinesischen Bevölkerung als Vorteil angesehen. Die Diversity, die allein durch unterschiedliche Kulturen entsteht, ist großartig und sehr inspirierend. Ich wünsche mir, dass, wenn wir von Diversity reden, wir die gesamte Bandbreite betrachten.

Die Diversity, die allein durch unterschiedliche Kulturen entsteht, ist großartig und sehr inspirierend. Ich wünsche mir, dass, wenn wir von Diversity reden, wir die gesamte Bandbreite betrachten.

Welche Frage möchten Sie uns in diesem Zusammenhang für unsere nächste Interviewpartnerin mitgeben?

Amer: Meine Frage lautet: Was ist für Sie Diversity?

Vielen herzlichen Dank für das Interview, Frau Amer!

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de

Stefanie Kemp

Im Gespräch mit Stefanie Kemp, Oracle

Es gibt tausende gute Gründe, warum die Internetwirtschaft weibliche Verstärkung braucht. Schließlich stehen zahlreiche Jobangebote dem Fachkräftemangel gegenüber oder aber homogene Teams und Denkweisen Innovationen im Wege. Die Digitalbranche boomt, täglich entstehen neue digitale Geschäftsmodelle und schaffen lukrative Jobs, doch die lassen sich Frauen noch zu häufig entgehen. Wir wollen das ändern. In unserer Serie „Frauen in der Tech-Branche“ kommen inspirierende weibliche Fach- und Führungskräfte der Internetbranche zu Wort. Dabei sprechen wir über die wirklich wichtigen Themen: von Entwicklungsperspektiven über Karrieretipps und Zukunftswünsche bis hin zu den Herausforderungen in einem männerdominierten Arbeitsumfeld und warum Arbeit in der Internetbranche Spaß macht. Diesmal mit: Stefanie Kemp, ehemals Head of Business Transformation, Innovation and Digital bei der Lowell Group, jetzt Country Leader Oracle Germany und Mitglied im eco Präsidium.

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?

Stefanie Kemp: Head of Business Transformation, Innovation and Digital.

Klingt interessant. Wenn ich Ihre Position hätte, was würde mich in meinem Arbeitsalltag bei der Lowell Group erwarten? Und was finden Sie besonders spannend an Ihrem Job?

Kemp: Der spannendste Teil ist für mich die Digitalisierung. Dieser Bereich behandelt interessante Fragestellungen und Themenblöcke wie bspw. zukünftige Geschäftsmodelle aussehen.  Daraus lässt sich die Frage ableiten, inwieweit wir unseren Beitrag für ein digitales Ökosystem leisten können. Wir wollen natürlich unser Geschäft innovieren. Das sind die spannenden Momente, die irre viel Spaß machen. Gerade planen wir beispielsweise einen Workshop mit einem Entrepreneur. Er wurde durch das Land NRW gefördert und hat eine Start-up-Szene bzw. -Plattform aufgebaut. Aufgrund seines starken digitalen Fokuses fordert er uns immer heraus. Sein Erfolskonzept ist das Denken in disruptiven Strukturen. In meinem Arbeitsalltag beschäftige ich mich jedoch nicht auschließlich mit Innovation Hubs, sondern bin bis zu 80 Prozent in Meetings eingebunden.

Haben Sie selbst noch Vorbilder? Nehmen wir an Sie selbst könnten eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen: Wer wäre es und warum?

Ich glaube, Vorbilder sind für mich viele Menschen, denen ich täglich begegne. Das können offenkundig ganz simple Dinge sein. Ich finde es toll, wenn Menschen, die in einem Meeting sitzen, demjenigen, der eine Präsentation hält, auch wirklich zuhören, die sich wirklich darauf einlassen und fragen stellen und verstehen wollen. Respektvolles Miteinander kann hier als Schlagwort dienen. Das ist für mich eine Vorbildfunktion und vorbildliches Verhalten. Über prominente Vorbilder habe ich mich heute mit meinem Kollegen André unterhalten und da kamen wir auf Lady Di. Lady Di hat sich einerseits selber zelebriert, aber anderseits durch ihre Wohltätigkeitsarbeit unheimlich viel für benachteiligte Menschen getan. Im Bereich Women in Tech gibt es für mich auch ein Vorbild: Ada Lovelace. Sie war eine Pionierin, um 1830/1840 und zu dieser Zeit gab es keine Frauenquote. Sie hat es mit ihrem Wissen geschafft, mit ihrer Leidenschaft und mit ihrem Interesse, sich als Mathematikerin weiterzuentwicklen. Natürlich nicht alleine, es gab einen Mann in ihrem Leben, der mit ihr zusammen die Analytical Engine entwickelt hat. Ihre Leistung und ihr Werk sind visionär. Lovelace schrieb sozusagen das erste Computerprogramm der Welt. Die Programmiersprache ADA wurde nach Ada Lovelace benannt.

Was sind die Dos and Don´ts für Frauen in der Internetbranche?

Kemp: Ein klares Do ist in jedem Fall authentisch bleiben, seinen Ambitionen und seiner Leidenschaft nachgehen. Das Don´t ist bloss nicht assimilieren und wie ein Mann agieren. Es gibt für mich nichts Schlimmeres, als wenn eine Frau, die dies nicht von ihrer Natur aus hergibt, sich da in der Männerdomäne ein Stück weit anpasst.

Es gibt für mich nichts Schlimmeres, als wenn eine Frau, die dies nicht von ihrer Natur aus hergibt, sich da in der Männerdomäne ein Stück weit anpasst.

Sie sind auch als Mentorin bei der Initiative Woman into Leadership tätig und machen sich stark für die Förderung von Frauen. Was machen Frauen denn aus Ihrer Sicht schon sehr gut und wo besteht andererseits Nachholbedarf?

Kemp: Wenn ich auf meine Mentorinnen-Rolle und die Zusammenarbeit mit meinen Mentees schaue, dann glaube ich, Frauen können durchaus noch an ihrem Selbstbewusstsein arbeiten. Was Frauen auch weniger tun und Männer immer tun, ist etwas direkt und klar auszusprechen und zu sagen: Das will ich. Das will ich nicht. Privat klappt das ja auch.

Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Bild, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Kemp: Ich würde auf der BILD-Titelseite gerne die Frage platzieren: Was hat uns die Frauen-quote gebracht? Sind schon 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten? Möchte eine Frau eine Quotenfrau sein? Und was halten Männer eigentlich von der Quote? Da gibt es ja nach wie vor wahnsinnig kontroverse Diskussionen.

Was halten Sie selbst von der Frauenquote?

Ich persönlich fand es gut, dass diese Diskussion einmal angestoßen wurde. Ich möchte aber keine Quotenfrau sein. Ich möchte nach meiner Leistung und nach meinem Arbeitsalltag bewertet werden. Außerdem möchte ich auch keinen Job bekommen, nur weil an der Stelle die Diversity bzw. die Quote greift. Ich meine: Keine Frau dieser Erde möchte doch eine Quotenfrau sein. Ich war kürzlich in Vietnam, weil wir dort mit einem Offshore-Partner arbeiten. 50 Mitarbeiter haben dort für uns gearbeitet. Ich war so glücklich, dass 30 Prozent davon Frauen waren. Ich habe direkt ein Bild gepostet mit diesen jungen ambitionierten MINT Ladies, die wirklich Coder sind, die programmieren. Sie sitzen nicht nur da und managen Projekte oder sind Scrum-Master. In diesen Ländern ist es viel einfacher zu sagen, warum kann nicht eine Frau die gleichwertige Arbeit machen wie ein Mann.

Ich möchte nach meiner Leistung und nach meinem Arbeitsalltag bewertet werden. Außerdem möchte ich auch keinen Job bekommen, nur weil an der Stelle die Diversity bzw. die Quote greift.

Stichwort: Diversity. Wie muss aus Ihrer Sicht das ideale Team aussehen?

Kemp: Aus meiner Sicht macht das ideale Team aus, dass jeder seine Stärken und Schwächen kennt und dass diese ausbalanciert sind. Ich baue mir meine Teams nach dem Auffüllen meiner Schwächen auf und mit Kollegen, die mich herausfordern. Ich weiß, was ich gut kann und ich weiß, was ich nicht gut kann. Ich bin beispielsweise keine gute Controllerin. Eine gute Teamdynamik kommt genau dann zustande, wenn ich jemanden im meinem Team habe, der eben genau das einbringen und ergänzen kann, was fehlt. Wenn man sich ein Team nach dem Stärken-Schwächen-Profil aufbaut, dann kann man sehr erfolgreich sein. Dabei ist es egal, ob es ein reines Männer, reines Frauen oder ein gemischtes Team ist, da spielt Diversity für mich keine Rolle.

Was macht im Umkehrschluss für Sie eine gute Führungskraft aus?

Kemp: Eine gute Führungskraft zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich auf ihre Mitarbeiter einlässt und Feedback gibt. Eine gute Führungskraft fragt: Was sind denn eigentlich die Stärken? Bist du eigentlich glücklich mit dem, was du täglich machst? Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Mitarbeiter sich in verschiedenen Projekten ausprobieren können, ein breiteres Aufgabenspektrum kennenlernen und sich neuen Herausforderungen stellen können. Ich kann mich an meinen allerersten Chef erinnern, der mich aus der damaligen Zeit heraus in eine echt große Herausforderung geworfen hat. Er hat mich mit Schulenglisch nach Boston geschickt und gesagt: Mach mal, guck mal, ob wir da was verkaufen können. Er hat mir aber nicht gesagt, wie es geht, sondern: Flieg da hin, versuch es und dann kommst du zurück und dann reden wir drüber.

Im Rahmen unserer Interview-Reihe haben wir beim letzten Mal Tijen Onaran getroffen. Sie hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: Was hilft in der Krise?

Kemp: Für mich ist das Wichtigste erst einmal zu verstehen, warum bin ich in der Krise. Also muss ich reflektieren. Wenn ich weiß, wo ich bin und warum ich da bin, kann ich auch dagegen angehen. Hilfreich ist auch ein großer Erfahrungsschatz, denn dann kommen Entscheidungen kognitiv aus dem Deep Learning heraus. Wenn man diese Erfahrungsmuster in der Krise anwendet, dann hilft es einem auch schnell aus der Krise wieder hinaus. Manchmal muss man durch das tiefe Tal der Tränen gehen. Es gibt nicht die steile Karriere, die tolle ansteigende Kurve, die immer nur nach oben geht. Ich kenne keinen, der nicht irgendwann einmal einen Zacken in der Krone hatte und sich nicht selbst auch mal die Frage gestellt hat, ob man da versagt hat. Und ja dann ist das so, aber die Frage ist: „Warum?“. Eins hat mich das alles gelehrt, es geht immer weiter. Solange man das Glück hat gesund zu sein, einen funktionierenden Kopf zu haben, zwei Hände und Füße, die einen tragen, geht es immer weiter.

Es gibt nicht die steile Karriere, die tolle ansteigende Kurve, die immer nur nach oben geht.

Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung findet oder Sie umtreibt? Dann geben Sie uns diese doch bitte für unsere nächste Interviewpartnerin mit.

Kemp: Was erwarten Sie eigentlich von Männern, wenn Sie an Ihre Karriereplanung denken?

Ein sehr interessanter und wichtiger Aspekt. Können Sie uns mehr dazu erzählen, wie oder wer Sie in Ihrer beruflichen Entwicklung gefördert hat?

Ich hatte in meinem Berufsleben Gott sei Dank drei, vier Begegnungen in meinem Leben und das waren alles männliche Begegnungen, die mich gefördert haben. Hinter jeder starken, erfolgreichen Frau steht irgendwann mal ein starker, erfolgreicher und mutiger Mann. Das impliziert auch die Frage: Wie viele erfolgreiche, mutige Männer gibt es, die weibliche Talente fördern und sie ermutigen Führungspositionen zu ergreifen? Was ich zunehmend beobachte, wir Frauen sind doch etwas ängstlicher, aber auch emotionaler. Männer sind dagegen im beruflichen Kontext rationaler und agieren weniger emotional. Aber das macht ja eigentlich das Salz in der Suppe aus. Diskussionen laufen beispielsweise unter Beteiligung von Frauen anders ab als in einer reinen Männerrunde.

Vielen herzlichen Dank für das Interview, Frau Kemp!

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de