INTERVIEW

Im Gespräch mit Dr. Laura Dornheim, eyeo

Es gibt tausende gute Gründe, warum die Internetwirtschaft weibliche Verstärkung braucht. Schließlich stehen zahlreiche Jobangebote dem Fachkräftemangel gegenüber oder aber homogene Teams und Denkweisen Innovationen im Wege. Die Digitalbranche boomt, täglich entstehen neue digitale Geschäftsmodelle und schaffen lukrative Jobs, doch die lassen sich Frauen noch zu häufig entgehen. Wir wollen das ändern. In unserer Serie „Frauen in der Tech-Branche“ kommen inspirierende weibliche Fach- und Führungskräfte der Internetbranche zu Wort. Dabei sprechen wir über die wirklich wichtigen Themen: von Entwicklungsperspektiven über Karrieretipps und Zukunftswünsche bis hin zu den Herausforderungen in einem männerdominierten Arbeitsumfeld und warum Arbeit in der Internetbranche Spaß macht. Diesmal mit: Dr. Laura Dornheim von eyeo.

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?

Dr. Laura Dornheim: Head of Communications eyeo GmbH

Wenn ich Ihre Position hätte, was würde mich in meinem Arbeitsalltag bei eyeo erwarten? Und was muss ich für den Job unbedingt mitbringen?

Dornheim: Ich glaube ohne Multitasking wäre ich ziemlich aufgeschmissen. Ich manage ein 12-köpfiges Team, bin Unternehmenssprecherin und arbeite mit unserer Geschäftsführung an der strategischen Ausrichtung von eyeo. Alles ist wichtig und ich muss sehr oft spontan umpriorisieren. Dass ich aus dem Backstage-Bereich einer Digitalkonferenz an einer Videokonferenz mit meinem Team teilnehme, ist eher Alltag als Ausnahme. Business as usual gibt es bei uns nicht. Was ich sehr genieße! Als Digitalunternehmen ist ständige Veränderung bei uns Programm. Bei eyeo achten wir aber sehr darauf, dass das nicht zu Lasten unserer Mitarbeiter*innen geht. Vertrauensarbeitszeit und die Möglichkeit, jederzeit von Zuhause zu arbeiten sind nur zwei Beispiele, wie wir allen die individuell besten Rahmenbedingungen ermöglichen.

Sie haben beruflich sehr viel erreicht. Bei eyeo führen Sie das internationale Kommunikationsteam. Zuvor haben Sie als Unternehmensberaterin in einer internationalen Strategieberatung und als selbstständige Beraterin, Unternehmen bei der digitalen Transformation geholfen. Sie engagieren sich für verschiedene feministische Projekte und Initiativen und sind Sprecherin der LAG Netzpolitik für Bündnis 90 Die Grünen. Wenn Sie eine Frau um einen Karrieretipp bitten würde: Was würden Sie ihr raten?

Dornheim: Netzwerken. Netzwerken. Netzwerken! Unterstützt euch gegenseitig, lobt die Kollegin im nächsten Meeting, leitet spannende Stellenanzeigen an Bekannte weiter, bildet Banden! Und stellt auch das eigene Licht nicht unter den Scheffel. Frauen unterschätzen sich leider oft selbst. Das zeigt sich schon darin, dass Frauen sich nur auf Stellenanzeigen bewerben, bei denen sie 100 % aller Anforderungen erfüllen, Männer tun das schon ab 60 Prozent.[1] Sprecht über die eigenen Erfolge und die anderer Frauen und traut euch!

Haben Sie selbst noch Vorbilder? Nehmen wir an Sie selbst könnten eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen: Wer wäre es und warum?

Dornheim: Häufig inspirieren mich Frauen am meisten, die ich im täglichen Leben treffe, wie zum Beispiel die Journalistin Teresa Bücker, die ein feministisches Online-Magazin aufgebaut hat oder die Programmiererin Lucy Höhler, die sich selbst das Coden beigebracht hat.

Natürlich bin ich auch fasziniert von den Karrieren von Sheryl Sandberg und Marissa Meyer. Aber ich würde mich freuen, wenn lebendige Legenden wie Alexandra Elbakyan, die Gründerin des Portals für freies Wissens, Sci-Hub, genauso viel öffentliche Aufmerksamkeit bekämen. Sie würde ich sehr gerne einmal treffen. Oder natürlich die Tüftlerin und Erfinderin des Computers, Ada Lovelace. Oder doch lieber Trinity aus Matrix?

Auf der republica 2018 haben Sie eine Keynote mit dem Titel: Braucht das Silicon Valley eine Frauenquote gehalten und gesagt die Frauenquote in Deutschland sei nicht mehr als ein Feigenblatt. Was halten Sie ganz persönlich von der Frauenquote?

Dornheim: Von einer echten Frauenquote halte ich sehr viel! Allerdings geht die Frauenquote in Deutschland nicht weit genug und verfehlt so ihre Wirkung. Sie betrifft nur etwa 200 Unternehmen in Deutschland und kein Unternehmen unter 2000 Angestellten. Hinzu kommt noch, dass die Unternehmen sich ihr Ziel selbst aussuchen dürfen. Einige Unternehmen haben sich eine Frauenquote von 0 Prozent als Ziel gesetzt. Das ist schlichtweg inakzeptabel. Wird die Quote richtig eingesetzt, mit verbindlichen Zielvereinbarungen und geknüpft an Boni, dann kann sie den Teufelskreis der homosozialen Reproduktion durchbrechen. Das bedeutet kurz und knapp: Gleich und gleich gesellt sich gerne. Ein Thomas stellt lieber einen weiteren Thomas ein, als eine Tatjana. Noch 2017 gab es in Deutschland mehr Vorstände, die Thomas oder Michael heißen, als Frauen.[2] Der Effekt verstärkt sich also von selbst, um faire Bedingungen zu schaffen ist eine Quote meiner Meinung nach das einzige Mittel.

Wird die Quote richtig eingesetzt, mit verbindlichen Zielvereinbarungen und geknüpft an Boni, dann kann sie den Teufelskreis der homosozialen Reproduktion durchbrechen.

Ein eyeo Posting zum Weltfrauentag lautet: Wir sind stolz darauf, dass die Mehrheit unserer Führungsfunktionen bei eyeo von Frauen ausgeübt werden. Wie schaffen Sie das? Was machen Sie bei eyeo anders?

Dornheim: Zuallererst ist eyeo einfach ein unglaublich spannendes Unternehmen mit tollen Produkten, das Frauen sehr viele spannende Positionen bietet und da wir sehr stark wachsen, gibt es auch exzellente Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist unsere Unternehmensphilosophie, die unseren Mitarbeiter*innen maximale Flexibilität ermöglicht. Viele eyeo Mitarbeiter arbeiten in Teilzeit oder Remote, das wird nicht nur von Frauen gerne genutzt, sondern ist für Menschen mit verschiedensten familiären Hintergründen oder eben auch ohne Familie sehr attraktiv. Das bedeutet, dass jede Mitarbeiter*in auch einfach von Zuhause aus arbeiten kann, wenn er  oder sie das möchte. Das gibt unheimlich viel Flexibilität und öffnet das Unternehmen für Menschen mit ganzen verschiedenen Lebensentwürfen.

Zum anderen haben wir insgesamt sehr viele weibliche Mitarbeiter*innen und wir qualifizieren unsere eigenen Mitarbeiterinnen weiter, so können wir auch aus dem Vollen schöpfen, wenn es um die Besetzung von Führungsrollen geht. Ich bin außerdem fest davon überzeugt, dass Role Models das A und O sind. Wenn ich auf der Webseite sehe, wie viele weibliche Führungskräfte ein Unternehmen hat oder zum Beispiel auf Konferenzen oder im Unternehmen selbst, dann zieht das weitere weibliche Führungskräfte an und führt auch dazu, dass ich mir das im Zweifelsfall eher selbst zutraue.

Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Bild, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Dornheim: Ich würde mich freuen, wenn wir irgendwann titeln könnten: “Wir brauchen die Männerquote in Tech-Unternehmen!” Davon sind wir aber noch weit entfernt. Wirkliche Gleichberechtigung ist für mich erst erreicht, wenn Unternehmen auch ein Spiegel unserer Gesellschaft sind. Das bedeutet, dass es keinen Unterschied mehr macht welches Gender oder welche sexuelle Orientierung ich habe, meine Hautfarbe, Herkunft oder politische Einstellung. Damit wäre ich vorerst zufrieden.

Wirkliche Gleichberechtigung ist für mich erst erreicht, wenn Unternehmen auch ein Spiegel unserer Gesellschaft sind.

Stichwort: Diversity. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Erfolgsformel zur Besetzung von Teams? Wie sieht aus Ihrer Sicht das ideale Team aus?

Dornheim: In erster Linie muss jedes Teammitglied erst einmal fachlich für die Position geeignet sein, für die es vorgesehen ist. Das ist immer ein Missverständnis bei jeder Quote, dass weniger qualifizierte Menschen dann bevorzugt werden. Das stimmt aber natürlich nicht. Es geht darum bei gleicher Qualifikation den Kandidaten auszuwählen, der eine benachteiligte Gruppe repräsentiert. Außerdem muss die Person sich mit unserer Mission an einem fairen und für alle profitablen Internet ohne nervige Werbung zu arbeiten, identifizieren können.

Wir suchen tatsächlich auch sehr viel proaktiv, das heißt wir sprechen selbst Menschen an, die gut zu uns passen könnten. Das hilft natürlich das jeweilige Team so zu gestalten wie wir es uns vorstellen. Außerdem finde ich es wichtig, dass Unternehmen die Diversität, die sie schon erreicht haben auch nach außen tragen, um zu zeigen: Das Thema ist uns wichtig, wir arbeiten daran, du bist bei uns willkommen.

Ein gutes Team braucht einen guten Leader. Wie führe ich als Führungskraft ein diverses Team zum Erfolg?

Dornheim: Ein diverses Team macht es für mich als Leader ja erst einmal leichter, weil ich eine ganze Bandbreite an Sichtweisen habe, die ich sonst niemals erreichen kann. Man schaue sich nur mal den Shitstorm einer deutschen Immobilienfirma an, die zum Weltfrauentag ein Bild ihres rein männlichen Vorstands gepostet hat, da merkt man Diversität wird dort nicht gelebt und noch nicht mal verstanden, sondern man versucht das nachzuahmen, ich nenne das gerne Pinkwashing. Natürlich gilt es in einem diversen Team besonders die verschiedenen Sichtweisen unter einen Hut zu bringen, das kann herausfordernd sein, ist aber etwas das auch in nicht diversen Teams zu meistern ist. Mir persönlich ist es wichtig, meine Mitarbeiter*innen individuell zu fördern und zu selbstständigem Denken zu ermutigen. Damit das Team auch gut zusammenwächst haben wir regelmäßige Team Events und verbringen auch mal ein paar Tage gemeinsam in einem Hotel, das schweißt zusammen!

Wir haben für unsere Reihe Donya Amer, Executive Vize President bei Bosch, getroffen. Sie hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: Was meint Diversity für Sie?

Dornheim: Diversity ist soviel mehr als nur Mann oder Frau. Auf Diversity zu achten, bedeutet vor allem darauf zu achten, wer repräsentiert wird und wer nicht. Für ein junges Start-Up ist eine 40-Jährige Alleinerziehende wahrscheinlich bereichernder in Sachen Diversity als ein Entwickler aus Indien. Diversity muss auf alle Lebensumstände schauen: Geschlecht, Herkunft, sexuelle Orientierung, Religion, wirtschaftliche Position und einige mehr.

Diversity ist soviel mehr als nur Mann oder Frau.

Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung findet oder Sie umtreibt? Dann geben Sie uns diese doch bitte für unsere nächste Interviewpartnerin mit. Welche Frage sollen wir ihr stellen?

Dornheim: Wann sind Sie sich Ihrer eigenen Privilegien bewusst geworden und wie prägt Sie diese Erfahrung?

Vielen herzlichen Dank für das Interview, Frau Dr. Dornheim!

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de