Im Gespräch mit Reg Levy

Reg Levy ist Head of Compliance bei Tucows und Arbeitsgruppenvorsitzende der „Diversity & Inclusion Initiative“ der i2Coalition. In unserem Gespräch geht es um ihrem Werdegang in der Tech-Branche, was sie dazu inspiriert hat diesen Berufsweg zu gehen, Mentoring und wie Unternehmen junge Frauen in ihrer Karriere besser unterstützen können.



Reg, Sie sind seit mehr als einem Jahrzehnt in der Domainbranche tätig. Als Head of Compliance bei Tucows – und als Arbeitsgruppenvorsitzende der „Diversity & Inclusion Initiative“ der i2Coalition – sind Sie nicht nur eine weibliche Führungspersönlichkeit in der Technologiebranche, sondern auch eine Verfechterin für Vielfalt. Wenn Sie auf Ihre Teenagerjahre zurückblicken: Gab es bestimmte Initiativen, die Sie damals inspiriert haben, sich in der Tech-Branche zu engagieren?

Reg Levy: Ich habe mich schon früh für Technik interessiert. Ich habe Video- und Computerspiele gespielt. Ich hatte Zugang zu Computern, nicht nur weil es in der Schule erforderlich war, sondern auch in meiner Freizeit, weil es mir Spaß machte, die Zeit am Computer zu verbringen. Und weil Computer ein fester Bestandteil meines Lebens waren, wurden sie zu etwas, das mich interessierte, weil offensichtlich auch Erwachsene sie benutzten. Die Möglichkeit, freie Zeit am Computern zu verbringen, war also sehr prägend für mich.

Wenn Sie ein Mädchen im Teenageralter wären, gibt es eine oder zwei Initiativen in den USA, von denen Sie glauben, dass sie Ihr Interesse für eine Karriere im technischen Bereich wecken würden?

Reg Levy: Was mir besonders in Erinnerung geblieben ist, war die Teilnahme am Space Camp, das von einem lokalen Raumfahrtunternehmen gesponsert wurde. Ich lebte damals in Seattle, wo mein Vater für Boeing arbeitete, und sie initiierten dort ein Space Summer Camp. Dieses Camp war sehr technisch und wissenschaftlich ausgerichtet. Heute gibt es ähnliche Initiativen und Sommer Camps, die sich sowohl an Jungen als auch an Mädchen richten. Sie ermöglichen es Kindern und jungen Erwachsenen, spielerisch mit Technologie in Berührung zu kommen, zu lernen und auszuprobieren, wie Dinge funktionieren. Dies geschieht in einem Umfeld, in dem Scheitern nicht mit einem Stigma behaftet ist, das Scheitern gehört zum Lernen und Wachsen einfach dazu.

Eine der Initiativen, an der sich mein Unternehmen Tucows beteiligte, war ein „Makerspace“ in der Nähe einer unserer „Ting Towns“ in Charlottesville. Inzwischen haben wir ihn an die örtliche Bibliothek übergeben, die ihn nun vollständig verwaltet. Aber als wir damit anfingen, war es ein Ort, zu dem jeder in der Stadt kommen und sich verschiedene Geräte ausleihen konnte. In dieser Hinsicht hatten wir 3D-Drucker, Lasergravierer und weitere technische Geräte, mit denen Erwachsene Dinge herstellen konnten. Obwohl das Angebot in erster Linie für Erwachsene gedacht war, haben wir auch regelmäßig Sommercamps veranstaltet, in denen wir Kinder ermutigt haben, den Umgang mit 3D-Druckern und Co zu erlernen.

Ich habe mich schon als Mädchen und Teenager spielerisch mit Technologie auseinandergesetzt und das Potenzial dahinter gesehen. Daher ist das, was ich aktuell mache, eine Art natürliche Entwicklung.

„Die Inspiration für Mädchen liegt im Spiel, in der freudigen Interaktion mit der Technologie – sei es in Form von Videospielen, beim Erlernen von Codes oder beim Spielen mit Lego Roboter-Bauspielzeugen. Mit diesen Roboter-Bau-Sets können Kinder etwas erschaffen und sich ausprobieren, sie können mit diesem Set ihren eigenen sprechenden, interaktiven Roboterfreund bauen und programmieren. Es ist äußerst wichtig, dass Mädchen von klein auf diese Möglichkeiten haben. Das ist etwas, was ich meinen Schwestern für ihre Kinder mit auf den Weg gegeben habe: Ich habe dafür gesorgt, dass meine Nichten von klein auf zu Hause Computer haben, damit sie Technologie spielerisch und mit kindlicher Neugier ausprobieren und kennenlernen und damit sie verstehen, Computer und Technologien sind nicht nur etwas für Erwachsene. Es ist etwas das Spaß machen kann. Es ist etwas, mit dem man spielen kann.“

Welche Aspekte Ihrer eigenen Arbeit könnten Ihrer Meinung nach besonders inspirierend für Mädchen sein, die eine technische Laufbahn in Betracht ziehen?

Reg Levy: Ich habe mich schon als Mädchen und Teenager spielerisch mit Technologie auseinandergesetzt und das Potenzial dahinter gesehen. Daher ist das, was ich aktuell mache, eine Art natürliche Entwicklung. Als Head of Compliance kümmere mich um die Compliance im Internet. Wenn etwas ins Illegale abdriftet, beispielsweise in gefährliche, nicht-gesetzeskonforme Äußerungen, Volksverhetzung oder Verleumdung oder in Bereiche des sexuellen Missbrauchs von Kindern, dann sorgen wir dafür, dass die Inhalte entsprechend aus dem Netz gelöscht werden. Aber wenn das nicht der Fall ist und es sich um etwas handelt, das vielleicht nur irgendwem nicht gefällt, ist es auch Teil meiner Aufgabe zu sagen: „Nein, es ist in Ordnung, wenn diese Person etwas im Netz weiterhin tut. Es ist legal, oder es ist eben freie Meinungsäußerung. Es gefällt nur dir nicht.“

Was sind Ihrer Meinung nach geeignete Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können, um Frauen, die in der Tech-Branche starten, zu unterstützen?

Reg Levy: Erstens  ist es sehr wichtig, Vorbilder zu haben, die sichtbar und zugänglich sind. Zweitens ist es  wichtig, eine:n Mentor:in zu haben. Dazu kann ein strukturiertes Mentorenprogramm gehören, aber es kann auch bedeuten, dass man einfach sagt: „Hey, unsere Cyber-Vizepräsidentin ist eine Frau. Bei uns sind Frauen im Vorstand und dies sind Positionen, die du auch erreichen kannst.“ Es ist wichtig, solche Fakten zu sehen und zu hören. Die Betonung dieser Vielfalt im Unternehmen ist eine Art passiver Weg, jungen Mädchen zu zeigen, dass sie das auch erreichen können. Wichtig ist aber auch, dass man Misserfolge zulässt – mit anderen Worten, dass man Menschen erlaubt, Fehler zu machen, sie zu korrigieren und aus ihnen zu lernen. Wenn man mit Lego Steinen spielt, setzt man sie zusammen und erschafft etwas. Und manchmal ist es nicht das, was man vorhatte, also muss man es wieder auseinandernehmen und neu versuchen. Und das ist ein Teil des Spiels mit Lego – es ist kein Versagen.

Ich persönlich habe das Gefühl, dass viele junge Frauen, vor allem in den westlichen Gesellschaften, so sozialisiert werden, dass sie nicht scheitern dürfen. Sie werden mit der Vorstellung sozialisiert, dass sie perfekt sein müssen. Wenn sie es nicht sind, dann sind sie nicht gut genug, um Geschäftsführerin, Vizepräsidentin oder Vorstandsmitglied zu werden. Was dies bedeutet: Es ist auch gut, jungen Frauen, dass man ruhig öffentlich, verletzlich und ehrlich mit seinen eigenen Fehlern umgehen kann. Wenn sie ein Problem haben, können sie sich an ihre Kollegen wenden. Und dann können wir von dort aus weitermachen. Wir können ihnen helfen zu lernen.

Reg Levy ist Head of Compliance bei TCX, einem kanadischen Domain-Namen-Registrar und Anbieter von Registrierungsdiensten (Tucows), Glasfaser-Internet-Anbieter (Ting) und Anbieter von Mobilfunkdiensten (Wavelo). Reg ist seit 2011 in der Domainbranche tätig, angefangen hat sie bei einem Top-Level-Domain-Registrar-Anbieter, zugleich nahm sie auch ihr Engagement bei ICANN auf. Reg ist zudem Working Group Chair der i2Coalition Diversity & Inclusion Initiative. Darüber hinaus ist Reg im Names & Numbers Steering Committee vom eco – Verband der Internetwirtschaft tätig und engagiert sich in lokalen Anwaltskammern.

Es ist extrem wichtig ist, eine:n Mentor:in zu haben. Es ist wichtig, Vorbilder zu haben, die sichtbar und zugänglich sind.

Wichtig ist aber auch, dass man Misserfolge zulässt – mit anderen Worten, dass man Menschen erlaubt, Fehler zu machen, sie zu korrigieren und aus ihnen zu lernen.

Christine Serrette vom ITZBund

Im Gespräch mit Christine Serrette

Christine Serrette ist seit November 2021 technische Vizedirektorin des Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund), welches seit Kurzem offizieller Unterstützer unserer #LiT – Ladies in Tech Initiative ist. Sie setzt sich dafür ein, noch mehr Frauen für eine Karriere in der Informationstechnik zu begeistern.



Wie gestaltet sich Ihr Arbeitsalltag als technische Vizedirektorin beim Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) und was ist das Spannendste und Schönste an Ihrem Job?

Christine Serrette: Die Arbeit für das ITZBund ist sehr spannend und vor allem vielfältig. Unsere Aufgabe als IT-Dienstleister des Bundes ist es, die Digitalisierung der gesamten Bundesverwaltung voranzutreiben. Cloud Computing in all seinen Facetten fasziniert mich besonders und die Digitalisierung zeigt, welch hoher Bedarf nach skalierbaren IT-Anwendungen, wie sie die Cloud ermöglicht, besteht.  Mit der von uns aufgebauten Bundescloud leisten wir zudem einen wichtigen Beitrag, die digitale Souveränität mit moderner Technik und innovativen Methoden mitzugestalten. Zudem wird uns in den kommenden Jahren das Thema Nachhaltigkeit bzw. Green IT stark beschäftigen. – Sie sehen, wir haben wichtige Themen mit starker politischer Außenwirkung auf der Agenda.


Sie haben in einem Interview sinngemäß einmal gesagt, es gab in Ihrer beruflichen Laufbahn eine geflügelte Begrüßung „Guten Morgen, Frau Serrette. Guten Morgen, meine Herren“. Was sind Ihre Erfahrungen aus der Arbeit in einem männerdominierten Umfeld? Und wo stehen wir aus Ihrer Sicht heute im Bereich Frauen in Tech?

Serrette: Ja, ich kenne das Gefühl sehr gut, die einzige Frau im Raum zu sein. Das hat sich zum Glück mittlerweile gebessert. Der Frauenanteil im ITZBund liegt aktuell bei rund 33 Prozent, das Durchschnittsalter der Mitarbeiterinnen beträgt 43 Jahre. Interne Programme wie „Führen in Teilzeit“ ermöglichen es Frauen aber auch Männern, die Familie und die Karriere zu vereinbaren. Ich sehe uns also auf einem guten Weg.


Noch immer entscheiden sich nur wenige Mädchen für MINT-Fächer und Frauen für eine Karriere in der IT. Ursächlich sind mitunter auch tradierte Rollenklischees und Glaubensätze. (z.B. gemeint sind Stereotype/Klischees wie Frauen und Mädchen sind technisch nicht begabt, Mädchen können kein Mathe, Frauen sind im Beruf zu emotional usw.) Was können Wirtschaft, Politik und Gesellschaft tun, um diesen entgegenzuwirken und mehr Mädchen und Frauen für IT und Tech zu begeistern?

Serrette: Wir müssen damit beginnen, alte Rollenbilder aufzubrechen und Mädchen für die Digitalisierung zu begeistern. Das fängt bei der Erziehung an und geht in der Grundschule weiter. Wir müssen Mädchen und junge Frauen darin bestärken, dass sie alles können und auch Technik etwas für Mädchen ist. Dafür brauchen wir auch mehr Vorbilder in unserer Gesellschaft. Programmiererin als typischer Frauenberuf – warum nicht? Es geht aber auch darum, Mädchen darin zu bestärken und nicht klein zu machen, wenn sie ein gutes mathematischen und technisches Verständnis haben. Dazu arbeitet das ITZBund eng mit Hochschulen zusammen und versucht mit Praktika oder beim Girl’s Day frühzeitig das Interesse junger Frauen an der IT zu gewinnen.


Wie lautet Ihr Karriere-Tipp an Frauen?

Serrette: Setzen Sie auf Networking! In einem starken Netzwerk profitieren Sie von der Erfahrung und dem Know-how anderer, die bereits dort sind, wo Sie hinwollen. Ein gutes Netzwerk kann zudem Türen öffnen, die einem ansonsten verschlossen bleiben würden. Bleiben Sie vor allem neugierig – im positiven Sinne –  und offen für aktuelle Entwicklung und Innovationen. Was gestern erfolgreich war – muss nicht zwingend auch zukünftig von Erfolg gekrönt sein.


Was sind aus Ihrer Sicht die Top3 Argumente, warum Frauen sich für eine Karriere in Tech entscheiden sollten?

Serrette: Die Digitalisierung bietet viele abwechslungsreiche Aufgabenfelder – man denke nur an die Entwicklung künstlicher Intelligenz oder das Thema Cybersecurity – mit großem Gestaltungsspielraum und enormen Aufstiegschancen. Dennoch sind nur knapp 17 Prozent der Beschäftigten in der deutschen IT-Branche Frauen. Deshalb wollen wir gerade Frauen zur aktiven Teilhabe an der Gestaltung der digitalen Transformation ermutigen.


Die Pandemie hat die Defizite im Bereich der digitalen Bildung schonungslos offengelegt. Was wünschen Sie sich als Führungskraft und als Mutter für die digitale Bildung von Kindern?

Serrette: Wer die digitale Transformation mitgestalten und im digitalen Raum selbständig agieren möchte, muss über digitale Souveränität verfügen. Digitale Souveränität ist wesentliche Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe, die aktuelle und zukünftige Wettbewerbsfähigkeit – und damit auch für unseren Wohlstand. Digitale Bildung ist der Schlüssel zur Partizipation in der digitalen Welt. Daher muss das Bildungswesen in Deutschland – von den Schulen angefangen bis hin zur beruflichen Weiterbildung – agiler und flexibler werden. Corona war hier sicherlich auch ein Treiber und Beschleuniger, es hat sich doch schon viel in den letzten zwei Jahren bewegt. Digitale Lernangebote müssen zum gelebten Standard werden. Voraussetzung dafür sind weitere Investitionen in die Digitalisierung der Schulen. Oftmals sind die Kinder weiter als ihre Lehrer, hier muss dringend eine Anpassung in der Ausbildung der Lehrer stattfinden.


Im Rahmen unserer Interview-Reihe haben wir jüngst mit Michael Krause, Europa-Chef bei Spotify, gesprochen. Er hat uns folgende Frage für die nächste Interview-Partnerin mitgegeben: In welcher Situation haben Sie sich zuletzt konkret für mehr Diversity eingesetzt?

Serrette: Um gelebte Diversität beim ITZBund am Arbeitsplatz zu fördern, haben wir ein Queeres Netzwerk für die Beschäftigten eingerichtet. Damit wollen wir einen Beitrag für eine vielfältige und offene ITZBund-Kultur leisten.


Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung findet oder ein Herzensthema, das Sie umtreibt? Welche Frage möchten Sie uns in diesem Zusammenhang für die nächste Interview-Partner:in mitgeben?

Serrette: Ich erlebe es heute immer noch, dass Männer untereinander reden, wenn deutlich ist, dass sie in der Mehrzahl sind und es um technische Themen geht. Wie können wir gemeinsam dieses Verhalten aufbrechen?


Lieben herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Frau Serrette!

Wir müssen damit beginnen, alte Rollenbilder aufzubrechen und Mädchen für die Digitalisierung zu begeistern. Das fängt bei der Erziehung an und geht in der Grundschule weiter.

Setzen Sie auf Networking! In einem starken Netzwerk profitieren Sie von der Erfahrung und dem Know-How anderer, die bereits dort sind, wo Sie hinwollen.

Wer die digitale Transformation mitgestalten und im digitalen Raum selbständig agieren möchte, muss über digitale Souveränität verfügen.



Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Schreiben Sie bei Interesse gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de

Michael Krause von Spotify

Im Gespräch mit Michael Krause

Michael Krause übernahm Anfang März 2021 die Position als General Manager Europe bei Spotify. Neben seiner Tätigkeit als General Manager für die DACH-Region verantwortet Krause die Spotify Geschäftsfelder in den Regionen Nordics, Großbritannien und Irland, Frankreich und Benelux, Süd- und Osteuropa sowie in Russland, den CIS- und GUS-Staaten. 



Zum Jahresbeginn setzen sich ja viele Menschen neue Ziele und gute Vorsätze, wie lauten Ihre als Europa-Chef von Spotify?

Michael Krause: Bei Spotify arbeiten wir natürlich mit einer ganzen Reihe an OKRs, die wir uns für das Jahr setzen und planen. Mich beschäftigen in meiner Position natürlich die übergreifenden Ziele der Firma und wie wir die globalen Ziele auf die europäischen Märkte runterbrechen. Europa ist eine sehr vielfältige Region und daher sind die Ziele pro Land natürlich sehr unterschiedlich. In Russland sind wir erst seit gut einem halben Jahr am Markt demgegenüber stehen Märkte wie Schweden, wo wir sehr etabliert sind. Neben klassischen Business-Zielen, was wir im jeweiligen Markt anhand von harten Zahlen, Daten und Fakten erreichen wollen. Darunter fallen auch Ziele wie wir den Anteil von Künstlerinnen in unseren Playlists erhöhen oder „People Goals“: d. h., wie zufrieden sind unsere Mitarbeiter:innen oder wie divers sind wir aufgestellt?

Privat wie beruflich möchte ich im Bereich Diversity weiter ein starker Ally sein und wissen, was ich noch besser machen kann. Zudem habe ich eine neue Band gegründet und wünsche mir ein bisschen mehr Zeit fürs Proben.

Sie haben eine sehr beeindruckende Karriere gemacht. Wenn ich mich jetzt durch das Interview inspiriert fühle einen ähnlichen Weg einzuschlagen: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? Und was muss man für den Job unbedingt mitbringen?

Krause: Generell ist es bei Spotify so, dass wir sehr viele verschiedene Profile haben, verschiedene Märkte und verschiedene Aufgabenbereiche, die ganz verschiedene Anforderungen mit sich bringen. Wir stellen auch verstärkt Menschen ein, die jetzt nicht so den klassischen Lebenslauf haben, aber eine ganz große Leidenschaft für ein Thema mitbringen. Leidenschaft und Neugier haben meine eigene Karriere extrem stark befördert, zudem hatte ich immer ein großes Interesse an Musik und Technik.

Unsere Aufgabe als Geschäftsführer:innen der Länder ist es, die globale Vision in den Märkten zu verwirklichen. Das umfasst viele Entscheidungsprozesse und das Challengen von Ideen im Austausch mit den Geschäftsführer:innen. Mein Job ist grundsätzlich sehr vielseitig und abwechslungsreich. Kein Tag ist wie der andere. Um einmal ein konkretes Beispiel zu nennen: Als wir uns entschieden haben mit Spotify auch in den Audioentertainment- und Podcast-Bereich reinzugehen, war es natürlich die Aufgabe zu schauen, welche Podcast, welche Themen sind in welchen Märkten der beste Ansatz? Wo können wir da einen Unterschied machen? Wo können wir dafür spannende Inhalte für unsere Hörer:innen finden und die entsprechenden Leute unter Vertrag nehmen?

Deutschland ist seit jeher ein sehr audioaffiner Markt. Was ist Ihre Prognose für den Audiomarkt? Welche Trends und Themen sollte man 2022 unbedingt auf dem Schirm haben?

Krause: Generell ist Deutschland ein sehr audiophiler Markt. Bei Spotify konnten wir im Podcast-Bereich mit „Fest & Flauschig“ schon sehr früh riesige Erfolge feiern. Deutschland ist auf jeden Fall auch weltweit inspirierend für unsere Strategie. Hörspiele sind beispielsweise auch ein klassisch deutschsprachiges Phänomen. Das gibt es in der Form in keinem anderen Land der Welt. Was wir bei Spotify verstärkt forcieren ist, verschiedene Audio-Erlebnisse miteinander zu kombinieren, also zum Beispiel Mixed Media-Playlists mit Podcasts, Musik, Interviews, aber auch weiteren Audio-Situationen zu kombinieren.

Mehr Interaktion und Engagement sind für uns auch zentrale Themen: Wir haben dazu eine ganze Reihe an Features gelauncht, um beispielsweise Podcasts zu folgen, Podcasts zu bewerten oder Notfications zu erhalten, wenn eine neue Podcast-Folge online ist. Werbekunden können in Podcasts verschiedene Call-to-Actions zur Produktplatzierung und Vermarktung einsetzen. Mit Greenroom haben wir ein ganz spannendes Tool am Markt, mit dem man Live Audio-Gespräche aufsetzen und sie im Nachhinein als Podcast verfügbar machen kann. Im gesamten Audio-Bereich ist in jeden Fall noch viel Spannendes zu holen. Podcasts sind natürlich auch weiterhin sehr stark wachsend.

Mit Greenroom haben wir ein ganz spannendes Tool am Markt, mit dem man Live Audio-Gespräche aufsetzen und sie im Nachhinein als Podcast verfügbar machen kann. Im gesamten Audio-Bereich ist in jeden Fall noch viel Spannendes zu holen. Podcasts sind natürlich auch weiterhin sehr stark wachsend.

Haben Sie in Richtung Podcast noch einen Trend, wo Sie sagen, das sind vielleicht auch Themen, die jetzt besonders gefragt sind?

Krause: Die drei erfolgreichsten Kategorien sind sicherlich Entertainment, News und True Crime, die sehr stark wachsen und wo auch immer wieder neue Formate hinzukommen. Ein weiterer Trend sind Formate mit YouTubern und großen Influencern aus dem Bewegtbild-Bereich, da haben wir sehr viele neue spannende Formate ins Leben gerufen. Es gibt im Podcast-Bereich sicherlich auch noch einige Nischen, die noch nicht besetzt sind. Podcasts sind von der Expertise sozusagen der Ersatz zum Sachbuch, wo sich Inhalte und Expertise sehr glaubwürdig und weit verbreiten lassen. Generell lässt sich sagen, es ist nach wie vor sehr viel Bewegung im Markt und noch viel Luft nach oben, um neue Inhalte zu gestalten.

Spotify hat eine starke Vorbildfunktion im Bereich Diversity & Inclusion. Was machen Sie bei Spotify im Bereich Diversity anders und wie lautet Ihr Ratschlag an Tech-Unternehmen, die Diversität erst jetzt auf hre Agenda setzen?

Krause: Was es als Erstes braucht, ist eine gewisse Messbarkeit. Zum Start ist es erstmal wichtig den Status quo zu messen und ein klares Ziel zu definieren: Wo stehen wir gerade im Bereich Diversity und Gender? Wo kommen wir her und wo wollen wir hin? Genauso wichtig ist aus meiner Sicht, dass ein Vorstand, der CEO oder ein Gründer, da voll dahinter steht und das Thema treibt. Da ist bei unserem Gründer Daniel Ek in jedem Fall spürbar. Wir haben bei uns ein Team, das sich in Vollzeit hauptberuflich um das Thema Diversity kümmert und Impulse und Maßnahmen einbringt.

Wenn ich den Anspruch habe, mit einem Produkt so viele Kund:innen wie möglich zu erreichen, dann ist es nachgewiesenermaßen gut, wenn man heterogen aufgestellt ist, damit man eben alle Aspekte und Perspektiven entlang der Customer Journey und dem gesamten Produktzyklus berücksichtigen kann. Es ist wirtschaftlich sinnvoll, Diversity zu haben und das Bewusstsein dafür muss bei allen vorhanden sein. Unconscious Bias Trainings, Weiterbildung und persönliches Wachstum müssen wirklich gefördert werden. Es muss allen Kolleg:innen bewusst sein, was der Status quo ist und wo man sich da bewegt, damit Diversity vom Employer Branding über die interne Kommunikation bis zur Kundenkommunikation gelebt und durchgezogen wird. Wenn das Bewusstsein dafür im gesamten Unternehmen vorhanden ist, wird das ein ganz natürlicher Prozess und es kommt zum großen Durchbruch, dann fallen noch viele andere Sachen von alleine auf.

Wenn ich den Anspruch habe, mit einem Produkt so viele Kund:innen wie möglich zu erreichen, dann ist es nachgewiesenermaßen gut, wenn man heterogen aufgestellt ist, damit man eben alle Aspekte und Perspektiven entlang der Customer Journey und dem gesamten Produktzyklus berücksichtigen kann.

Diversity ist auch häufig reiner Imagefaktor. Wie hole ich Executives auf C-Level als Sponsor ins Boot, damit ich Budget bekomme und Diversity wirklich gelebt wird?

Krause: Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass ein diverses Team immer erfolgreicher sein wird als ein homogenes. Daher lässt sich aus meiner Sicht jeder Vorstand relativ schnell überzeugen, dass es sich wirtschaftlich auf jeden Fall lohnt in Diversity zu investieren. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass Diversity für das ganze Thema Employer Branding unerlässlich ist. Wenn man gute, junge Talente gewinnen will, wird den Unternehmen schnell klar werden, dass sie sich in diese Richtung positionieren müssen. Das ist aus meiner Sicht ein Prozess, der sich nach und nach durch alle Firmen und Geschäftsbereiche ziehen wird. Wenn man es dann noch schafft, die Kollegen aus der Führungsetage in ein Training miteinzubeziehen, wo ihnen selbst bewusst wird, was sie für Vorteile in der Geschäftswelt hatten und im Zweifel immer noch haben, dann würde mich schon sehr wundern, wenn dann die Akteure in dem Bereich sagen: „Ja, aber das ist doch voll okay.“ Ich erlebe als Geschäftsführer in dem Fall die männliche Seite schon eher als kompetitiv und ich glaube, keiner möchte sich gerne sagen lassen oder kann dann so richtig gut damit leben, wenn er weiß, dass er da echt nur einen sehr großen und unfairen Vorteil gehabt hat, den man einfach ausgenutzt hat – ohne das jetzt absichtlich zu machen –  einfach, weil es so in der Gesellschaft verankert ist.

Ich erlebe als Geschäftsführer in dem Fall die männliche Seite schon eher als kompetitiv und ich glaube, keiner möchte sich gerne sagen lassen oder kann dann so richtig gut damit leben, wenn er weiß, dass er da echt nur einen sehr großen und unfairen Vorteil gehabt hat, den man einfach ausgenutzt hat – ohne das jetzt absichtlich zu machen – einfach, weil es so in der Gesellschaft verankert ist.

Sie gendern selbst bei Vorträgen oder in Podcasts auch im Mündlichen. Gerade gendern polarisiert ja sehr stark. Was war die blödeste Stammtischparole oder der dümmste Kommentar im Kontext Diversity oder Gendern, den Sie je gehört/gelesen haben?

Krause: Gendern ist ein stark kontrovers diskutiertes Thema, nicht nur in den Medien. Es gibt verschiedene Akteure – tendenziell eher weiße, ältere Männer, – die dann sagen: Das ist doch alles gaga und so. Ich habe das auch schon im engen Freundeskreis erlebt. Dieses dagegen Wettern zeigt ja eigentlich nur eine Angst vor Veränderung oder vor dem Verlust von Privilegien.

Es ist einfach nachgewiesen, dass eine gendergerechte Sprache für die Gesellschaft ganz viele Vorteile bringt. Wenn bei einer Berufsbezeichnung beispielsweise stets nur die männliche Form verwendet wird, dann manifestiert sich in den Köpfen und im Unterbewusstsein, dass dieser Beruf eben nur von Männern ausgeübt wird. Ich finde mindestens jeder, der selber eine Tochter oder Kinder hat, sollte das zumindestens sehen und versuchen etwas zur Veränderung beizutragen. Zugegeben, am Anfang ist Gendern vielleicht ein bisschen anstrengend und ungewohnt, aber für den Mehrwert, den es der Gesellschaft bringt, kann man das doch zumindest versuchen. Wenn wir es einfach konsequent machen, wird es für die nächste Generation einfacher sein, weil die dann schon damit groß werden und dann können alle anderen es vielleicht zumindest akzeptieren. Das wäre auch schon okay.

Im OMR 50:50 Podcast haben Sie sinngemäß gesagt: Man muss raus aus der eigenen Bubble. Ein sehr interessanter und wirksamer Aspekt, der vielleicht mitunter auch an der Umsetzung oder an Bequemlichkeit scheitert. Daher ganz konkret: Welcher Frau haben Sie zuletzt Ihr Netzwerk geöffnet. Oder: Welche Person haben Sie zuletzt getroffen, die nicht aus ihrer Bubble kommt, die Sie inspiriert hat? Wie kam es dazu?

Krause: Es ist schon oft so, wenn wir eine Stelle ausschreiben, dass dann über LinkedIn gleich 50 Nachrichten aus dem eigenen Netzwerk kommen. Das zeigt ja, wie sehr das in den Köpfen auch manifestiert ist und wie häufig eben nach dem Ähnlichkeitsprinzip eingestellt wird. Wenn man sich selbst hinterfragt und schaut, mit wem man die meiste Zeit verbringt, dann sind das oft Menschen, die sehr gleich denken, ähnliche Erfahrungen und Lebenswege haben und gleich sozialisiert sind. Damit verliert man natürlich ein Stück weit Chancen und fördert zugleich, dass patriarchalische männliche Strukturen erhalten bleiben.

Ein gutes konkretes Beispiel, der nicht aus einem Netzwerk kommt, aber mich sehr inspiriert, ist unsere neue Head of Music DACH bei Spotify, Conny Zhang. Sie ist eben kein Urgewächs der Musikindustrie mit zig Jahren an Erfahrung bei diversen Labels, sondern kommt von Google. Sie leitet jetzt den kompletten Musikbereich, inklusive der Playlisten, sowie die Zusammenarbeit mit Künstler:innen und Labels. Ich sehe jetzt, wie toll es ist, wenn jemand quasi so unvoreingenommen darauf guckt und einfach ganz sachlich-fachlich sagt: Was ist wichtig für die Musik? Was ist wichtig für Spotify? Was ist wichtig für die Kultur, die wir haben und die Labels? Sie findet da sehr gute Wege, das auszubalancieren.

Wenn Sie selbst einen Podcast im Kontext Diversity hosten würden: Wen laden Sie ein und worüber sprechen Sie?

Krause: Es gibt natürlich eine ganze Reihe toller Künstler:innen und Podcaster:innen, die sich für Diversity stark machen. Ein Beispiel, was mir da direkt einfällt, weil ich es immer wieder faszinierend finde, ist der Podcast von Tupoka Ogette. Tupoka hat einen sehr guten Ansatz gefunden, auf eine unbequeme, aber sehr erleuchtende Art, Alltagsrassismus und strukturellen Rassismus bewusst zu machen, nicht nur in ihrem Podcast, sondern auch in ihrem Buch „Exit racism“.

Unsere CPO Lucia Falkenberg hat uns folgende Frage für unseren nächsten Interview-Partner mitgegeben: Was war der beste Rat, den Sie je bekommen haben und was empfehlen Sie heute Ihrer Tochter oder Schwester? (ggf. Nichte, Freundin oder andere weibliche Bezugsperson)

Krause: An meine Tochter genauso wie an meinen Sohn möchte ich weitergeben: „Du bist gut genug und du bist gut so wie du bist.“ Ein Merksatz, der Selbstzweifel oder Unsicherheiten nimmt, ist einfach sehr hilfreich und wichtig. Ich sehe das ganz häufig, dass sich ganz viele Kolleg:innen aus der Branche fragen: Bin ich gut genug? Reicht das jetzt? und so weiter. Es ist schon krass, wenn man schon bei Teenagern gefühlt wahrnimmt, dass das bei Mädchen häufiger der Fall ist als bei Jungs.

An meine Tochter genauso wie an meinen Sohn möchte ich weitergeben: „Du bist gut genug und du bist gut so wie du bist.“ Ein Merksatz, der Selbstzweifel oder Unsicherheiten nimmt, ist einfach sehr hilfreich und wichtig.

Sie haben in diesem Kontext auch einmal sinngemäß gesagt: Männliche Musiker kommen und sagen: „Ich habe den Hit des Jahrhunderts geschrieben und die Frauen sagen: Guck mal, kannst du dir das mal anhören, was muss ich da noch mastern? Haben Sie eine Idee, wie wir etwas daran ändern können, dass Frauen und Mädchen im Allgemeinen stärker an sich zweifeln?

Krause: Ich glaube, das ist ein strukturelles Problem und fängt bereits im Kindergarten an. Ich weiß nicht, ob sich ein Lösungsansatz jetzt auf zwei, drei Schlagworte reduzieren lässt. Um beim Jobbeispiel zu bleiben, hilft es schon, Projekte oder Beförderungen eben nicht nach dem Prinzip zu vergeben: Wer kann, wer will oder wer schreit am lautesten. Viel mehr heißt es, genau zu schauen, was sind denn fachlich-sachliche Themen, die jetzt die verschiedenen Kandidatinnen unterscheiden? Oder den weiblichen Kolleginnen entsprechend Mut zuzusprechen. Zu sagen: Du hast die und die Projekte erfolgreich geleitet. Ich traue dir das zu! Also Mut zusprechen und das Ganze ein bisschen versachlichen und sich eben auch bewusst machen, wenn Frauen eher zweifeln als Männer, dass das dies auch mit ihrer Sozialisation zu tun hat.

Welche Frage möchten Sie uns für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Krause: Meine Frage lautet: In welcher Situation hast du dich zuletzt konkret für mehr Diversity eingesetzt?

Vielen herzlichen Dank für das Interview.



Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Schreiben Sie bei Interesse gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de


Dr. Katja Michel

Interview mit Dr. Katja Michel und Kirsten Ammon, Rechtsanwältinnen bei Fieldfisher

Frauen sind sowohl in Führungspositionen als auch bei den Gründungen im FinTech-Bereich noch unterrepräsentiert, stellen Dr. Katja Michel und  Kirsten Ammon im Interview fest. Die beiden Expertinnen für Rechtsfragen der dynamischen FinTech-Branche sprechen im Interview über Strategien, wie sich das ändern lässt.

Dr. Katja Michel, Rechtsanwältin im Bereich FinTech und Finanzaufsichtsrecht im Frankfurter Büro von Fieldfisher sowie Co-Head der Tech Meets Finance Gruppe von Fieldfisher

Kirsten Ammon, Rechtsanwältin IT, (Fin-)Tech, Datenschutz in Fieldfishers Hamburger Büro und Mitglied der Tech Meets Finance Gruppe von Fieldfisher

Katja: Als Rechtsanwältin arbeitest du bei Fieldfisher an der Schnittstelle von Finance und Tech und bist Co-Head der Tech Meets Finance Gruppe bei Fieldfisher. Wie sieht dein Arbeitsalltag aus und was ist das Spannendste an deinem Job?

Mein Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich und vielfältig. Dies liegt vor allem daran, dass wir Mandanten wie FinTechs, etablierte Banken und Technologieunternehmen zu zukunftsgerichteten Themen der Digitalisierung beraten und diese mit ganz unterschiedlichen Anliegen auf uns zukommen. Beispielsweise kann es einmal darum gehen, eine innovative Geschäftsidee auf ihre Machbarkeit hin zu prüfen, wie z.B. das Angebot einer neuen mobilen Paymentlösung oder die Integration einer KI-Applikation in den Anlageberatungsprozess einer Bank. Häufig geht es jedoch auch darum, Mandanten umfassend von der Geschäftsidee, über die Umsetzung bis hin zum Markteintritt und darüber hinaus zu begleiten.

Meine Tätigkeit ermöglich mir oft frühzeitig tiefe Einblick in Entwicklungen neuer FinTech-Produkte und Dienstleistungen. Das ist sehr spannend, besonders, wenn man beispielsweise als Ergebnis sieht, dass der Mandant mit seiner Banking-App den Markteintritt erfolgreich geschafft oder die erste Finanzierungsrunde erfolgreich absolviert hat. Das erfüllt einen dann schon mit Stolz. Besondere Freude bereitet mir auch immer wieder mit meinem Kollegen und Kolleginnen in der TMF Gruppe FinTech-Projekte rechtsgebietsübergreifend zu beraten.


Kirsten, deine Schwerpunkte als Tech-Anwältin liegen im Bereich E-Commerce, IT-Recht und Datenschutz. In deiner Freizeit baust du deine Programmierkenntnisse aus. Was ist für dich das Spannende an einer Karriere in Tech?

Für mich ist das Spannende an Tech, dass sich in diesem Bereich so viel verändert und man stets dazu lernen muss, um auf dem aktuellen Stand zu sein. Ob im Rahmen der Blockchain-Technologie, des IoT (Internet of Things), bei FinTechs oder im Cloud-Bereich, kann man eine Lösung erst dann vollständig rechtlich analysieren, wenn man zuvor den technischen Hintergrund verstanden hat. Da ist es natürlich sehr hilfreich, wenn man Spaß daran hat, technische Lösungen zu entwickeln bzw. sich auch in der Freizeit viel mit Legal und FinTech beschäftigt. Wir Jurist:innen können meiner Meinung nach eine Menge von der IT lernen und sollten stets genau hinhören, warum eine bestimmte Herangehensweise gewählt worden ist. Am besten werden wir gleich zu Beginn eines Projekts eingebunden – dann kann man von Anfang an mitgestalten, wie z.B. eine datenschutzkonforme Lösung im internationalen Umfeld umgesetzt werden kann. Schließlich möchten wir technische Innovation rechtlich ermöglichen und nicht verhindern. Es ist großartig, wenn man Teil solch kreativer Strategien sein kann, die eine Antwort auf vorhandene Probleme bieten und man z.B. neue Geschäftsmodelle in Europa rechtlich absichern kann.



Am 28. Oktober veranstalten wir ein gemeinsames Online-Meet-up zum Thema Frauen in FinTech. Wie nehmt ihr die FinTech-Branche wahr?

Offen, dynamisch, innovativ und ständig in Bewegung: So lässt sich aus unserer Sicht die FinTech Branche am besten beschreiben. Genau diese Eigenschaften sind es, die diesen Bereich für uns und unsere Arbeit so besonders abwechslungsreich machen. Es gibt Raum für neue Ideen und fortschrittliche Lösungen, ständig poppt ein neues Start-Up auf und man kann richtig spüren, wie sich im FinTech Bereich etwas tut. Dieser frische Wind ist inspirierend und setzt zukunftsgerichtete Impulse, ganz gleich ob für kreative Gründer oder etablierte Bankinstitute. Gleichzeitig ist es umso bedauerlicher, dass Frauen sowohl in Führungspositionen als auch bei den Gründungen im FinTech-Bereich noch unterrepräsentiert sowie eher zurückhaltend sind, die Initiative zu ergreifen und selbst zu gründen. Doch gerade der offene Spirit in der FinTech Branche sollte auch Frauen ermutigen, ihre Karriere im FinTech Sektor zu starten oder weiter voranzubringen. Initiativen wie unser Event geben hierfür eine Stütze, in dem sie einerseits Erfolgsgeschichten von Frauen in der Branche zeigen und andererseits kostbare Netzwerke schaffen.


Was muss passieren, damit mehr Frauen die vielfältigen Karriereoptionen in FinTech ergreifen?

Wir brauchen vor allem mehr Sichtbarkeit von Frauen in FinTech. Gleichzeitig und damit einhergehend, braucht es mehr weibliche Role Models, mit denen sich Frauen identifizieren und von deren Erfahrungen und Tipps andere Frauen lernen und sich inspirieren lassen können. Um diese Ziele zu erreichen, müssen unseres Erachtens Frauen auch viel stärker auf Expert Panels, in Branchen-Talks und Fachdiskussionen vertreten sein und sich selbstbewusster initiativ als Know-How-Trägerinnen positionieren, auch wenn es Mut erfordert. Natürlich sind auch gute Netzwerke essentiell, für die auch die eben genannten Events eine gute Plattform bieten können. Zudem sollten auch Förder-, Gründungs- und andere Unterstützungsangebote, die auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten sind, ausgebaut und ihnen gegenüberstärker kommuniziert werden.


Auch der Gesetzgeber setzt Instrumente zur Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit ein. Wie bewertet ihr als Juristinnen sowie persönlich Maßnahmen des Gesetzgebers, beispielsweise in Form des Entgeltransparenzgesetzes oder des Führungspositionengesetzes II?

Worin wir uns bei dieser Frage beide einig sind und diese Entwicklung auch begrüßen ist, dass der Gesetzgeber mit den Maßnahmen mehr Chancengleichheit im Berufsleben schafft. Hierzu trägt einerseits das Führungspositionengesetz II bei, das Maßnahmen wie die Frauenquote oder sog. „Stay on Board“-Regelungen – d.h. die Möglichkeit für Mitglieder des Leitungsorgans eine „Auszeit“ bedingt durch Mutterschutz, Elternzeit oder Pflege eines Angehörigen wahrzunehmen – beinhaltet. Andererseits stärkt das Entgelttransparenzgesetz die Transparenz in der Gehälterstruktur und soll auf diesem Weg die vorhandene Diskrepanz zwischen der Bezahlung von Männern und Frauen beseitigen. Allerdings haben wir zur Frauenquoten an sich unterschiedliche Ansichten, die sich so auch im öffentlichen Diskurs widerspiegeln. Unabhängig davon sind wir beide der Ansicht, dass es eines ganzheitlichen Ansatzes bedarf, um Frauen den Zugang zu Führungspositionen oder den Schritt in Richtung Gründung im FinTech-Bereich zu erleichtern. Gesetzlich vorgesehene Maßnahmen zur Förderung bestimmter Gruppen in der Arbeitswelt sollten zudem regelmäßig überprüft werden, ob sie im Hinblick auf die sich ändernden tatsächlichen Gegebenheiten noch passen. Wichtig ist unseres Erachtens auch die Rückkoppelung zu den betroffenen Personengruppen, damit sichergestellt ist, dass sich auch wirklich viele Menschen mit den Maßnahmen identifizieren und diese mittragen.


Wie lautet euer Karriere-Tipp an Frauen?

Neben der Stärkung der eigenen Sichtbarkeit, selbstbewusstem Auftreten und Mut ist aus unserer Sicht Netzwerken elementar. Ein gutes Netzwerk kann nicht nur dabei helfen, eigene Ideen in einem sicheren Umfeld auf Umsetzbarkeit zu überprüfen oder einen guten Rat zu bekommen, wenn man mal nicht weiter weiß, sondern es kann Türen öffnen und sogar Win-Win-Situationen schaffen, gerade auch unter Frauen. Männer sind sich schon länger bewusst, wie wichtig wertstiftende und fördernde Netzwerke sind; da können wir Frauen uns noch etwas abschauen. Und auch wenn es um das Sprechen über eigene Erfolge geht, haben Männer häufig noch die Nase vorn. Oft meiden Frauen es eher noch, im Mittelpunkt zu stehen oder fühlen sich nicht ganz wohl, selbstbewusst über ihre beruflichen Erfolge zu sprechen. Dies sollten wir Frauen ändern. Ganz getreu dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“, sollten wir Frauen uns öfter trauen, auch einmal im Rampenlicht zu stehen und von unseren Fähigkeiten und unserem Weg zu berichten. Schließlich fördert und motiviert das wiederum auch andere Frauen!


Wir geben euch jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen euch zu Chefredakteurinnen eines Leitmediums – egal ob Spiegel, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile wünscht ihr euch zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel? Und was soll in dem Artikel stehen? Idealvorstellung

Wünschen würden wir uns, dass eine Schlagzeile wie „Anteil von Gründerinnen im Tech-Bereich bei 50 % –  auch hinter dem neuesten Unicorn steht eine Frau“, in naher Zukunft auf den Titelseiten der Wirtschaftsmedien zu lesen ist. Inhaltlich gäbe es ein Portrait zur Erfolgsgeschichte, das berichtet wie es gelungen ist, innerhalb weniger Jahre eine Branche durch Frauen zu verändern.


Welcher Aspekt kommt aus eurer Sicht in der Diversity-Debatte zu kurz?

Wichtig ist eine ganzheitliche Betrachtung, in der alle Menschen, ungeachtet z.B. auch ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft oder anderer Charakteristika, die gleichen Chancen haben und auch bekommen. Die Akzeptanz und Förderung unterschiedlicher Lebenswege und Biografien sollten als Chance gesehen werden. Denn sowohl Wissenschaft als auch Praxis zeigen klar: Diverse Teams treffen ausgewogenere Entscheidungen, schon allein, weil es im Entscheidungsfindungsprozess mehr Reibung gibt. Allein diese Erkenntnis sollte ein starker Anreiz für FinTechs und selbstverständlich auch für alle anderen Unternehmen sein, auf Diversität zu setzen und diese auch für sich zu nutzen. Darüber hinaus gilt aus unserer Sicht: Diversity sollte echte Chancengleichheit bieten, aber keine Pflicht darstellen, die Chance auch zu nutzen.


Welche Frage möchtet ihr uns für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Was sind die wichtigsten Fähigkeiten und Eigenschaften, die Frau mitbringen muss, um in der FinTech-Branche als Gründerin oder in einer Führungsposition erfolgreich zu sein?


Liebe Katja, liebe Kirsten, vielen Dank für das Interview!

Wir Jurist:innen können meiner Meinung nach eine Menge von der IT lernen und sollten stets genau hinhören, warum eine bestimmte Herangehensweise gewählt worden ist.

Gerade der offene Spirit in der FinTech Branche sollte auch Frauen ermutigen, ihre Karriere im FinTech Sektor zu starten oder weiter voranzubringen.

Männer sind sich schon länger bewusst, wie wichtig wertstiftende und fördernde Netzwerke sind; da können wir Frauen uns noch etwas abschauen.

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse, gerne per E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de

Vanessa Gentile

Im Gespräch mit Vanessa Gentile, Director Alliance & Channel Switzerland, Salesforce

Vanessa Gentile ist Director Alliance & Channel Switzerland bei Salesforce und Gründerin der Salesforce Initiative Bring Women Back to Work. Mit der Initiative erhöht sie den Frauenanteil in Tech und bringt Salesforce Technologie-Partner mit neuen, vielfältigen Talenten zusammen.

Wie bist du in die Tech-Branche gekommen?                       

Vanessa Gentile: Mein Weg in die Tech-Branche war Zu- und Glücksfall zugleich. Ich habe eine kaufmännische Ausbildung absolviert, während meiner Lehre nebenbei als Simultandolmetscherin und Übersetzerin gearbeitet. Meine Mutter ist Brasilianerin, mein Vater Italiener. Ich bin in der Schweiz aufgewachsen und hatte eine spanischsprachige Tagesmutter. Sprachen haben mich schon immer fasziniert.

Mein Weg in die Tech-Branche führte über einen Nachbarn, der bei einem Tech-Unternehmen arbeitete. Er war der Ansicht, dass ich mit meinen Sprachentalent für das Unternehmen Gold wert sei. Ich habe mich beworben und wurde eingestellt. Durch meine umfangreichen Sprachkenntnisse konnte ich als Account Managerin direkt drei Regionen abdecken. Ich hatte von Tech keine Ahnung. Ich kannte noch nicht einmal den Unterschied zwischen einer Software und einem Betriebssystem. Ich bin 13 Jahre geblieben, habe dort unheimlich viel gelernt, war in verschiedenen verantwortungsvollen Positionen tätig und hatte immer die Chance, mich weiterzuentwickeln. Als ich nach meiner zweiten Elternzeit zurückkehren wollte, war meine Stelle besetzt und ich nahm eine neue Herausforderung im Partner-Business an. Nach einer Station bei einer anderen Technologie-Firma bin ich dann zu Salesforce gewechselt. In meiner Position als Director Alliance & Channel Switzerland bin ich dafür verantwortlich, dass das Salesforce Ökosystem kontinuierlich wächst. Das umfasst einerseits die Aufgabe, neue Salesforce Partner zu gewinnen, die mit uns unser Business vorantreiben und anderseits unsere Technologie- und Implementierungs-Partner mit Salesforce zertifizierten Talenten und Kandidaten zu unterstützen.

Bei Salesforce hast du die Initiative Bring Women Back to Work ins Leben initiiert. Ein Programm, mit dem ihr Mütter nach der Familienpause beim Quer- und Wiedereinstieg unterstützt. Wie kam es dazu?

Vanessa Gentile: Die Ursprungsidee zum Programm Bring Women Back to Work entstand bei einem Roundtable mit unseren Partnern zum Thema Diversity. Wir standen vor der Herausforderung, dass wir kontinuierlich und sehr stark gewachsen sind, zugleich wurde es immer schwieriger Talente zu finden. Mir fiel auf, dass wir zu wenig Frauen in unseren Teams hatten. Das wollte ich und meine Partner ändern. Ich wollte, dass unsere Partner gewillt sind, Frauen einzustellen, die nicht aus der Tech-Industrie kommen, um den Frauenanteil zu erhöhen. Ich wollte erreichen, dass sie Frauen einstellen, die eine längere Pause gemacht haben, die Teilzeit einsteigen wollen, die keinen Tech-Background haben. Frauen, die eben andere Skills und Fähigkeiten ins Salesforce Ökosystem einbringen. Über einen Neurologen habe ich unseren Partnern nahe gelegt, welche Vorteile diverse Kandidatinnen mit sich bringen, was Diversität für die Kreativität und Innovationsstärke von Teams bedeutet. Da waren alle überzeugt und ich hatte das Commitment der Partner in der Tasche.

Mir fiel auf, dass wir zu wenig Frauen in unseren Teams hatten. Das wollte ich und meine Partner ändern. Ich wollte, dass unsere Partner gewillt sind, Frauen einzustellen, die nicht aus der Tech-Industrie kommen, um den Frauenanteil zu erhöhen. 

Wie ist es dir gelungen, Mütter von eurem Programm Bring Women Back to Work zu überzeugen?

Vanessa Gentile: Ich habe angefangen von mir zu erzählen. Ich bin schließlich Mutter von zwei Kindern und arbeite in Vollzeit in der Tech-Branche. Ich habe Videos auf LinkedIn eingestellt mit meinen Kindern im Hintergrund und einen Aufruf gemacht, dass ich Frauen suche, die nach längerer Jobpause wieder arbeiten wollen. Dann haben Frauen angefangen, mir ihre CV zu schicken. Ich konnte es gar nicht glauben, dass diese talentierten Frauen mit ihren wahnsinnig vielfältigen Backgrounds keinen Job finden. Viele Frauen hatten mit der Zeit einfach ihr Selbstbewusstsein verloren, weil die Jobsuche als Mutter so schwierig war. Parallel habe ich das Programm Bring Women Back to Work kreiert.

Wie läuft das Programm konkret ab?

Vanessa Gentile: Unser Partner, die K2 Universität, übernimmt für uns die Vorselektion der Bewerberinnen. Im zweiten Step screene ich die Profile der Frauen und K2 teilt es anschließend mit unseren Partnern. Die Frauen haben zu Beginn keine Ahnung von Technik, dafür bringen sie sich als Mensch und ihre Erfahrungen mit. Wenn die Unternehmen anfangen, umzudenken und Menschen mit anderen Profilen einzustellen, dann stellen sie sehr schnell fest, welchen Mehrwert das bietet. 65 Prozent der Frauen aus dem Programm haben mittlerweile eine Festanstellung. Ich habe Partner, die bis zu sechs, sieben Frauen aus dem Programm gehired haben und das auch zukünftig vorhaben.

Das Programm Bring Women Back to Work ist auf ein Jahr angelegt. Es umfasst einerseits Workshops beispielsweise zu Fragestellungen: Wie präsentiere und verkaufe ich mich bei potenziellen Arbeitgebern? Was sind meine Stärken, was sind meine Schwächen oder Workshops, die Basics zum Tech-Fachvokabular vermitteln. Anderseits erwerben die Frauen im Programm Salesforce Zertifizierungen und somit wichtige fachliche Skills, die ihre Jobchancen enorm erhöhen, da die Zertifizierungen in der Branche anerkannt und sehr gefragt sind. 

Aus welchen beruflichen Backgrounds kommen die Programm-Teilnehmerinnen und welche Karriereoptionen ergreifen sie im Anschluss?

Vanesa Gentile: Die fachlichen Backgrounds der Frauen sind sehr unterschiedlich. Um einmal ein exemplarisches Beispiel zu nennen: Wir hatten eine Teilnehmerin im Programm aus dem Bildungsbereich. Sie war vor ihrer Jobpause an einer Universität tätig und wollte wieder zurück ins Business. Nach ihrer Teilnahme bei Bring Women Back to Work hat sie direkt eine Stelle bei einem unserer Partner als Consultant bekommen. Sie war dort zuständig für die Marketing Cloud. Mittlerweile ist sie aufgestiegen und verantwortet die Abteilung Education als Salesforce Education & Trainings Manager. Das zeigt eben auch, welche Karriere- und Entwicklungssprünge in Tech für Frauen möglich sind. Für unseren Partner war es ein Lucky Punch, diese Frau zu finden. Ihr Know-how und Erfahrungen waren und sind wichtig und wertvoll, egal ob sie jetzt ursprünglich aus der Tech-Branche kommt oder nicht.

Warum ist die Tech-Branche aus deiner Sicht für Frauen besonders geeignet?

Vanessa Gentile: Die Tech-Branche ist sehr flexibel. Mitarbeiter werden an ihren Ergebnissen gemessen und nicht nach Arbeitsstunden und anhand einer Präsenzkultur. Das heißt, du kannst arbeiten und die Familie managen, ohne dass du dich permanent dafür entschuldigen musst, wenn du mal abwesend bist. Die Tech-Branche ist für mich daher der ideale Platz, um Familie und Arbeit zu vereinen. Zweitens ist die Tech-Branche sehr vielfältig. Du hast ganz viele Facetten und Departements wie beispielsweise Marketing oder Sales und nicht nur die klassischen IT-Disziplinen und alle bieten enorme Entwicklungspotenziale und Karrierechancen. Ich habe verschiedene Jobs in Tech gehabt und war überall erfolgreich. Ich habe immer etwas Neues gelernt und jede Station hat mich weitergebracht. Ich bin nie in meiner Komfortzone, aber dafür lerne ich permanent Neues und dadurch öffnen sich neue Türen und Wege.

Das heißt, du kannst arbeiten und die Familie managen, ohne dass du dich permanent dafür entschuldigen musst, wenn du mal abwesend bist. Die Tech-Branche ist für mich daher der ideale Platz, um Familie und Arbeit zu vereinen.

Du hast das Programm Bring Women Back to Work erfolgreich aufgebaut. Was können Tech-Unternehmen aus deiner Sicht tun, um mehr weibliche Talente für sich zu gewinnen?

Vanessa Gentile: Das ist ein Thema, da können wir uns stundenlang drüber unterhalten. Es fängt ja allein an mit der Frage: Woran liegt es, dass Frauen Tech-Jobs nicht attraktiv finden? Ich glaube, das liegt häufig schon an der Jobdescription. Unternehmen sollten sich fragen: Wie formuliere ich eine Stellenausschreibung so, dass Frauen sich gezielt angesprochen fühlen? Studien zeigen auch, dass Frauen sich nur dann bewerben, wenn sie 100 Prozent der Kriterien erfüllen. Männer hingegen bewerben sich schon bei 60 Prozent. Das führt dazu, dass in Bewerbungsgesprächen per se schon mehr männliche Kandidaten als Frauen sitzen.

Mütter als Wieder- und Quereinsteiger nach der Elternzeit sind auch ein zentrales Thema. In der Schweiz brauchen wir einen Plan, weil nicht jede gewillt ist, in ihren Job zurückzugehen bzw. in ihren Job zurückgehen kann. Was bieten Unternehmen Frauen, die nach der Mutterschaft in den Job zurückkehren? Unternehmen müssen in diesem Punkt flexibler werden in ihren Angeboten beispielsweise durch Initiativen wie Bring Women Back to Work. Hilfreich wäre auch einen längeren Vaterschaftsurlaub zu ermöglichen, damit Frauen flexibler im Beruf sind. Solche Themen und Angebote sehe ich in den Unternehmen einfach noch zu wenig. Welche Firma bietet Kinderbetreuung an oder spezielle Angebote für Familien? Ich denke, dass das durchaus machbar und möglich ist, wenn in den Unternehmen eine von Diversity und Inclusion geprägte Kultur gelebt wird und diese Themen dann auch ernsthaft verfolgt und angegangen werden.

Wir haben jetzt viel auf die Unternehmensseite geschaut. Wenn du auf deine Erfahrungen als Führungskraft und Bring Women Back to Work blickst, was können die Frauen selbst tun?

Vanessa Gentile: Ich weiß nicht, ob es an der Erziehung oder an unseren Genen liegt. Aber wir Frauen müssen einfach aufhören, uns permanent zu entschuldigen – vor allem für Dinge, für die wir nichts können. Viele Mütter haben permanent ein schlechtes Gewissen, weil sie in Vollzeit arbeiten oder eben nicht. Ich glaube, Mütter müssen mehr an sich selbst glauben. Wir haben so viele Qualitäten. Allein durch die Mutterschaft lernen wir permanent so viel und besetzen unterschiedlichste Rollen, sind beispielsweise Lehrerinnen im Homeoffice, Seelsorgerin oder Krankenschwestern. Daher sollten wir auch im Beruf mehr Neues wagen und uns das zutrauen. Und ja, etwas Neues zu lernen, impliziert auch immer die Möglichkeit zu fallen und Fehler zu machen, aber das ist okay. Es hilft, sich die Frage zu stellen: Was kann im schlimmsten Fall passieren? entweder lernst du oder du gewinnst. Alles im Leben ist für etwas gut. Wenn man dieses Mindset der Offenheit mitbringt, sich einem neuen Weg stellt, sich selbst die Möglichkeit und Chance dazu gibt, dann führt das langfristig zum Erfolg. Alles beginnt mit der eigenen Einstellung.

Und ja, etwas Neues zu lernen, impliziert auch immer die Möglichkeit zu fallen und Fehler zu machen, aber das ist okay. Es hilft, sich die Frage zu stellen: Was kann im schlimmsten Fall passieren?

Deepa Gautam-Nigge hat uns folgende Frage für die Nächste Interview-Partnerin mitgegeben: Wie schaffen wir es, systematisch eine inklusive Kultur zu verankern, dass sich Frauen mittelfristig weiter durchsetzen und ihr Potential gezielt entfaltet wird?

Vanessa Gentile: Ich habe nicht das Erfolgsrezept, aber Frauen müssen sich gegenseitig supporten und sich bewusst sein, dass sie selbst einen Unterschied machen können. Bring Women Back to Work ist da nur ein Beispiel. Viele Menschen sprechen mich an, weil sie das auch in ihrer Firma einführen wollen. Umso besser wir Frauen uns verteilen, positionieren und im Spiel sind, desto stärker werden wir wahrgenommen und desto mehr männliche Kollegen können wir motivieren, es uns gleich zu tun und ebenfalls Frauen zu supporten. Ich meine, jeder Mann hat ja auch irgendwo eine Tochter, eine Mutter oder eine weibliche Bezugsperson, da sollte es doch selbstverständlich sein, etwas zurückzugeben. Denn wir dürfen nicht vergessen, der einzige Weg in die Welt zu kommen, ist durch eine Frau.

Umso besser wir Frauen uns verteilen, positionieren und im Spiel sind, desto stärker werden wir wahrgenommen und desto mehr männliche Kollegen können wir motivieren, es uns gleich zu tun und ebenfalls Frauen zu supporten.

Welche Frage möchtest Du uns für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Vanessa Gentile: Was bedeutet eigentlich Glück für diese Person? Was bedeutet das konkret im Business-Kontext?

Vielen herzlichen Dank für deine Zeit und das Interview.

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de

Im Gespräch mit Lucia Falkenberg, Chief People Officer, eco Verband

Sie haben die Initiative #LiT – Ladies in Tech bereits im Frühjahr 2019 gegründet. Was waren die Beweggründe dafür?

Lucia Falkenberg: Zum einen waren es die zahlreichen Tech-Konferenzen und -Panels, die stets mit ausreichend qualifizierten Männern besetzt waren, aber definitiv mit zu wenig Frauen. Wenn man dann nachgehakt hat, kam häufig die Antwort: Es gibt einfach keine Frauen, die sich auf die Bühne der Internetwirtschaft wagen. Das stimmte und stimmt so aber einfach nicht. Es gibt eine Menge großartiger, hoch qualifizierter und spannender Expertinnen in der Internetwirtschaft. Mit #LiT – Ladies in Tech verleihen wir diesen Frauen Gesicht und Stimme. Zum anderen bin ich nicht nur Personalleiterin beim eco Verband, sondern auch beim DE-CIX. Auch dort wünschten sich die männlichen Kollegen aus der Technik möglichst vielfältige Verstärkung für diverse Teams.

Warum engagiert sich eco mit einer eigenen Initiative im Kontext Frauen in Tech?

Falkenberg: Die Digitalwirtschaft ist nicht zuletzt wegen des Fachkräftemangels schon sehr früh stark auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter:innen eingegangen und hat beispielsweise flexiblere Arbeitsmodelle angeboten. Wir möchten, dass all die hoch qualifizierten Frauen da draußen von diesen Rahmenbedingungen profitieren. Schon Kurt Tucholsky sagte vor 100 Jahren: „Es gibt keinen Erfolg ohne Frauen“. Das gilt heutzutage erst recht. Die Internetwirtschaft gestaltet mit der Digitalisierung die Zukunft aller Menschen – da darf die weibliche Perspektive auf keinen Fall fehlen.

Schon Kurt Tucholsky sagte vor 100 Jahren: „Es gibt keinen Erfolg ohne Frauen“. Das gilt heutzutage erst recht. Die Internetwirtschaft gestaltet mit der Digitalisierung die Zukunft aller Menschen – da darf die weibliche Perspektive auf keinen Fall fehlen.

2021 ist die Weiterentwicklung von #LiT – Ladies in Tech mit Partnern wie GoDaddy und Salesforce für eco ein zentrales Thema. Heute wurde unter anderem die neue Microsite gelauncht. Wie geht es mit #LiT weiter und welche Aktivitäten sind geplant?

Falkenberg: Es ist uns ein klares Anliegen, Frauen in Tech mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Darauf zielen auch viele unserer Aktivitäten ab, beispielsweise unsere Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, die Verleihung des eco://awards in der Kategorie #LiT – Ladies in Tech oder unsere Interview-Reihe, in der inspirierende weibliche Fach- und Führungskräfte der Internetwirtschaft zu Wort kommen. Zudem starten wir aktuell mit dem Aufbau eines Speakerinnen-Verzeichnisses, um auf der Bühne von Tech-Events Platz für Digital-Expertinnen zu machen. Mit unseren starken Partnern Salesforce und GoDaddy haben wir eine ganz Reihe an Ideen, die wir gemeinsam angehen und umsetzen werden. Dabei gibt es nur eine Konstante: Egal, was wir machen, wir machen es mit und für die Frauen der Internetwirtschaft.

Ein Speakerinnen-Verzeichnis, um Frauen auf Tech-Events sichtbarer zu machen und all male Panels entgegenzuwirken, klingt spannend. Wer kann sich dort eintragen lassen und was muss ich dafür tun?

Falkenberg: Unser Speakerinnen-Verzeichnis richtet sich speziell an Frauen in Tech. Wichtig ist für uns daher ein eindeutiger thematischer Bezug zur Digitalisierung und zu den vom eco Verband getriebenen Themen wie beispielsweise New Work, künstliche Intelligenz, digitale Infrastrukturen oder Cloud Computing sowie ein gewisses Level an Expertise. Interessierte schauen am besten einmal auf unserer Webseite vorbei. Im FAQ beantworten wir die wichtigsten Fragen.

Warum sind Ihnen die Themen Diversity und Empowerment persönlich wichtig?

Falkenberg: Schon meine Großeltern haben mir vermittelt, „Du kannst als Mädel alles, was ein Mann auch kann“ und in diesem Sinne habe ich auch meine beiden Töchter erzogen. Meine berufliche Heimat habe ich schon früh in der IT-Welt gefunden, weil die Rahmenbedingungen für Frauen hier besonders gut sind und es mir die Tech-Industrie ermöglicht hat, mich sowohl beruflich als auch privat weiter zu entwickeln. Außerdem setze ich mich für Diversity ein, weil wir auch in unseren technisch getriebenen Abteilungen immer wieder die Erfahrung machen, dass diverse und vielseitige Teams konstruktiver und erfolgreicher zusammenarbeiten und innovativere Lösungen entwickeln.

Meine berufliche Heimat habe ich schon früh in der IT-Welt gefunden, weil die Rahmenbedingungen für Frauen hier besonders gut sind und es mir die Tech-Industrie ermöglicht hat, mich sowohl beruflich als auch privat weiter zu entwickeln.

Wenn Sie selbst eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen dürften: Wer wäre es und warum? 

Falkenberg: Ehrlich gesagt wäre das nicht eine Einzelperson, sondern ein langer Tisch, an dem eine ganze Reihe von Frauen Platz nehmen würden. Am liebsten draußen, etwa an einem See – so wie bei unserem #LiT Auftakt-Event vor zwei Jahren am Adenauer Weiher in Köln. Ada Lovelace und Ruth Teitelbaum würden eine Einladung von mir bekommen, ebenso Radia Pelman. Freuen würde ich mich auch über die Gesellschaft von Sheryl Sandberg, die nicht nur eine tolle Wegbereiterin für Frauen in Tech ist, sondern auch eine spannende Persönlichkeit. Und natürlich wären ganz viele der tollen Frauen dabei, die sich in unserer #LiT Initiative engagieren.

Welche Karriere-Tipps haben Sie an Frauen in Tech?

Falkenberg: Macht euch sicht- und hörbar, traut euch und verlasst eure Komfortzone. Seid aufgeschlossen gegenüber technischen Anwendungen, fokussiert Euch auf den pragmatischen Nutzen dieser Lösungen und bleibt neugierig. Die florierende Tech-Industrie mit ihren wirtschaftlich hervorragenden Aussichten bietet nicht nur Programmiererinnen, sondern auch fast jeder anderen Job-Sparte und Fachdisziplin tolle Möglichkeiten.

Macht euch sicht- und hörbar, traut euch und verlasst eure Komfortzone.

Welchen Tipp haben Sie für Tech-Unternehmen, die mehr Frauen rekrutieren wollen?

Falkenberg: Erstens den eigenen Frauen im Unternehmen zuhören, wie attraktive Arbeitsbedingungen für Frauen gestaltet werden können. Zweitens die Kolleginnen sichtbar machen: auf der Homepage, auf der Karriere-Seite, im Employer Branding, auf Tech-Events und -Konferenzen, damit in der Außendarstellung sofort erkennbar ist: Wir sind divers aufgestellt.

Welche Frage möchten Sie uns für unsere nächste Interviewpartnerin mitgeben?

Falkenberg: Was war der beste Rat, den Sie je bekommen haben und was empfehlen Sie heute Ihrer Tochter oder Schwester?

Vielen herzlichen Dank für das Interview, Frau Falkenberg!

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Fotocredit: Mica Zeitz

Im Gespräch mit Sara Weber, Redaktionsleiterin LinkedIn News DACH und Benelux

Sara Weber ist Journalistin und Autorin. Als Senior Managing Editor bei LinkedIn leitet sie die Redaktionsteams für die Regionen DACH und Benelux. Sie ist Host des LinkedIn Podcasts Nett Work und spricht auf Konferenzen und in Interviews über ihre Herzensthemen Diversity, Digitalisierung und die neue Arbeitswelt. Zuvor arbeite Weber als freie Journalistin für Leitmedien, darunter Süddeutsche.de, Der Spiegel, Die Zeit, Brand Eins, Horizont und Deutsche Welle (DWTV).

Du bist mehrfach prämierte Journalistin, warst für Leitmedien wie Der Spiegel, Die ZEIT, Brand Eins und das Digital-Ressort der SZ tätig. Seit 2016 bist Du bei LinkedIn an Bord und seit 2019 Redaktionsleiterin LinkedIn News DACH und Benelux. Wie sieht dein Arbeitsalltag aus und was ist das Spannendste an deinem Job?

Sara Weber: Das Beste an dem Job ist tatsächlich das Team. Das mag etwas abgedroschen klingen, ist aber wirklich so. Wir sind weltweit über 75 Journalistinnen und Journalisten, die global zusammenarbeiten und kollaborieren. Ich finde es total spannend zu erfahren, was bewegt die Kolleginnen und Kollegen in den USA, in Singapur oder in Frankreich? Welche Erfolgsgeschichten und Formate lassen sich auf unseren DACH-Raum adaptieren? Von meinen Kolleg:innen zu lernen, ist das Highlight für mich.

Als Redaktionsleiterin verbringe ich viel Zeit in Eins-zu-eins-Meetings, kümmere mich um die Strategie- und die Formatentwicklung. Dazu arbeite ich auch sehr eng mit unseren Engineers- und Product-Teams zusammen. Mein Team macht natürlich auch die klassische Redaktionsarbeit. Unser Flagship-Produkt ist der Nachrichtenüberblick, in dem wir Inhalte und Meinungen für die Nutzer kuratieren. Wir kreieren aber auch eigene Inhalte wie beispielsweise den Podcast Nett Work. Ebenso stehen wir im engen Austausch mit Mitgliedern oder betreuen das LinkedIn Influencer-Programm und somit sieht jeder Arbeitstag auch ein bisschen anders aus.

Klingt sehr spannend und abwechslungsreich. Als ausgebildete Journalistin und Redaktionsleiterin hast du ein sehr gutes Gespür für Themen. Was sind aus Deiner Sicht die Themen, die uns in naher Zukunft begleiten und bewegen werden?

Sara Weber: Ein zentrales Thema, das uns sehr stark begleiten wird, ist die Digitalisierung der Arbeitswelt. Pandemiebedingt arbeiten viele Menschen aus dem Homeoffice – und das schon seit einiger Zeit. Ich glaube jedoch nicht, dass man in die Büros zurückgehen wird wie zuvor. Was es jetzt braucht, sind nachhaltige digitale Arbeitsmodelle, die darüber hinausgehen zu sagen: Jeder bekommt einen Laptop mit Videokonferenz-Software. Es braucht viel mehr Antworten auf die Fragen: Wie funktioniert dezentrale Kommunikation? Wie sehen Büros künftig aus? Wie laufen Prozesse in einer dezentralen digitalen Arbeitswelt zukünftig ab?

Sehr wichtiger Punkt. Wie machst du das in deinem Team? Hast Du Tipps für Führungskräfte?

Sara Weber: Ich glaube, dass international agierende Firmen wie wir einen Vorsprung haben, weil sie mehr Erfahrung mit dezentraler Zusammenarbeit haben. Wir teilen cloudbasiert Dokumente, kommunizieren über Slack, machen Video-Calls, etc.. Einerseits verdichtet sich aktuell die Kommunikation, andererseits wird es wahnsinnig wichtig, Priorisierungen zu kommunizieren. Was passiert gerade und warum passiert es. Das Warum ist entscheidend, um alle mitzunehmen bei dem, was man vorhat, auch wenn nicht mehr alle am selben Ort sind.

Unerlässlich ist auch, dass die persönliche Kommunikation nicht auf der Strecke bleibt. Die schönen Momente im Arbeitsleben sind eben auch die zufälligen Begegnungen an der Kaffeemaschine. Wenn wir darüber reden, was man am Wochenende gemacht hat oder wie es dem Hund geht. Es ist so einfach, das wegfallen zu lassen, weil man effizient sein will. Ich glaube aber, dass das nicht zielführend ist. Vielmehr sollten sich Führungskräfte wirklich aktiv Zeit nehmen, um zu schauen: Wie geht es meinem Team gerade? Was sind Probleme und wie kann man sie gemeinsam lösen? Dafür muss das persönliche Gespräch klar über eine hingeworfene Höflichkeitsfloskel hinausgehen.

Es ist so einfach, das wegfallen zu lassen, weil man effizient sein will. Ich glaube aber, dass das nicht zielführend ist. Vielmehr sollten sich Führungskräfte wirklich aktiv Zeit nehmen, um zu schauen: Wie geht es meinem Team gerade?

Kommunikation und Diversity trifft auch den Punkt inklusive Sprache. Bei LinkedIn habt ihr das Gendersternchen schon 2019 eingeführt. Auf der medialen Agenda, in vielen Unternehmenskommunikationsabteilungen und Social Media rückt das Thema seit einigen Monaten verstärkt in den Fokus und findet Befürworter wie Gegner. Warum habt ihr euch dafür entschieden?

Sara Weber: Wir haben uns bei LinkedIn sehr aktiv dafür entschieden. Bei mir gab es einen Schlüsselmoment. Wir veröffentlichen regelmäßig die Liste der Top Companies auf LinkedIn. Darunter war ein Unternehmen, das einen Weinkeller hat für die Mitarbeiter. Bei mir im Kopf entstand sofort ein Bild: Männer um die 50 Jahre sitzen zusammen mit Zigarren und Wein. Dabei waren doch nicht nur die männlichen Mitarbeiter, sondern auch die weiblichen gemeint. Daraufhin haben wir im Team diskutiert und das Gendern eingeführt.

Als Redaktion wollen wir einfach sicherstellen, dass sich Menschen nicht ausgeschlossen fühlen aufgrund der Sprache, die wir benutzen. Darüber nachzudenken, welche Stereotypen man selbst im Kopf hat, ist total wichtig – auch für künftige Generationen. Ich finde es nicht gut, wenn Kinder oder Jugendliche glauben, ihnen steht nur eine Hälfte der beruflichen Welt offen, weil irgendwie alle Männer Herzchirurgen sind und alle Frauen Krankenschwestern. Natürlich gibt es Menschen, die sich von gendergerechter Sprache auf den Schlips getreten fühlen. Deshalb ist es mir auch wichtig zu sagen: Wir haben das für uns entschieden. Wir zwingen aber niemanden, es auch so zu machen. Wir stehen nicht mit der Mistgabel neben Leuten und sagen: Hey, komm du musst gendern!

Stereotype werden auch durch Medien geprägt. Aktuell wird diskutiert, dass bei Annalena Baerbock der Fokus der Berichterstattung oft auf dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegt. Hering Schuppener hat die Darstellung von Top-Managerinnen in Leitmedien untersucht. Und kommt zu dem Ergebnis: Bei weiblichen Top-Managerinnen geht es um Kinder, Kleidung, Aussehen, Vereinbarkeit. Müssen Journalist:innen das besser machen? Und wenn ja, wie?

Sara Weber: Ich verstehe ein bisschen, warum diese Fragen weiblichen Top-Managerinnen gestellt werden – auch von Journalistinnen. Ich vermute, dass es daher rührt, dass sie die Frage auch für sich selbst beantwortet haben möchten. Weil man sich einfach fragt: Krass, wie kriegt sie das hin? Ich möchte das auch schaffen.

In unserer Interview-Reihe mit Top-Führungskräften sprechen wir die Themen Frauenförderung und Diversität bei beiden Geschlechtern sehr aktiv an. Ich frage auch den männlichen CEO, ob er Homeschooling macht. Ich glaube, man muss es einfach stärker normalisieren und von der Vorstellung wegkommen, dass sich natürlich die Frau um Kind und Haushalt kümmert, während der Mann sich dem Job widmet. Ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn das Thema Vereinbarkeit aufkommt. Schlimmer finde ich, wenn das Thema nur bei Frauen aufkommt.

Aus journalistischer Perspektive hilft es, sich zu fragen: In welchem Kontext steht das Interview? Will ich das durchaus wichtige Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufgreifen, dann gehören die Fragen dazu. Vielleicht sollte ich jedoch nicht nur drei Frauen befragen, sondern auch einen Mann. Was die Wirtschaftsmedien betrifft, ist es wichtig, dass wirklich mehr unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen. Klar, den männlichen CEO finde ich schneller, aber es gibt Expertinnen, weibliche Führungskräfte, Gründerinnen oder eben den Vater, der die Führungsposition in Teilzeit wahrnimmt. Man muss sich halt die Mühe machen, diese Personen zu recherchieren.

Ich frage auch den männlichen CEO, ob er Homeschooling macht. Ich glaube, man muss es einfach stärker normalisieren und von der Vorstellung wegkommen, dass sich natürlich die Frau um Kind und Haushalt kümmert, während der Mann sich dem Job widmet.

Damit schneidest du ein weiteres wichtiges Thema an: Sichtbarkeit – dazu lässt sich ja auch LinkedIn als Plattform gut einsetzen. Welchen Tipp hast du um über LinkedIn sichtbar zu werden?

Sara Weber: Wenn ich weiß, dass ich die Plattform nutzen und dort besser sichtbar werden will, sind 90 Prozent der Arbeit schon gemacht. Wozu wir immer raten, ist ein gutes Profil. Die Leute sollen mich ja nicht nur finden, sondern auch wissen, ich habe die richtige Person gefunden. Dann einfach zu den Themen äußern, die mich interessieren und mit denen ich mich auskenne. Es gibt gar keine so starren Regeln. Man kann die Formate wählen, die einem gefallen. Ob das jetzt jemand ist, der gerne Video machen will oder Storys oder ob man jemand ist, der gerne lange Artikel schreibt oder Nachrichten-Texte mit einer kurzen Analyse teilt.

Was ich persönlich wichtig finde, ist eine Antwort auf die Frage: Warum kommt das von mir und warum kommt es jetzt von mir? Weil diese Posts á la drei Dinge, die jede erfolgreiche Führungskraft morgens vor 6 Uhr macht, interessieren die wirklich irgendjemanden? Ich möchte viel eher wissen: Warum erzählt mir Person X jetzt gerade diese Sache Y? Und was ist das Besondere daran? In keinem Fall sollte man Postings aus dem Gefühl heraus absetzen: Es interessiert mich eigentlich nicht oder ist mir egal, aber ich muss da jetzt irgendwie etwas machen.

Zur Sichtbarkeit generell: Wir sehen durchaus, dass über die letzten Jahre mehr und mehr weibliche Führungskräfte, aber auch Gründerinnen und Menschen, die man vielleicht gar nicht so zwingend auf LinkedIn erwarten würde, sich äußern. Das ist eine ganz wichtige Entwicklung, die sich auch in der Wirtschaftswelt widerspiegelt, dass eben nicht mehr alles genauso aussieht wie noch vor 10, 20, 30 Jahren und es ist auch gut so.

In den Führungsetagen ist der Gender Gap trotzdem größer. Auch People of Color sind unterrepräsentiert. Wie bekommen wir mehr Vielfalt in allen Dimensionen in die Chefetage?

Sara Weber: Ich finde es schwierig, dass wir in Deutschland ganz oft, wenn es um Diversität geht, nur über Frauen sprechen. Wir haben jetzt mit Belén Garijo die erste alleinige Chefin eines DAX-Konzerns im Amt. Wir brauchen jedoch nicht nur mehr Frauen, sondern auch People of Color, Menschen mit Behinderungen und die LGBTQ+ Community stärker repräsentiert in der Arbeitswelt – genauso wie Menschen, die nicht aus Akademiker-Haushalten kommen.

In Unternehmen fängt es ganz oft schon damit an, dass Einstellungsprozesse nicht divers und inklusiv ausgelegt sind. Es reicht nicht nur zu sagen: Wir freuen uns über diverse Kandidaten, sondern Unternehmen müssen wirklich zeigen, was bietet man denen? Gibt es beispielsweise Employee Ressource Groups, die sich an bestimmte Zielgruppen richten? Ist das Büro barrierefrei? Besteht die Möglichkeit zu Teilzeit? Bewerberlisten müssen divers besetzt sein, nicht mit neun Männern und einer Frau. Da muss es klare Regeln geben, dass schon mit einer diversen Kandidatengruppe gestartet wird, weil dann ist natürlich auch die Chance höher, Kandidat:innen auszuwählen, die diese Kriterien treffen.

Auch dem Employer Branding kommt eine zentrale Rolle zu. Die Verschiedenheit der Mitarbeiter:innen sollte schon in der Außendarstellung klar erkennbar sein. Ich erinnere mich tatsächlich noch an diesen einen Moment im LinkedIn Bewerbungsprozess. Eine Kollegin war wie ich Woman of Color. Ich dachte nur: Cool, hab ich in der Medienwelt, wo ich davor war, selten gesehen. Ich wäre hier nicht die Einzige. Das hat bei mir den Gedanken verfestigt, hier könnte ich mich wohlfühlen und hinpassen.

Wir brauchen jedoch nicht nur mehr Frauen, sondern auch People of Color, Menschen mit Behinderungen und die LGBTQ+ Community stärker repräsentiert in der Arbeitswelt – genauso wie Menschen, die nicht aus Akademiker-Haushalten kommen.

Ich möchte Dich gerne zu einem Gedankenexperiment einladen. Wenn Du ein Panel besetzten dürftest mit deiner Traumbesetzung im unserem Themenkontext: Wen lädst du ein und worüber sprecht ihr?

Sara Weber: Dann möchte ich unbedingt Michelle Obama einladen, ebenso Shonda Rhimes, eine der besten Storytellerinnen unserer Zeit und Janina Kugel. Komplett machen mein Panel Raul Krauthausen und Stuart Bruce Cameron, der sich stark für die LGTBQ+ Community einsetzt. Sprechen möchte ich über das Thema Diversity und Digitalisierung der Wirtschaft.

Sehr coole Besetzung, da wäre ich auf jeden Fall als Zuhörerin sehr gerne dabei. In deinem Podcast Nett Work sprichst du mit jungen Menschen aus Wirtschaft, NGOs oder Sport über ihren Karriereweg und gibst Tipps für Berufseinsteiger. Welchen Karriere-Tipp möchtest du Frauen mitgeben?

Sara Weber: Mein erster Tipp lautet, sich auf seine Intuition zu verlassen und auf sein Bauchgefühl zu hören und darauf zu vertrauen, dass die Dinge schon gut werden. Ich glaube, dass Intuition eine Stärke ist, die gerade Frauen mitbringen und die in der Businesswelt total unterschätzt wird. Der zweite Tipp ist: Gut verhandeln. Sich niemals unter Wert verkaufen und sich niemals mit dem ersten Angebot zufriedengeben. Wir wissen, es gibt einen Gender-Pay-Gap und das kriegt jetzt nicht jede Person für sich selbst gelöst. Es ist ein größeres strukturelles Problem. Aber Frauen verhandeln eben einfach seltener. Zugegeben verhandeln ist auch verdammt schwierig, aber es lässt sich lernen. Beispielsweise indem man mit Freund:innen übt. Es schadet auch nicht, einmal den Hörer in die Hand zu nehmen und ein paar Branchenexperten zu fragen: Was kann ich da verlangen?

Der zweite Tipp ist: Gut verhandeln. Sich niemals unter Wert verkaufen und sich niemals mit dem ersten Angebot zufriedengeben.

Evgeniya Ettinger von Oracle hat uns folgende Frage für dich mitgegeben. Wie können wir den deutschen Arbeitsmarkt und auch die deutsche Kultur für Arbeitskräfte aus dem Ausland attraktiver gestalten, um mehr Vielfalt und Innovationskraft zu gewinnen?

Sara Weber: Erstens braucht es ein Umdenken und ein größeres Verständnis dafür, dass unterschiedlichste Menschen, verschiedene Ansichten und Erfahrungen, Sprachen und Herkünfte etwas Positives sind, von dem alle profitieren. Zweitens kann schon allein die Sprache eine Barriere sein. In Traditionskonzernen ist die Unternehmenssprache vielleicht Deutsch, was vollkommen in Ordnung ist. Unter diesen Bedingungen sollte schon explizit in der Stellenausschreibung stehen: Wir freuen uns auch über Menschen, die vielleicht noch kein Deutsch sprechen. Wir bieten Deutsch-Crashkurse in der Arbeitszeit an: bezahlt vom Unternehmen für die ersten zwei Jahre.

Genauso sinnvoll sind Unterstützungsangebote, die helfen in Deutschland Fuß zu fassen und anzukommen – auch außerhalb der Unternehmens-Community. Beispielsweise zu helfen bei der Wohnungssuche oder durch die Initiierung eines englischsprachigen Stammtischs mit weiteren Unternehmen oder Kontakten zum Fußballverein oder Tennis-Club vor Ort. Ich bin mir auch sicher, da gibt’s ganz, ganz viele erfolgreiche Beispiele gerade in der Start-up-Szene. Unternehmen, die das gut meistern, dürfen sich auch darauf verlassen, dass sich so etwas in der Community rumspricht und es zukünftig leichter fällt, weitere Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen.

Das waren jetzt sehr viele wertvolle Impulse in Richtung Unternehmen. Hättest du auch noch eine neue Idee in Richtung Politik? Also müssen wir die Rahmenbedingungen vielleicht auch irgendwie verändern, dass es einfacher wird.

Sara Weber: Was für viele Menschen, die nach Deutschland kommen, eine Hürde darstellt, ist, dass sie nicht ihrem Ursprungsberuf nachgehen können. Daher ist die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen und Bildungsabschlüssen auf dem Arbeitsmarkt für uns ein entscheidender Hebel, um Fachkräfte nach Deutschland zu bringen. Auch Unternehmensgründungen sollten vereinfacht werden. Diese Menschen bringen so viel an Innovationskraft mit und die wird mitunter mit Formularen ein bisschen erschlagen.

Welche Frage möchtest Du uns für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Sara Weber: Wie schaffen wir es, über einzelne Konzerne hinweg digitale Technologien fair und für alle Menschen gleich gut zu gestalten?

Eine weitere Frage, die ich sehr mag: Gibt es eine Sache in Ihrem Arbeitsalltag – ausgenommen Handy oder Laptop – die ihren Alltag derart einfacher macht, dass sie sie nicht missen möchten?



Vielen Dank für deine Zeit und dein Mitwirken in unserer Interview-Reihe!


Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Schreiben Sie bei Interesse gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de


Jutta Horstmann

Im Gespräch mit Jutta Horstmann, Chief Operating Officer, eyeo

Wie gestaltet sich Ihr Arbeitsalltag als Chief Operating Officer bei eyeo und was ist das Spannendste und Schönste an Ihrem Job?

Jutta Horstmann: Als COO bin ich bei eyeo für die Organisationsentwicklung von eyeo als agiles Softwareunternehmen mit Remote-Standorten auf der ganzen Welt verantwortlich. Wir sind in den letzten zwei Jahren stark gewachsen und immer mehr Standorte und Zeitzonen sind dazugekommen. Zu meinen Aufgaben gehört zum Beispiel sicherzustellen, dass die gesamte Infrastruktur des Unternehmens in diesem Prozess mitwächst und das Wachstum auch abbilden kann.

Das Spannendste und Schönste für mich ist es eine Organisationsstruktur und -infrastruktur aufzubauen, die die grundlegenden Voraussetzungen für den Unternehmenserfolg schafft. Dazu gehört eine ausgeklügelte IT-Infrastruktur, die aus einem zentralen Work Tracking System, einem Wissensmanagement Tool, Intranet und einem Company Chat Tool sowie einem Digital Whiteboarding Tool besteht. Dass wir unsere Infrastruktur ständig weiterentwickeln ist sicherlich auch ein Grund dafür, dass wir sehr gut durch die Coronakrise gekommen sind. Die Umstellung auf 100 % Homeoffice ging bei uns sehr schnell und ohne Zwischenfälle vonstatten.

Als Sie in den 90er Jahren ihre ersten Schritte als Entwicklerin in der Open Source Community gemacht haben, waren Sie häufig die einzige Frau. Was sind Ihre Erfahrungen aus der Arbeit in einem männerdominierten Umfeld? Und wo stehen wir aus Ihrer Sicht heute im Bereich Frauen in Tech?

Horstmann: Ich denke, wir haben seit den 90er Jahren sicherlich einige Fortschritte gemacht, damals war ich oft die einzige Frau auf vielen Veranstaltungen. Heute kommt das zum Glück viel seltener vor und bei eyeo bemühen wir uns auch sehr mit gutem Beispiel voranzugehen, aber die Tech-Branche hat hier noch einen langen Weg vor sich. Nach wie vor existiert der Gender Pay Gap und es gibt viel zu wenige Frauen in Führungspositionen, um nur zwei Probleme zu nennen. Darum ist es umso wichtiger, dass wir Frauen in Führungspositionen dieses Thema vorantreiben und ihm zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen.

Sie engagieren sich stark für die Themen Frauen in Tech und Frauen in Führung. Als Initiatorin von “female leadership at eyeo” sind Sie dafür verantwortlich, dass mittlerweile 50% der Führungspositionen bei eyeo mit Frauen besetzt sind. Wie kam es zur Initiierung des Programms und welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Horstmann: 2006 habe ich mein eigenes Unternehmen für Software-und Datenbankentwicklung gegründet, dabei habe ich mir das Ziel gesetzt 50% weibliche Mitarbeiterinnen einzustellen und konnte das auch verwirklichen. Eine weibliche CEO zu haben war hier unglaublich hilfreich. Als ich mich 2017 entschied zu eyeo zu gehen war mir klar, dass ich die Aufgabe mehr Frauen in Leadership Positionen zu bringen hier fortführen möchte. 2020 haben wir nun auch bei eyeo die 50 Prozent Marke geknackt, worauf ich sehr stolz bin. Dieser Meilenstein zeigt, dass sich mit den richtigen Instrumenten diese Erfolgsgeschichte wiederholen lässt.

Als ich mich 2017 entschied zu eyeo zu gehen war mir klar, dass ich die Aufgabe mehr Frauen in Leadership Positionen zu bringen hier fortführen möchte. 2020 haben wir nun auch bei eyeo die 50 Prozent Marke geknackt, worauf ich sehr stolz bin.


In der Coronakrise haben Sie bei eyeo das 
Corona Family Care Programm initiiert, um Eltern zu unterstützen. Was verbirgt sich dahinter und was war Ihre Motivation dazu, als Arbeitgeber Eltern derart großzügig unter die Arme zu greifen?

Horstmann: Corona Family Care bedeutet, dass Eltern in der Coronakrise stunden- oder tageweise Familienzeit nehmen können. Corona-Familienzeit wird nicht vom Gehalt oder den Urlaubstagen abgezogen. Uns war wichtig den Eltern größere Flexibilität zu ermöglichen, gleichzeitig muss aber auch die Arbeit in den jeweilige Teams funktionieren. Deshalb muss Corona Family Care nicht beantragt oder genehmigt werden, die Abwesenheit muss allerdings im Team transparent gemacht und dokumentiert werden.

Ich sehe die Geschäftsführung eines Unternehmens hier in der Pflicht ihren Mitarbeiter*innen ein Arbeitsumfeld zur Verfügung zu stellen, in dem ihre mentale und körperliche Gesundheit und natürlich auch ihre Arbeitskraft nicht beeinträchtigt wird. Auch wirtschaftlich ist es sinnvoller, dass sich die Kolleg*innen ausgeruht und mit freiem Kopf auf ihre Arbeit konzentrieren können. Ich bin überzeugt, dass zufriedene Mitarbeiter*innen auch motivierte Mitarbeiter*innen sind und ich denke die positive Entwicklung des Unternehmens im letzten Jahr bestätigt das.

Sie setzen sich bei eyeo für Frauen in Leadership, sind Speakerin zum Thema Frauen und Führung und stehen als COO an der Unternehmensspitze. Welchen Tipp möchten Sie Frauen mitgeben, die eine Führungsposition anstreben oder gerade in die Führungsrolle hineinwachsen? Und welchen Tipp haben Sie andererseits für Unternehmen, die Vielfalt im Aspekt Gender in ihre Chefetagen bringen wollen?

Horstmann: Schaffen Sie in Ihrem Unternehmen Rahmenbedingungen, die vielfältigen Lebensentwürfen Rechnung tragen. Das kann ganz unterschiedliche Ausprägungen haben zum Beispiel mehr Homeoffice oder flexiblere Arbeitszeiten. Wenn Sie nicht wissen, wo Sie anfangen sollen, sprechen Sie mit den Menschen in Ihrem Unternehmen, die nicht den klassischen Informatiker mittleren Alters repräsentieren und fragen Sie, was Ihnen helfen würde. Setzen Sie sich verbindliche Ziele, denn die ausgetretenen Pfade zu verlassen kann am Anfang unbequem und ungewohnt sein. Bekennen Sie sich auch nach außen zu Ihrem Ziel und zeigen Sie Ihre Role Models. Diversen Führungskräften in Ihrem Unternehmen eine Bühne zu bieten ermutigt nicht nur junge Frauen und Mädchen diesen Weg einzuschlagen, sondern wird auch mehr Frauen zu Bewerbungen motivieren.

Der wichtigste Rat, den ich jungen Frauen mitgeben möchte, ist: Sei mutig! Eine gute Führungskraft zu sein hat nichts Unweibliches an sich, ganz im Gegenteil! Zu führen ist eine der ureigensten weiblichen Eigenschaften, wir sollten sie besetzen und uns zu eigen machen. Frauen müssen nicht nach den Regeln eines Systems spielen, das sie nicht ausreichend mitdenkt. Wir haben die Macht dieses System zu verändern und sollten sie nutzen.

Frauen müssen nicht nach den Regeln eines Systems spielen, das sie nicht ausreichend mitdenkt. Wir haben die Macht dieses System zu verändern und sollten sie nutzen.

Peter Janze, Geschäftsführer digital@M, hat uns als #Heforshe Unterstützer in unserem letzten Interview folgende Frage für Sie mitgegeben: Eine paritätisch besetzte Doppelspitze finde ich eine interessante Möglichkeit, Unternehmen in die Zukunft zu führen und auch den Vielfaltsgedanken an ganz zentraler Stelle zu verankern. Wie kann man dieses Modell zum Erfolg führen?

Horstmann: Ich halte das für einen sehr guten Ansatz und wir führen auch bei eyeo immer grundsätzlich als Team. Um als Leadership-Team erfolgreich zu sein, braucht es gute und offene Kommunikation, Kompromissbereitschaft und gegenseitiges Vertrauen.

Wir möchten auch gerne Ihre Aspekte in die Debatte rund um Diversity und Gender einbringen. Was kommt Ihnen zu kurz, welche Perspektive wird nicht ausreichend beleuchtet? Welche Frage möchten Sie uns in diesem Kontext für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Horstmann: Die Gründe für den Mangel an Frauen in technischen Berufen und in Führungspositionen sind nicht nur in den Unternehmen zu finden, sondern auch in der gesellschaftlichen Ausgangslage. Von Kindesbeinen an werden Mädchen systematisch entmutigt, Stärke zu zeigen, Raum zu beanspruchen und sich mit technischen Themen auseinanderzusetzen. Deshalb meine Frage: Wie gelingt es uns als Unternehmer*innen, Impulse in die Gesellschaft hinein zu setzen, um diese Muster aufzubrechen?

Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihr Mitwirken in unserer Interview-Reihe!

Von Kindesbeinen an werden Mädchen systematisch entmutigt, Stärke zu zeigen, Raum zu beanspruchen und sich mit technischen Themen auseinanderzusetzen.

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Im Gespräch mit Evgeniya Ettinger, Public Sector Sales Manager, ORACLE Deutschland

Du hast an LMU Jura studiert, in verschiedenen Großkanzleien in Deutschland, Russland und Italien gearbeitet sowie für einen Elektronik-Retailer die Transformation vom stationären Handel zum Multi-Channel-Anbieter begleitet. 2016 bist Du in die IT-Branche eingestiegen und hast Deine Karriere aktiv von der Rechtsabteilung über das strategisches Partnermanagement bis hin zum Vertrieb vorangetrieben. Außerdem bis Du Mitbegründerin eines kleinen Restaurants in München, das sogar mit dem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Als Sales Managerin Public Sector bei Oracle bist Du mit deinem Team für den strategischen Vertrieb an den öffentlichen Sektor in Deutschland verantwortlich.  Wie sieht Dein typischer Arbeitsalltag aus? Was gefällt Dir persönlich besonders an Deinem Job?

Evgeniya Ettinger: Das Schöne an meinem Job ist: Kein Tag ist wie der andere. Mein Fokus liegt einerseits natürlich auf der Weiterentwicklung meines Teams und der Teamdynamik, was für mich eine der spannendsten Aufgaben darstellt, anderseits ist es die Entwicklung des Geschäfts und die Erreichung der Umsatzziele. Dabei arbeiten wir eng mit unseren Kunden und Partnern zusammen, um Lösungen für ihre Herausforderungen zu entwickeln. Wir stimmen uns dafür eng mit diversen internen Abteilungen wie Business Development, Marketing und Produkt-Development ab. In kreativen Sessions entwickeln wir gemeinsam Ideen, übersetzen diese in technische Lösungen und pitchen sie entsprechend beim Kunden. Wir agieren in einem sehr dynamischen Umfeld, sind sehr international unterwegs und gestalten Zukunftsthemen wie Open Government oder Smart Cities aktiv mit. Das Schöne an der Gestaltung von Lösungen für den Public Sector ist zudem, dass man im Endeffekt auch selbst als Nutzer von diesen Lösungen profitiert. Die Vielfältigkeit von meinen Aufgaben und Möglichkeit, mein Team bei der Karriereentwicklung zu unterstützen, machen meine aktuelle Position für mich besonders spannend.

Welche Karriere-Tipp möchtest Du anderen Frauen mit auf den Weg geben?

Ettinger: Mein Tipp lautet: Denkt größer. Traut euch mehr zu und nehmt euch bewusst die Zeit, neue Themen und Aufgaben auszuprobieren. Zudem möchte ich einen Tipp weitergeben, den ich von einer meiner Mentorinnen erhalten habe: Schreibe sechs Wochen lang jeden Tag auf, was dir an deiner Tätigkeit besonders gefallen hat. In der Regel fallen einem doch eher tausend Dinge ein, die einem nicht gefallen. Ich glaube, dass diese Selbstreflektion hilft, sich nicht in einen Job rein zu zwingen, wo man vielleicht nicht richtig ist. Wer hingegen rausfindet, was er mag, wird automatisch gut, weil der Job dann einfach Spaß macht. Zudem sollte man das große Ziel immer vor Augen haben und sich sowohl Menschen suchen, die an einen glauben und die einen auf dem Weg ans Ziel unterstützen, als auch die von denen man viel lernen kann.

Mein Tipp lautet: Denkt größer. Traut euch mehr zu und nehmt euch bewusst die Zeit, neue Themen und Aufgaben auszuprobieren.


Du bist Teamlead des Oracle Women´s Leadership Deutschland und übst die Funktion ehrenamtlich aus. Warum ist dir Diversity persönlich wichtig?

Ettinger: Ich kenne sehr viele talentierte Frauen. Meine Motivation ist es, diesen Frauen Türen zu öffnen. Ich sehe sehr oft, dass vielen Frauen jemand fehlt, der an sie glaubt und ihnen das entsprechend spiegelt und Hilfestellungen anbietet. Zudem ist es für mich auch ein kulturelles Thema. Als Russin war es für mich schockierend, dass Frauenkarrieren in Deutschland tatsächlich ein Diskussionspunkt sind und dass Angebote fehlen, die Frauen ermöglichen, sowohl Karriere zu machen als auch ihr Familienleben zu gestalten. In meinem Kulturkreis war es eine wirtschaftliche Notwendigkeit, dass Männer und Frauen arbeiten und dass entsprechende Rahmenbedingungen wie kostenlose Schulen und Kindergärten – alles ganztags – existieren. Dies war die Normalität.

Ich wünsche mir, dass die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland geschaffen und ausgebaut werden, dass die Anzahl der Vorständinnen und Professorinnen steigt und dass Frauen in allen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Bereichen in Entscheidungspositionen präsent und stärker vertreten sind. Dazu möchte ich durch mein Engagement meinen Teil beitragen.

Ein Instrument für mehr Frauen in Entscheidungspositionen ist die Frauenquote. Wie stehst du persönlich dazu und wo stehen wir aus deiner Sicht im Bereich Frauen in Leadership?

EttingerNach meinem Empfinden stehen wir noch sehr weit am Anfang. Ich bin ich sehr froh, dass die Quote beschlossen wurde und dass die Diskussion da ist. Sie ist jedoch nicht neu, im Gegenteil sie wird schon sehr lange geführt. Einen wirklichen Fortschritt sehe ich jedoch erst, wenn es tatsächlich umgesetzt wird und Frauen wirklich überall sichtbar vertreten sind. Die Realität sieht aktuell anders aus, es ist immer noch „Wunschdenken“, dass wir irgendwann dahin kommen. Wenn wir uns anschauen, welche Unternehmen tatsächlich von der Einführung der Frauenquote betroffen sind, dann sind das dreißig Unternehmen – also eine sehr überschaubare Zahl. Dass dies sich ohne Quote nicht verändern wird, zeigen auch zahlreiche Statistiken der letzten Jahre.

Wenn wir uns anschauen, welche Unternehmen tatsächlich von der Einführung der Frauenquote betroffen sind, dann sind das dreißig Unternehmen – also eine sehr überschaubare Zahl


Welche Instrumente sind aus deiner Sicht denn noch geeignet, um mehr Vielfalt in Führungsetagen zu bekommen?

Ettinger: Zum einem ist die Quote ein guter Anfang, zum anderen sollten sich die Stakeholder sehr gut überlegen, welche Leadership-Kultur vorgelebt wird. Es ist essentiell Menschen in Führungspositionen zu bringen, die auch wirklich für das Thema Diversity stehen. Andernfalls wird es schwierig, die gläserne Decke zu durchbrechen. Bei Oracle haben wir seit Jahren eine weibliche CEO, die auch unsere Initiative Oracle Women´s Leadership (OWL) ins Leben gerufen hat. In Deutschland haben wir mit Stefanie Kemp seit Juni ebenfalls eine Frau als CEO. Der Country Lead bei Oracle Frankreich liegt ebenfalls in den Händen einer Frau. Mitunter ist man auch bei Oracle die einzige Frau im Meeting, hat jedoch nie das Gefühl, dass man jetzt deshalb irgendwelche Nachteile hätte. Diese Kultur wird stets von oben vorgelebt, sodass die Leute sich alle ausnahmslos mitgenommen fühlen und Diversität fest verankert und aktiv gelebt wird.


Wir geben dir jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen dich zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Handelsblatt, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würdest du zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Ettinger: Ich wünsche mir, dass wir uns beim Thema Diversity breiter aufstellen und nicht nur auf den Gender-Aspekt fokussieren. Daher widme ich den Artikel Role Models und Menschen, die aus anderen Herkunftsländen kommen oder die einen Quereinstieg geschafft haben und in Deutschland Karriere gemacht haben. Diese Menschen und ihre Erfolgsgeschichten müssen wir unbedingt sichtbarer machen. Denn wenn andere von diesen positiven Beispielen erfahren, werden sie zur Nachahmung animiert und sie trauen sich zu, einen ähnlichen Weg einzuschlagen, weil sie spüren, dass die Kultur in Deutschland dafür sehr offen ist.

Hattest Du selbst Vorbilder, die Dich inspiriert und/oder gefördert haben?

Ettinger: In der Tat gibt es sehr viele Frauen, die ich als Leader, als Mentor und als Mensch einfach unglaublich beeindruckend finde. Meine Oma war die erste Frau, die ich bewundert habe. Sie hat in der Sowjetunion als Mathematikerin an der Hochschule für Militär Karriere gemacht – ohne Parteizugehörigkeit. Das war eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Meine Oma hat mir beigebracht hat, dass man wissbegierig sein muss und in der Welt etwas Positives bewegen kann, dass es wichtig ist, Dinge einfach auszuprobieren und sich alles zuzutrauen sowie sich mit Leuten zu umgeben, die an einen glauben und nicht die Zweifel in einem spüren, sondern die das Gute sehen und andere motivieren. Im besten Falle hat jeder in seinem Umfeld so eine Person oder sogar mehrere davon.

In der Tat gibt es sehr viele Frauen, die ich als Leader, als Mentor und als Mensch einfach unglaublich beeindruckend finde.


Wenn ich diese Person noch nicht in meinem Umfeld habe, wie suche ich mir einen Mentor oder Mentorin?

Ettinger: Die meisten Menschen sind immer bereit und gewillt zu helfen. Man muss sich natürlich trauen einfach zu fragen. Mitunter mache ich das auch für mein Team. Ich spreche oft andere Manager an: „Ich habe jemand sehr Talentierten in meinem Team und ich glaube, Du wärst der richtige Mentor für diese Person, würdest du die Aufgabe übernehmen?“. Selten bekomme ich ein „Nein“ und sage selbst bei solchen Anfragen zu. Gerade wenn Mitarbeiter vielleicht schüchtern oder sich nicht sicher sind, wie und wen sie fragen können. In erster Linie ist es doch ein Lob an die potentiellen Mentoren, wenn ich sie um Tipps bitte. Das Größte ist für mich persönlich, wenn meine Mentees besser werden als ich und wenn ich sehe, wie sie sich entwickeln und Karriere machen.


Unsere Interview-Partnerin Agnes Heftberger, VP Sales IBM DACH, hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: Was können wir als Unternehmen der deutschen Wirtschaft tun, um dort wo die Challenge startet – nämlich in der Bildung – schon früh gleichberechtigte Rahmenbedingungen zu schaffen? Es wird ja stets an Politik und Strukturen verwiesen, aber was ist unser Beitrag als Wirtschaft dazu?

Ettinger: Sehr richtig, es ist nicht nur Aufgabe von Politik und Gesellschaft, sondern es sind auch wir als Wirtschaftsunternehmen dafür verantwortlich und müssen Unterstützung bieten, beispielsweise in Form kostenloser Bildungsangebote. Bei Oracle unterstützen wir Universitäten mit entsprechenden Programmen, in vielen Ländern sind wir auch im schulischen Bereich aktiv. Gerade in der IT-Branche müssen wir unser Wissen teilen und transparent machen, damit das Thema Digitalisierung von allen akzeptiert wird, damit wir Nachwuchskräfte finden und Mädchen ermutigen, zu uns zu kommen, um diverser zu werden. Dazu braucht es Kooperationen mit Bildungsträgern, Schulen und Universitäten sowie spezielle Angebote, die sich explizit an Mädchen richten wie beispielsweise Programmierkurse. Ich bin selbst kein Tekkie, sondern Juristin. Ich persönlich würde jedoch eher in eine Programmierklasse gehen, an der auch andere Frauen teilnehmen, weil die Hürde dann geringer ist. Daher ist das aus meiner Sicht ein guter Ansatz zu fragen: Was würde mich als Frau motivieren an derartigen Angeboten teilzunehmen und diese Gedanken in die Konzeption der Angebote einfließen zu lassen.


Wir möchten gerne auch Deine Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Deiner Sicht zu wenig Beachtung findet oder ein Herzensthema, das Dich umtreibt?

Ettinger: Diversity wird mir persönlich in Deutschland zu stark auf den Gender-Aspekt fokussiert und reduziert. Diversity umfasst ja viel mehr Dimensionen wie Herkunft, Alter, Skill-Set, Erfahrungen und Background. Karriere an sich wird in Deutschland aus meiner Sicht auch eher linear angedacht. Dabei muss die Karriereentwicklung nicht zwingend linear sein. Für einen bestimmten Zeitpunkt kann es okay und legitim sein zu sagen: Ich mache Aufgabe X, aber aufgrund unterschiedlicher Einflüsse, dem Ausprobieren von Neuem, dem Austausch mit anderen, wachse ich entsprechend weiter und damit aus meiner beruflichen Rolle heraus. Das heißt eben, dass ich jetzt nicht für immer und ewig verhaftet bin im meinem einmal eingeschlagenen Karriereweg und da womöglich mein Potenzial nicht umfassend ausschöpfen kann. Ich glaube, dass es für die Führungskräfte der Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen wird, unterschiedliche Bereiche gesehen und dort Erfahrungen gemacht zu haben. Dass es für Führungskräfte in unserer komplexen Welt vorteilhaft ist, so viele Bereiche wie möglich für sich abgedeckt zu haben und in unterschiedlichsten Teams und Konstellationen zusammen gearbeitet zu haben. Für diesen Aspekt wünsche ich mir ebenfalls mehr Aufmerksamkeit.


Welche Frage möchtest Du uns für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Ettinger: Meine Frage lautet: Wie können wir den deutschen Arbeitsmarkt und auch die deutsche Kultur für Arbeitskräfte aus dem Ausland attraktiver gestalten, um eben mehr Vielfalt und Innovationskraft zu gewinnen? Was kann jeder dazu konkret beitragen?


Herzlichen Dank für deine Zeit und das Interview!

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Im Gespräch mit Margit Stumpp, MdB, Sprecherin für Medien- und Bildungspolitik, Bündnis 90/ Die Grünen

Warum sind Ihnen die Themen „Frauen in Tech“ und „Frauen in Leadership“ persönlich wichtig?

Margit Stumpp (MdB): Frauen haben eine andere Perspektive, sowohl in Bezug auf Entwicklung als auch auf Anwendung. Das hat Auswirkungen: Ein simples Beispiel sind mechanische Komponenten, deren Abmessungen für Frauen manchmal schlicht zu groß sind oder Nutzeroberflächen, deren usability vom Alltag sehr weit entfernt sind. Hier sind noch viele Möglichkeiten ungenutzt, die Algorithmen für Individualisierung bieten, beispielsweise in der Medizin oder beim Marketing.

In Bezug auf Führung wissen wir inzwischen aus zahlreichen Studien, dass gemischte Teams erfolgreicher arbeiten und auch führen. Leider schließen Strukturen immer noch viel zu häufig Frauen und Minderheiten aus. Das konterkariert das Leistungsprinzip. Mich bewegen diese beiden Themen auch auf Grund meiner eigenen Biografie. In meinem Ingenieursstudium war ich eine Exotin und musste mir mehr als einen unqualifizierten Spruch anhören – weniger von Kommilitonen, mehr von Professoren. Das war befremdlich, zum Glück wusste ich mich zu wehren.

Das half mit allerdings in meiner beruflichen Karriere herzlich wenig. „Ich habe nichts gegen kompetente und selbstbewusste Frauen.“ Bei solchen Aussagen ist Alarmstufe „Rot“ angesagt. Heißt: Sie können was, aber sind mir zu kritisch/unbequem etc., Kollegen mit denselben Eigenschaften sind kreativ bzw. zielstrebig. Die weibliche Kompetenz nutzt man(n) gerne, aber befördert wird der Kollege.

Die Präsenz von Frauen in den MINT-Studiengängen oder in den dualen Ausbildungen und den Betrieben gibt mir nicht unbedingt das Gefühl, im Jahr 2021 zu leben. Da hat sich in den letzten 30 Jahren leider wenig verändert. Es ist allerhöchste Zeit, endlich überkommene Rollenmuster aufzubrechen und jungen Menschen die ganze Vielfalt zu ermöglichen – vom Erzieher bis zur Physikerin, vom Hausmann bis zur Vorstandsvorsitzenden. Männer und Frauen – und damit unsere ganze Gesellschaft – gewinnen, wenn die privaten und beruflichen Möglichkeiten für niemanden eingeschränkt werden.

Welchen Karriere-Tipp möchten Sie anderen Frauen mit auf den Weg geben?

Stumpp (MdB): Nicht abschrecken lassen! Vielleicht hatte ich das Glück, auf dem Hof meiner Eltern als älteste von vier Töchtern selbstverständlich bei allen Tätigkeiten mit herangezogen zu werden. So habe ich erst relativ spät vermeintliche Mädchen- und Jungen-Kategorien kennengelernt, die für mich dann auch nie zur Orientierung wurden.

Wir sollten alle jungen Menschen darin bestärken, die unterschiedlichsten Lebensbereiche kennenzulernen, oft mangelt es ja schon daran, und ihren Interessen und Fähigkeiten unvoreingenommen nachzugehen. Dafür müssen wir politisch Verantwortlichen dann auch die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, etwa was Bezahlung, Wertschätzung oder Vereinbarkeit angeht.

Wir sollten alle jungen Menschen darin bestärken, die unterschiedlichsten Lebensbereiche kennenzulernen.

Laut einer Umfrage von eco in Kooperation mit dem Meinungsforschungsinstituts Civey sind über 70 Prozent der Befragten unzufrieden mit den aktuellen Angeboten im Bereich der digitalen Bildung. Nun sind in diesem Jahr auch Bundestagswahlen. Wie sehen die Pläne Ihrer Partei im Bereich Digitale Bildung für die kommende Legislaturperiode aus?

Stumpp (MdB): Wir merken in der Pandemie schmerzlich, was in den Jahren und Jahrzehnten zuvor versäumt wurde, nämlich die Schulen für des Lernen und Lehren in der Zukunft auszustatten und zu befähigen. Natürlich kann eine noch vollständig analoge arbeitende Schule nicht von heute auf morgen auf digitalen Fernunterricht umgestellt werden. Das erzeugt selbstverständliche Unzufriedenheit und Überforderung auf allen Seiten, zumal in einer Krise.

Ich habe bereits vor der Pandemie eine Bundeszentrale für digitale und Medienbildung konzipiert, mit der Lehrkräfte und Interessierte eine niederschwellige Anlaufstelle haben, wo sie qualitätsgeprüftes und damit vertrauenswürdiges Material finden, auch zu Anwendung im Unterricht.

Mit unserer Zustimmung zur Grundgesetzänderung haben wir den Digitalpakt Schule mit ermöglicht, mussten dann aber feststellen, dass er schlecht gemacht wurde: zu geringe Mittel, fehlende Nachhaltigkeit und der nicht nachvollziehbare Verzicht auf IT-Personal. Hier wollen wir mit einem Digitalpakt Plus nachlegen und substantiell weiterkommen. Dazu gehört auch ein dauerhafter Beitrag des Bundes, damit vor allem die Kommunen nicht über Gebühr mit den Folgekosten belastet werden.

Neben einer didaktischen Ausrichtung der Digitalisierung brauchen alle Schulen ein digitales Fundament etwa aus Breitband, WLAN, Endgeräten, Fortbildungen, Mailadressen oder Lernplattformen, um überhaupt am digitalen Lernen partizipieren zu können.

Wir möchten Sie gerne zu einem Gedankenexperiment einladen: Wenn Sie  Bundes-Bildungsministerin wären – wie sähe Ihre erste Amtshandlung für die digitale Bildung von Kindern und insbesondere Mädchen aus?

Stumpp: Ich habe bereits während meiner Schulzeit programmiert und schon vor Jahrzehnten das Fach „Grundlagen der Informationstechnik“ unterrichtet. Inzwischen gibt es in diversen Bildungsplänen das Pflichtfach Informatik, einen ganzheitlichen Ansatz zur Vermittlung „digitaler“ Kompetenzen halte ich für zielführender. Informatische Bildung umfasst viel mehr als Programmieren. Wir brauchen ein Selbstverständnis von digitaler und Medienbildung, das von der Kita bis zum lebensbegleitenden Lernen reicht. Ob es dafür ein Fach Informatik braucht oder man eher einen Querschnittsansatz wählt, ist zweitrangig. Wichtig ist, Zukunftskompetenzen zu vermitteln, damit Jungen und Mädchen kompetent und kritisch ihr Leben bestreiten und die Welt von morgen mitgestalten können.

Eine Bundesbildungsministerin hat keinen Einfluss auf Bildungspläne. Aber sie muss die Zusammenarbeit mit den Kultusminister*innen der Länder pflegen und Anreize schaffen. Es ist wichtig, dass wir Bildungspolitik wieder als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstehen, das heißt Bund, Länder und Kommunen sollten gemeinsam für beste Bildung und gerechte Zukunftschancen an einem Strang ziehen.

Informatische Bildung umfasst viel mehr als Programmieren. Wir brauchen ein Selbstverständnis von digitaler und Medienbildung, das von der Kita bis zum lebensbegleitenden Lernen reicht.


Mädchen und Frauen sind in den MINT-Bildungsangeboten und Berufen aktuell unterrepräsentiert. Sie haben u. a. ein Ingenieurstudium an der Fachhochschule Ulm absolviert, als Applikationsentwicklerin gearbeitet und waren Lehrerin an der HEID TECH Berufsschule in Heidenheim. Woher rührt Ihre Begeisterung für Tech und wie kann es uns gelingen, mehr Mädchen und Frauen für MINT zu begeistern?

Stumpp (MdB): Ich habe Technik immer als Mittel gesehen, um eine Aufgabe leichter und schneller zu erledigen. Technik als Mittel zum Ziel. Das ist bis heute so. Technik hat die schwere Arbeit auf dem Bauernhof übernommen, Technik erleichtert den Kontakt zu Menschen, egal ob durch bessere Mobilität oder vielfältige Kommunikation. Außerdem hilft uns Wissenschaft und Technik besser und auch ressourcenschonender zu leben. Wir werden die Klimakrise nur eindämmen und mit den Folgen umgehen können, wenn wir die entsprechenden Technologien entwickeln. Wir haben z.B. 1991 die erste netzeinspeisende Photovoltaikanlage auf unser Reihenhausdach montiert.


Claudia Pohlink, Head of AI und Machine Learning, T-Labs, hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: Was mich wirklich umtreibt, ist die Frage: Warum haben wir in Deutschland in der Wirtschaft im Top-Management einen so geringen Anteil an Frauen im Vergleich zu anderen Ländern? Wir haben seit 16 Jahren eine Kanzlerin, Ursula von der Leyen ist Präsidentin der Europäischen Kommission. Wir haben eine hohe Anzahl an weiblichen BWL-Studentinnen. Warum schlägt sich das im Top-Management deutscher Konzerne nicht nieder? Und was machen andere Länder besser als wir?

Stumpp (MdB): Die Antwort darauf ist natürlich sehr komplex und betrifft viele Stellschrauben, an denen wir drehen müssen. Ich möchte drei nennen, die aus meiner Sicht wesentlich sind:

Kaum irgendwo ist das Rollenklischee „Frau und Technik, Welten treffen aufeinander“ so verbreitet wie in Deutschland. Frauen haben zwar während und nach dem Krieg „ihren Mann gestanden“. Aber nur, so lange Männer fehlten. Als sie zurückkehrten, wurden die Frauen an den Herd geschickt. Denn in der Wirtschaftswunderzeit gehörte es zum Wohlstandsbild, dass Frauen nicht arbeiten „mussten“ und sich um Haus und Kinder kümmern sollten. Dieses Bild wirkt bis heute nach.

Deswegen sind wir beim Thema Vereinbarkeit und Familie und Beruf immer noch im Rückstand. Wenn wir beispielsweise in die skandinavischen Länder schauen, sehen wir zum einen, dass Care-Arbeit gleichberechtigter zwischen den Geschlechtern aufgeteilt ist. Und das führt zum zweiten dazu, dass beispielsweise Führung in Teilzeit wesentlich ausgeprägter oder der Präsenzfetisch weniger stark ist.

Außerdem brauchen wir mehr weibliche Vorbilder. Ich wage die These, dass Mädchen und junge Frauen, die Angela Merkel, Kamala Harris oder Luisa Neubauer wahrnehmen, viel selbstverständlicher ähnliche Positionen anstreben oder wenigstens nicht vor ihnen zurückschrecken.

Bis wir tatsächliche Gleichberechtigung erreichen, brauchen wir die Quote. Als junge Frau habe ich die entschieden abgelehnt, auf Grund meiner Erfahrungen aber meine Meinung dazu inzwischen geändert. In unserer Bundestagsfraktion sind mehr als die Hälfte der Abgeordneten Frauen, was ich sowohl gleichstellungspolitisch als auch für die Qualität der parlamentarischen Arbeit als Gewinn sehe. Das ist Ergebnis unseres Frauenstatuts. Wir sorgen auch mit quotierten Redelisten dafür, dass alle zu Wort kommen, nicht nur die Lauten und Vorschnellen.

Wir möchten auch gerne Ihre Aspekte in die Debatte rund um Diversity und Gender einbringen. Gibt es aus Ihrer Sicht einen Aspekt, der bisher zu kurz kommt? Welche Frage möchten Sie uns in diesem Kontext für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Stumpp (MdB): Oft wird Gleichberechtigung mit „Gleichmacherei“ und „Gleichartigkeit“ assoziiert, nicht mit „Gleichwertigkeit“. Das beraubt uns der vielfältigen Perspektiven. Gerade beim Thema „Frauen und Technik“  zeigt sich das.

Wie erreicht man Wertschätzung unabhängig von Herkunft und Geschlecht? Natürlich durch Bildung, Vorbilder, Sichtbarkeit; aber welche Ideen gibt es außerdem, die unfassbar festen Rollenvorstellungen zu durchbrechen? Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit Gleichberechtigung gerade in der Arbeitswelt einen großen Schritt weiter kommt?

Oft wird Gleichberechtigung mit „Gleichmacherei“ und „Gleichartigkeit“ assoziiert, nicht mit „Gleichwertigkeit“.


Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihr Mitwirken in unserer Interview-Reihe!

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Schreiben Sie bei Interesse gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de