INTERVIEW

Im Gespräch mit Michael Krause

Michael Krause übernahm Anfang März 2021 die Position als General Manager Europe bei Spotify. Neben seiner Tätigkeit als General Manager für die DACH-Region verantwortet Krause die Spotify Geschäftsfelder in den Regionen Nordics, Großbritannien und Irland, Frankreich und Benelux, Süd- und Osteuropa sowie in Russland, den CIS- und GUS-Staaten. 



Zum Jahresbeginn setzen sich ja viele Menschen neue Ziele und gute Vorsätze, wie lauten Ihre als Europa-Chef von Spotify?

Michael Krause: Bei Spotify arbeiten wir natürlich mit einer ganzen Reihe an OKRs, die wir uns für das Jahr setzen und planen. Mich beschäftigen in meiner Position natürlich die übergreifenden Ziele der Firma und wie wir die globalen Ziele auf die europäischen Märkte runterbrechen. Europa ist eine sehr vielfältige Region und daher sind die Ziele pro Land natürlich sehr unterschiedlich. In Russland sind wir erst seit gut einem halben Jahr am Markt demgegenüber stehen Märkte wie Schweden, wo wir sehr etabliert sind. Neben klassischen Business-Zielen, was wir im jeweiligen Markt anhand von harten Zahlen, Daten und Fakten erreichen wollen. Darunter fallen auch Ziele wie wir den Anteil von Künstlerinnen in unseren Playlists erhöhen oder „People Goals“: d. h., wie zufrieden sind unsere Mitarbeiter:innen oder wie divers sind wir aufgestellt?

Privat wie beruflich möchte ich im Bereich Diversity weiter ein starker Ally sein und wissen, was ich noch besser machen kann. Zudem habe ich eine neue Band gegründet und wünsche mir ein bisschen mehr Zeit fürs Proben.

Sie haben eine sehr beeindruckende Karriere gemacht. Wenn ich mich jetzt durch das Interview inspiriert fühle einen ähnlichen Weg einzuschlagen: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? Und was muss man für den Job unbedingt mitbringen?

Krause: Generell ist es bei Spotify so, dass wir sehr viele verschiedene Profile haben, verschiedene Märkte und verschiedene Aufgabenbereiche, die ganz verschiedene Anforderungen mit sich bringen. Wir stellen auch verstärkt Menschen ein, die jetzt nicht so den klassischen Lebenslauf haben, aber eine ganz große Leidenschaft für ein Thema mitbringen. Leidenschaft und Neugier haben meine eigene Karriere extrem stark befördert, zudem hatte ich immer ein großes Interesse an Musik und Technik.

Unsere Aufgabe als Geschäftsführer:innen der Länder ist es, die globale Vision in den Märkten zu verwirklichen. Das umfasst viele Entscheidungsprozesse und das Challengen von Ideen im Austausch mit den Geschäftsführer:innen. Mein Job ist grundsätzlich sehr vielseitig und abwechslungsreich. Kein Tag ist wie der andere. Um einmal ein konkretes Beispiel zu nennen: Als wir uns entschieden haben mit Spotify auch in den Audioentertainment- und Podcast-Bereich reinzugehen, war es natürlich die Aufgabe zu schauen, welche Podcast, welche Themen sind in welchen Märkten der beste Ansatz? Wo können wir da einen Unterschied machen? Wo können wir dafür spannende Inhalte für unsere Hörer:innen finden und die entsprechenden Leute unter Vertrag nehmen?

Deutschland ist seit jeher ein sehr audioaffiner Markt. Was ist Ihre Prognose für den Audiomarkt? Welche Trends und Themen sollte man 2022 unbedingt auf dem Schirm haben?

Krause: Generell ist Deutschland ein sehr audiophiler Markt. Bei Spotify konnten wir im Podcast-Bereich mit „Fest & Flauschig“ schon sehr früh riesige Erfolge feiern. Deutschland ist auf jeden Fall auch weltweit inspirierend für unsere Strategie. Hörspiele sind beispielsweise auch ein klassisch deutschsprachiges Phänomen. Das gibt es in der Form in keinem anderen Land der Welt. Was wir bei Spotify verstärkt forcieren ist, verschiedene Audio-Erlebnisse miteinander zu kombinieren, also zum Beispiel Mixed Media-Playlists mit Podcasts, Musik, Interviews, aber auch weiteren Audio-Situationen zu kombinieren.

Mehr Interaktion und Engagement sind für uns auch zentrale Themen: Wir haben dazu eine ganze Reihe an Features gelauncht, um beispielsweise Podcasts zu folgen, Podcasts zu bewerten oder Notfications zu erhalten, wenn eine neue Podcast-Folge online ist. Werbekunden können in Podcasts verschiedene Call-to-Actions zur Produktplatzierung und Vermarktung einsetzen. Mit Greenroom haben wir ein ganz spannendes Tool am Markt, mit dem man Live Audio-Gespräche aufsetzen und sie im Nachhinein als Podcast verfügbar machen kann. Im gesamten Audio-Bereich ist in jeden Fall noch viel Spannendes zu holen. Podcasts sind natürlich auch weiterhin sehr stark wachsend.

Mit Greenroom haben wir ein ganz spannendes Tool am Markt, mit dem man Live Audio-Gespräche aufsetzen und sie im Nachhinein als Podcast verfügbar machen kann. Im gesamten Audio-Bereich ist in jeden Fall noch viel Spannendes zu holen. Podcasts sind natürlich auch weiterhin sehr stark wachsend.

Haben Sie in Richtung Podcast noch einen Trend, wo Sie sagen, das sind vielleicht auch Themen, die jetzt besonders gefragt sind?

Krause: Die drei erfolgreichsten Kategorien sind sicherlich Entertainment, News und True Crime, die sehr stark wachsen und wo auch immer wieder neue Formate hinzukommen. Ein weiterer Trend sind Formate mit YouTubern und großen Influencern aus dem Bewegtbild-Bereich, da haben wir sehr viele neue spannende Formate ins Leben gerufen. Es gibt im Podcast-Bereich sicherlich auch noch einige Nischen, die noch nicht besetzt sind. Podcasts sind von der Expertise sozusagen der Ersatz zum Sachbuch, wo sich Inhalte und Expertise sehr glaubwürdig und weit verbreiten lassen. Generell lässt sich sagen, es ist nach wie vor sehr viel Bewegung im Markt und noch viel Luft nach oben, um neue Inhalte zu gestalten.

Spotify hat eine starke Vorbildfunktion im Bereich Diversity & Inclusion. Was machen Sie bei Spotify im Bereich Diversity anders und wie lautet Ihr Ratschlag an Tech-Unternehmen, die Diversität erst jetzt auf hre Agenda setzen?

Krause: Was es als Erstes braucht, ist eine gewisse Messbarkeit. Zum Start ist es erstmal wichtig den Status quo zu messen und ein klares Ziel zu definieren: Wo stehen wir gerade im Bereich Diversity und Gender? Wo kommen wir her und wo wollen wir hin? Genauso wichtig ist aus meiner Sicht, dass ein Vorstand, der CEO oder ein Gründer, da voll dahinter steht und das Thema treibt. Da ist bei unserem Gründer Daniel Ek in jedem Fall spürbar. Wir haben bei uns ein Team, das sich in Vollzeit hauptberuflich um das Thema Diversity kümmert und Impulse und Maßnahmen einbringt.

Wenn ich den Anspruch habe, mit einem Produkt so viele Kund:innen wie möglich zu erreichen, dann ist es nachgewiesenermaßen gut, wenn man heterogen aufgestellt ist, damit man eben alle Aspekte und Perspektiven entlang der Customer Journey und dem gesamten Produktzyklus berücksichtigen kann. Es ist wirtschaftlich sinnvoll, Diversity zu haben und das Bewusstsein dafür muss bei allen vorhanden sein. Unconscious Bias Trainings, Weiterbildung und persönliches Wachstum müssen wirklich gefördert werden. Es muss allen Kolleg:innen bewusst sein, was der Status quo ist und wo man sich da bewegt, damit Diversity vom Employer Branding über die interne Kommunikation bis zur Kundenkommunikation gelebt und durchgezogen wird. Wenn das Bewusstsein dafür im gesamten Unternehmen vorhanden ist, wird das ein ganz natürlicher Prozess und es kommt zum großen Durchbruch, dann fallen noch viele andere Sachen von alleine auf.

Wenn ich den Anspruch habe, mit einem Produkt so viele Kund:innen wie möglich zu erreichen, dann ist es nachgewiesenermaßen gut, wenn man heterogen aufgestellt ist, damit man eben alle Aspekte und Perspektiven entlang der Customer Journey und dem gesamten Produktzyklus berücksichtigen kann.

Diversity ist auch häufig reiner Imagefaktor. Wie hole ich Executives auf C-Level als Sponsor ins Boot, damit ich Budget bekomme und Diversity wirklich gelebt wird?

Krause: Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass ein diverses Team immer erfolgreicher sein wird als ein homogenes. Daher lässt sich aus meiner Sicht jeder Vorstand relativ schnell überzeugen, dass es sich wirtschaftlich auf jeden Fall lohnt in Diversity zu investieren. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass Diversity für das ganze Thema Employer Branding unerlässlich ist. Wenn man gute, junge Talente gewinnen will, wird den Unternehmen schnell klar werden, dass sie sich in diese Richtung positionieren müssen. Das ist aus meiner Sicht ein Prozess, der sich nach und nach durch alle Firmen und Geschäftsbereiche ziehen wird. Wenn man es dann noch schafft, die Kollegen aus der Führungsetage in ein Training miteinzubeziehen, wo ihnen selbst bewusst wird, was sie für Vorteile in der Geschäftswelt hatten und im Zweifel immer noch haben, dann würde mich schon sehr wundern, wenn dann die Akteure in dem Bereich sagen: „Ja, aber das ist doch voll okay.“ Ich erlebe als Geschäftsführer in dem Fall die männliche Seite schon eher als kompetitiv und ich glaube, keiner möchte sich gerne sagen lassen oder kann dann so richtig gut damit leben, wenn er weiß, dass er da echt nur einen sehr großen und unfairen Vorteil gehabt hat, den man einfach ausgenutzt hat – ohne das jetzt absichtlich zu machen –  einfach, weil es so in der Gesellschaft verankert ist.

Ich erlebe als Geschäftsführer in dem Fall die männliche Seite schon eher als kompetitiv und ich glaube, keiner möchte sich gerne sagen lassen oder kann dann so richtig gut damit leben, wenn er weiß, dass er da echt nur einen sehr großen und unfairen Vorteil gehabt hat, den man einfach ausgenutzt hat – ohne das jetzt absichtlich zu machen – einfach, weil es so in der Gesellschaft verankert ist.

Sie gendern selbst bei Vorträgen oder in Podcasts auch im Mündlichen. Gerade gendern polarisiert ja sehr stark. Was war die blödeste Stammtischparole oder der dümmste Kommentar im Kontext Diversity oder Gendern, den Sie je gehört/gelesen haben?

Krause: Gendern ist ein stark kontrovers diskutiertes Thema, nicht nur in den Medien. Es gibt verschiedene Akteure – tendenziell eher weiße, ältere Männer, – die dann sagen: Das ist doch alles gaga und so. Ich habe das auch schon im engen Freundeskreis erlebt. Dieses dagegen Wettern zeigt ja eigentlich nur eine Angst vor Veränderung oder vor dem Verlust von Privilegien.

Es ist einfach nachgewiesen, dass eine gendergerechte Sprache für die Gesellschaft ganz viele Vorteile bringt. Wenn bei einer Berufsbezeichnung beispielsweise stets nur die männliche Form verwendet wird, dann manifestiert sich in den Köpfen und im Unterbewusstsein, dass dieser Beruf eben nur von Männern ausgeübt wird. Ich finde mindestens jeder, der selber eine Tochter oder Kinder hat, sollte das zumindestens sehen und versuchen etwas zur Veränderung beizutragen. Zugegeben, am Anfang ist Gendern vielleicht ein bisschen anstrengend und ungewohnt, aber für den Mehrwert, den es der Gesellschaft bringt, kann man das doch zumindest versuchen. Wenn wir es einfach konsequent machen, wird es für die nächste Generation einfacher sein, weil die dann schon damit groß werden und dann können alle anderen es vielleicht zumindest akzeptieren. Das wäre auch schon okay.

Im OMR 50:50 Podcast haben Sie sinngemäß gesagt: Man muss raus aus der eigenen Bubble. Ein sehr interessanter und wirksamer Aspekt, der vielleicht mitunter auch an der Umsetzung oder an Bequemlichkeit scheitert. Daher ganz konkret: Welcher Frau haben Sie zuletzt Ihr Netzwerk geöffnet. Oder: Welche Person haben Sie zuletzt getroffen, die nicht aus ihrer Bubble kommt, die Sie inspiriert hat? Wie kam es dazu?

Krause: Es ist schon oft so, wenn wir eine Stelle ausschreiben, dass dann über LinkedIn gleich 50 Nachrichten aus dem eigenen Netzwerk kommen. Das zeigt ja, wie sehr das in den Köpfen auch manifestiert ist und wie häufig eben nach dem Ähnlichkeitsprinzip eingestellt wird. Wenn man sich selbst hinterfragt und schaut, mit wem man die meiste Zeit verbringt, dann sind das oft Menschen, die sehr gleich denken, ähnliche Erfahrungen und Lebenswege haben und gleich sozialisiert sind. Damit verliert man natürlich ein Stück weit Chancen und fördert zugleich, dass patriarchalische männliche Strukturen erhalten bleiben.

Ein gutes konkretes Beispiel, der nicht aus einem Netzwerk kommt, aber mich sehr inspiriert, ist unsere neue Head of Music DACH bei Spotify, Conny Zhang. Sie ist eben kein Urgewächs der Musikindustrie mit zig Jahren an Erfahrung bei diversen Labels, sondern kommt von Google. Sie leitet jetzt den kompletten Musikbereich, inklusive der Playlisten, sowie die Zusammenarbeit mit Künstler:innen und Labels. Ich sehe jetzt, wie toll es ist, wenn jemand quasi so unvoreingenommen darauf guckt und einfach ganz sachlich-fachlich sagt: Was ist wichtig für die Musik? Was ist wichtig für Spotify? Was ist wichtig für die Kultur, die wir haben und die Labels? Sie findet da sehr gute Wege, das auszubalancieren.

Wenn Sie selbst einen Podcast im Kontext Diversity hosten würden: Wen laden Sie ein und worüber sprechen Sie?

Krause: Es gibt natürlich eine ganze Reihe toller Künstler:innen und Podcaster:innen, die sich für Diversity stark machen. Ein Beispiel, was mir da direkt einfällt, weil ich es immer wieder faszinierend finde, ist der Podcast von Tupoka Ogette. Tupoka hat einen sehr guten Ansatz gefunden, auf eine unbequeme, aber sehr erleuchtende Art, Alltagsrassismus und strukturellen Rassismus bewusst zu machen, nicht nur in ihrem Podcast, sondern auch in ihrem Buch „Exit racism“.

Unsere CPO Lucia Falkenberg hat uns folgende Frage für unseren nächsten Interview-Partner mitgegeben: Was war der beste Rat, den Sie je bekommen haben und was empfehlen Sie heute Ihrer Tochter oder Schwester? (ggf. Nichte, Freundin oder andere weibliche Bezugsperson)

Krause: An meine Tochter genauso wie an meinen Sohn möchte ich weitergeben: „Du bist gut genug und du bist gut so wie du bist.“ Ein Merksatz, der Selbstzweifel oder Unsicherheiten nimmt, ist einfach sehr hilfreich und wichtig. Ich sehe das ganz häufig, dass sich ganz viele Kolleg:innen aus der Branche fragen: Bin ich gut genug? Reicht das jetzt? und so weiter. Es ist schon krass, wenn man schon bei Teenagern gefühlt wahrnimmt, dass das bei Mädchen häufiger der Fall ist als bei Jungs.

An meine Tochter genauso wie an meinen Sohn möchte ich weitergeben: „Du bist gut genug und du bist gut so wie du bist.“ Ein Merksatz, der Selbstzweifel oder Unsicherheiten nimmt, ist einfach sehr hilfreich und wichtig.

Sie haben in diesem Kontext auch einmal sinngemäß gesagt: Männliche Musiker kommen und sagen: „Ich habe den Hit des Jahrhunderts geschrieben und die Frauen sagen: Guck mal, kannst du dir das mal anhören, was muss ich da noch mastern? Haben Sie eine Idee, wie wir etwas daran ändern können, dass Frauen und Mädchen im Allgemeinen stärker an sich zweifeln?

Krause: Ich glaube, das ist ein strukturelles Problem und fängt bereits im Kindergarten an. Ich weiß nicht, ob sich ein Lösungsansatz jetzt auf zwei, drei Schlagworte reduzieren lässt. Um beim Jobbeispiel zu bleiben, hilft es schon, Projekte oder Beförderungen eben nicht nach dem Prinzip zu vergeben: Wer kann, wer will oder wer schreit am lautesten. Viel mehr heißt es, genau zu schauen, was sind denn fachlich-sachliche Themen, die jetzt die verschiedenen Kandidatinnen unterscheiden? Oder den weiblichen Kolleginnen entsprechend Mut zuzusprechen. Zu sagen: Du hast die und die Projekte erfolgreich geleitet. Ich traue dir das zu! Also Mut zusprechen und das Ganze ein bisschen versachlichen und sich eben auch bewusst machen, wenn Frauen eher zweifeln als Männer, dass das dies auch mit ihrer Sozialisation zu tun hat.

Welche Frage möchten Sie uns für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Krause: Meine Frage lautet: In welcher Situation hast du dich zuletzt konkret für mehr Diversity eingesetzt?

Vielen herzlichen Dank für das Interview.



Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Schreiben Sie bei Interesse gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de