Christine Serrette ist seit November 2021 technische Vizedirektorin des Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund), welches seit Kurzem offizieller Unterstützer unserer #LiT – Ladies in Tech Initiative ist. Sie setzt sich dafür ein, noch mehr Frauen für eine Karriere in der Informationstechnik zu begeistern.
Wie gestaltet sich Ihr Arbeitsalltag als technische Vizedirektorin beim Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) und was ist das Spannendste und Schönste an Ihrem Job?
Christine Serrette: Die Arbeit für das ITZBund ist sehr spannend und vor allem vielfältig. Unsere Aufgabe als IT-Dienstleister des Bundes ist es, die Digitalisierung der gesamten Bundesverwaltung voranzutreiben. Cloud Computing in all seinen Facetten fasziniert mich besonders und die Digitalisierung zeigt, welch hoher Bedarf nach skalierbaren IT-Anwendungen, wie sie die Cloud ermöglicht, besteht. Mit der von uns aufgebauten Bundescloud leisten wir zudem einen wichtigen Beitrag, die digitale Souveränität mit moderner Technik und innovativen Methoden mitzugestalten. Zudem wird uns in den kommenden Jahren das Thema Nachhaltigkeit bzw. Green IT stark beschäftigen. – Sie sehen, wir haben wichtige Themen mit starker politischer Außenwirkung auf der Agenda.
Sie haben in einem Interview sinngemäß einmal gesagt, es gab in Ihrer beruflichen Laufbahn eine geflügelte Begrüßung „Guten Morgen, Frau Serrette. Guten Morgen, meine Herren“. Was sind Ihre Erfahrungen aus der Arbeit in einem männerdominierten Umfeld? Und wo stehen wir aus Ihrer Sicht heute im Bereich Frauen in Tech?
Serrette: Ja, ich kenne das Gefühl sehr gut, die einzige Frau im Raum zu sein. Das hat sich zum Glück mittlerweile gebessert. Der Frauenanteil im ITZBund liegt aktuell bei rund 33 Prozent, das Durchschnittsalter der Mitarbeiterinnen beträgt 43 Jahre. Interne Programme wie „Führen in Teilzeit“ ermöglichen es Frauen aber auch Männern, die Familie und die Karriere zu vereinbaren. Ich sehe uns also auf einem guten Weg.
Noch immer entscheiden sich nur wenige Mädchen für MINT-Fächer und Frauen für eine Karriere in der IT. Ursächlich sind mitunter auch tradierte Rollenklischees und Glaubensätze. (z.B. gemeint sind Stereotype/Klischees wie Frauen und Mädchen sind technisch nicht begabt, Mädchen können kein Mathe, Frauen sind im Beruf zu emotional usw.) Was können Wirtschaft, Politik und Gesellschaft tun, um diesen entgegenzuwirken und mehr Mädchen und Frauen für IT und Tech zu begeistern?
Serrette: Wir müssen damit beginnen, alte Rollenbilder aufzubrechen und Mädchen für die Digitalisierung zu begeistern. Das fängt bei der Erziehung an und geht in der Grundschule weiter. Wir müssen Mädchen und junge Frauen darin bestärken, dass sie alles können und auch Technik etwas für Mädchen ist. Dafür brauchen wir auch mehr Vorbilder in unserer Gesellschaft. Programmiererin als typischer Frauenberuf – warum nicht? Es geht aber auch darum, Mädchen darin zu bestärken und nicht klein zu machen, wenn sie ein gutes mathematischen und technisches Verständnis haben. Dazu arbeitet das ITZBund eng mit Hochschulen zusammen und versucht mit Praktika oder beim Girl’s Day frühzeitig das Interesse junger Frauen an der IT zu gewinnen.
Wie lautet Ihr Karriere-Tipp an Frauen?
Serrette: Setzen Sie auf Networking! In einem starken Netzwerk profitieren Sie von der Erfahrung und dem Know-how anderer, die bereits dort sind, wo Sie hinwollen. Ein gutes Netzwerk kann zudem Türen öffnen, die einem ansonsten verschlossen bleiben würden. Bleiben Sie vor allem neugierig – im positiven Sinne – und offen für aktuelle Entwicklung und Innovationen. Was gestern erfolgreich war – muss nicht zwingend auch zukünftig von Erfolg gekrönt sein.
Was sind aus Ihrer Sicht die Top3 Argumente, warum Frauen sich für eine Karriere in Tech entscheiden sollten?
Serrette: Die Digitalisierung bietet viele abwechslungsreiche Aufgabenfelder – man denke nur an die Entwicklung künstlicher Intelligenz oder das Thema Cybersecurity – mit großem Gestaltungsspielraum und enormen Aufstiegschancen. Dennoch sind nur knapp 17 Prozent der Beschäftigten in der deutschen IT-Branche Frauen. Deshalb wollen wir gerade Frauen zur aktiven Teilhabe an der Gestaltung der digitalen Transformation ermutigen.
Die Pandemie hat die Defizite im Bereich der digitalen Bildung schonungslos offengelegt. Was wünschen Sie sich als Führungskraft und als Mutter für die digitale Bildung von Kindern?
Serrette: Wer die digitale Transformation mitgestalten und im digitalen Raum selbständig agieren möchte, muss über digitale Souveränität verfügen. Digitale Souveränität ist wesentliche Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe, die aktuelle und zukünftige Wettbewerbsfähigkeit – und damit auch für unseren Wohlstand. Digitale Bildung ist der Schlüssel zur Partizipation in der digitalen Welt. Daher muss das Bildungswesen in Deutschland – von den Schulen angefangen bis hin zur beruflichen Weiterbildung – agiler und flexibler werden. Corona war hier sicherlich auch ein Treiber und Beschleuniger, es hat sich doch schon viel in den letzten zwei Jahren bewegt. Digitale Lernangebote müssen zum gelebten Standard werden. Voraussetzung dafür sind weitere Investitionen in die Digitalisierung der Schulen. Oftmals sind die Kinder weiter als ihre Lehrer, hier muss dringend eine Anpassung in der Ausbildung der Lehrer stattfinden.
Im Rahmen unserer Interview-Reihe haben wir jüngst mit Michael Krause, Europa-Chef bei Spotify, gesprochen. Er hat uns folgende Frage für die nächste Interview-Partnerin mitgegeben: In welcher Situation haben Sie sich zuletzt konkret für mehr Diversity eingesetzt?
Serrette: Um gelebte Diversität beim ITZBund am Arbeitsplatz zu fördern, haben wir ein Queeres Netzwerk für die Beschäftigten eingerichtet. Damit wollen wir einen Beitrag für eine vielfältige und offene ITZBund-Kultur leisten.
Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung findet oder ein Herzensthema, das Sie umtreibt? Welche Frage möchten Sie uns in diesem Zusammenhang für die nächste Interview-Partner:in mitgeben?
Serrette: Ich erlebe es heute immer noch, dass Männer untereinander reden, wenn deutlich ist, dass sie in der Mehrzahl sind und es um technische Themen geht. Wie können wir gemeinsam dieses Verhalten aufbrechen?
Lieben herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Frau Serrette!
Wir müssen damit beginnen, alte Rollenbilder aufzubrechen und Mädchen für die Digitalisierung zu begeistern. Das fängt bei der Erziehung an und geht in der Grundschule weiter.
Setzen Sie auf Networking! In einem starken Netzwerk profitieren Sie von der Erfahrung und dem Know-How anderer, die bereits dort sind, wo Sie hinwollen.
Wer die digitale Transformation mitgestalten und im digitalen Raum selbständig agieren möchte, muss über digitale Souveränität verfügen.
Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Schreiben Sie bei Interesse gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de