INTERVIEW

Im Gespräch mit Magdalena Rogl, Microsoft Deutschland

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?

Magdalena Rogl: Tatsächlich habe ich schon länger gar keine Visitenkarten mehr. Ich connecte mich immer direkt auf LinkedIn, dort steht in meinem Profil: Head of Digital Channels bei Microsoft Deutschland.

Wenn ich mich auf Ihren Job bewerben möchte, was würde mich im Arbeitsalltag erwarten? Und was muss ich für den Job unbedingt mitbringen?

Rogl: Einen richtigen Arbeitsalltag gibt es ehrlich gesagt gar nicht: Das Spannende an meinem Job ist, dass jeder Tag anders aussieht. Bei Microsoft haben wir das Glück nach dem Prinzip Vertrauensarbeitsort und Vertrauensarbeitszeit zu leben. Das heisst: Jede*r Mitarbeiter*in kann arbeiten, wann und wo sie oder er will. Das erfordert auf der einen Seite viel Selbstorganisation und -verantwortung, gibt aber gleichzeitig viel Freiheit, Kreativität und Produktivität. Als Head of Digital Channels bin ich Teil der Unternehmenskommunikation von Microsoft Deutschland. In diesem Job arbeitet man viel im direkten Austausch mit anderen Menschen: mit dem Team, mit Journalist*innen, Influencer*innen, Mitarbeiter*innen und so weiter. Anders als oft vermutet, geht es bei Kommunikation aber nicht darum, immer selbst zu sprechen, sondern vor allem auch aktiv zuhören zu können.

Sie haben keinen klassischen Karriereweg eingeschlagen, aber eine sehr beeindruckende Karriere hingelegt. Sie sind ausgebildete Erzieherin, standen als alleinerziehnde Mutter vor der Herausforderung Kinder und Karriere unter einen Hut zu bekommen, haben als Community Managerin bei Focus Online gearbeitet als Social Media noch in den Kinderschuhen steckte. Heute sind Sie Head of Digital Channels bei Microsoft. Wie haben Sie all das geschafft?

Rogl: Ehrlich gesagt glaube ich, dass es ganz viele solcher Geschichten gibt – nur sprechen leider Wenige darüber. Ich freue mich immer, von anderen „ungeraden“ Karrierewegen zu hören, weil ich denke, dass auch das ein Aspekt von Diversity ist, weil diese Menschen neue und andere Blickwinkel einbringen können. Außerdem nennt das World Economic Forum „Problemlösungsfähigkeit“ als eins der wichtigsten Skills für die Zukunft und genau diese Fähigkeit lernt man durch herausfordernde Situationen. Bei mir persönlich war es vielleicht die Kombination aus Dickkopf, Optimismus und Neugier, die mir geholfen hat Neues zu lernen und den Glauben an mich selbst nicht zu verlieren.

Außerdem nennt das World Economic Forum „Problemlösungsfähigkeit“ als eins der wichtigsten Skills für die Zukunft und genau diese Fähigkeit lernt man durch herausfordernde Situationen.

Wenn Sie eine Frau beliebigen Alters um einen Karrieretipp bitten würde: Was würden Sie ihr raten?

Rogl: Sei die beste Freundin für dich selbst. Meinen besten Freundinnen kann ich perfekte Karrieretipps geben, ich feiere sie bei Erfolgen, baue sie bei Misserfolgen wieder auf, helfe ihnen bei Verhandlungen, kann sofort aufzählen, was ihre Stärken sind – all das fällt mir bei mir selbst oft sehr schwer. Und ich weiss, dass es Vielen genauso geht und sie eher ihr stärkster Kritiker sind. Mir hilft es oft sehr, die Perspektive zu wechseln und zu überlegen, was ich meiner besten Freundin raten würde, wenn sie in meiner Situation wäre.

Sie sind sicherlich ein Vorbild für viele Frauen. Haben Sie selbst noch Vorbilder? Nehmen wir an Sie selbst könnten eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen: Wer wäre es und warum?

Rogl: Ich fände es wahnsinnig spannend, Melinda Gates zu treffen, um mit ihr über ihre Erfahrungen in der Tech-Branche als eine der ersten Mitarbeiterinnen Microsofts zu sprechen – aber vor allem um mehr über ihre humanitäre Arbeit zu erfahren. Ich finde es immer wahnsinnig inspirierend zu sehen, wenn sie Menschen für die Gesellschaft einsetzen.

Beim Thema Vorbilder finde ich es aber auch sehr wichtig, sich selbst ein Vorbild zu sein – denn wenn wir immer versuchen, wie jemand anders zu sein, können wir unser eigenes Potenzial nie ganz ausschöpfen. Jede*r ist einzigartig.

Beim Thema Vorbilder finde ich es aber auch sehr wichtig, sich selbst ein Vorbild zu sein – denn wenn wir immer versuchen, wie jemand anders zu sein, können wir unser eigenes Potenzial nie ganz ausschöpfen.

Es gibt eine ganze Reihe an Klischees über Frauen im Beruf. Einer lautet: Frauen seien zu emotional und das sei im Berufsleben problematisch. In einem Ihrer LinkedIn-Artikel erzählen Sie, dass eine Kollegin Ihnen auch einmal das Feedback gab: „Lena, Du bist viel zu emotional. Und untergräbst damit Deine Autorität.“ Wie hat sich das Feedback angefühlt, wie sind Sie damit umgegangen und welche Learnings haben sich daraus für Sie ergeben?

Rogl: Für mich hat es sich im ersten Moment sehr irritierend angefühlt und gleichzeitig wie eine Bestätigung für mein Imposter-Sydrom (auch bekannt als Hochstapler-Syndrom). Nach einiger Reflexion war mir aber klar, es ist keine Schwäche, sondern meine Stärke. Und ich bin davon überzeugt, dass Emotionalität stark an Bedeutung gewinnen wird. Denn wenn wir in Zukunft mit und neben künstlichen Intelligenzen und Robotern arbeiten, sind es genau diese Eigenschaften, die wir brauchen, um Technologien zu ergänzen: Emotionalität, Empathiefähigkeit und Menschlichkeit.

Sie gehen in Ihrem Artikel sogar noch einen Schritt weiter und schreiben: Ich glaube, dass jeder – ganz gleich in welcher Branche und in welchem Bereich – emotional sein sollte. Eine sehr spannende und bemerkswerte Aussage. Was bringt mir Emotionalität denn im Beruf und vor allem im Bereich Leadership?

Rogl: Emotionalität und Empathie sind aus meiner Sicht die Grundlagen von Leadership. Und Leadership bedeutet für mich nicht Führung, sondern vor allem Vorbildfunktion. Jeder kann ein Vorbild sein, ganz gleich auf welcher Position und in welcher Funktion.Emotionen definieren unsere Werte und unsere Haltung. Wenn wir unsere Emotionen reflektieren und analysieren, wenn wir sie nicht als lästig, sondern als hilfreich sehen, dann können sie wichtige Wegweiser für unsere Passion und Antrieb für unsere Ziele sein.

Wenn ich mir beispielsweise darüber bewusst werde, warum ich Angst vor einer Situation habe oder warum mich bestimmte Themen oder Menschen begeistern, dann kann ich sehr viel über mich selbst lernen und mich so weiterentwickeln. Wenn ich meine Emotionen aber unterdrücke, wenn ich versuche sie zu ignorieren oder zu überspielen, dann werden sie zu einer Blockade für mich, meine Produktivität, meine Kreativität und meiner Interaktion mit Menschen. In Zusammenarbeit mit anderen, gewinnt deshalb auch Empathie noch mehr an Bedeutung. Weil es nicht nur um uns und unsere eigenen Gefühle, sondern auch um die der anderen geht und darum, welche Emotionen unser Verhalten bei anderen auslöst und wie unsere Emotionen interagieren.

Emotionalität und Empathie sind aus meiner Sicht die Grundlagen von Leadership. Und Leadership bedeutet für mich nicht Führung, sondern vor allem Vorbildfunktion.

Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Bild, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Rogl: Eine spannende Vorstellung! Meine Überschrift würde lauten: „Diversity ist das Ziel – Inklusion ist der Weg“ (inspiriert von Robert Franken, der das oft in seinen Vorträgen sagt).
Im Artikel würde ich darüber schreiben, warum es bei Diversity nicht um Männer und Frauen, sondern um Vielfalt im wahrsten Sinne des Wortes geht: Geschlecht, soziale und geologische Herkunft, Glaube, Bildung, Aussehen, Einstellung, Behinderung und vieles, vieles mehr. Vielfalt hat viele Gesichter und viele Chancen.

Welche drei Eigenschaften braucht ein gute Führungskraft im digitalen Zeitalter? Und sehen Sie Unterschiede oder Gemeinsamkeiten im Führungsstil weiblicher und männlicher Führungskräfte?

Rogl: Das kommt jetzt vermutlich wenig überraschend: Aus meiner Sicht braucht eine Führungskraft Empathie, Emotionalität und Reflexionsfähigkeit. Ich halte nichts davon, zwischen weiblicher und männlicher Führung zu unterscheiden – es geht um Menschen und gibt auf allen Seiten positive Beispiele.

Aus meiner Sicht braucht eine Führungskraft Empathie, Emotionalität und Reflexionsfähigkeit.

Stichwort: Diversity. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Erfolgsformel zur Zusammensetzung von Teams? Wie sieht das ideale Team aus?

Rogl: Genau das macht Diversity ja aus: Jedes Team ist anders – und anders erfolgreich. Wenn wir über Diversity sprechen ist es wichtig, auch anzuerkennen, dass das anstrengend sein kann: Wenn alle gleich denken, scheine viele Dinge auf den ersten Blick einfacher und umso mehr Unterschiede es in einem Team gibt, desto mehr Diskussionen und Reibungen können auftauchen. Darauf muss man sich vorbereiten und für das eigene Team passende Absprachen, Methodiken und Formate entwickeln. Dass sich der vermeintliche Mehraufwand lohnt zeigen alle Studien zu diesem Thema: Diverse Teams sind auf lange Sicht erfolgreicher, entwickeln bessere Produkte, managen komplexere Projekt, sind resilienter – und vor allem bieten sie für jedes einzelne Teammitglied unzähliche Chancen zu lernen.

Im Rahmen unserer Interview-Reihe haben wir bereits Saskia Steinacker, Global Head Digital Transformation bei Bayer, getroffen. Sie hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: Wie kann man Entscheider in Firmen dazu bringen, Diversity als ihre persönliche Verantwortung zu sehen und zu fördern?

Rogl: Ich glaube, um persönliche Verantwortung wahrzunehmen, ist es wichtig, die Chancen zu begreifen. Ein diverses Team kann mir als Führungskraft helfen erfolgreicher und vor allem zukunftsfähig zu sein. Wenn ich als Entscheider*in in Diversity investiere, investiere ich also nicht nur in die Gesellschaft, sondern auch in mich selbst und meine eigene Zukunft.

Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung findet oder ein Herzensthema, das Sie umtreibt?

Rogl: Eins meiner Herzensthemen ist HR. Wie können wir aus Human Resources Human Relations machen? Wie können wir die Arbeitwelt inklusiver gestalten? Wie können wir inklusiver kommunizieren? Wie können wir es schaffen, die Chancen von Inklusion zu sehen und so näher an echte Diversität kommen?

Welche Frage möchten Sie uns in diesem Zusammenhang für die nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Rogl: Ich würde gerne die Frage mitgeben: Wie schaffen wir es aus einer Männer/Frauen-Debatte eine echte Diversity-Diskussion zu machen?

Lieben herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Frau Rogl!


Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de