Im Gespräch mit Claudia Pohlink, Head of Artificial Intelligence und Machine Learning, T-Labs

Als Head of Artificial Intelligence und Machine Learning bei den T-Labs, der Einheit für Forschung und Entwicklung bei der Telekom, beschäftigst du dich mit deinem 20-köpfigen Team (inkl. Studenten und Azubis) u. a. mit der Nutzung von KI im Bereich Cyber Security, Quantum Tech und in der Automation von Netzwerken. Wie sieht dein Arbeitsalltag aus und was gefällt dir ganz besonders an deinem Job?

Claudia Pohlink: Bei den T-Labs sind wir so eine Art Brückenbauer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Wir agieren als Tech-Scouts. Dazu gehört z. B. die Identifikation von Trends – ein aktuelles Beispiel ist Zero Shot Learning. Damit kann ich einer KI – ohne, dass diese das Bild eines Zebras hat – ermöglichen, zukünftig ein Bild von einem Zebra zu erkennen, indem ich die KI mit einem Bild eines Pferdes trainiere und die fehlenden Informationen über Textformulierungen (z. B. + weiß, + Streifen) hinzufüge. Wir identifizieren einerseits derartige Themen, die an Universitäten und auf wissenschaftlichen Konferenzen oder in wissenschaftlichen Papern diskutiert werden und leiten anderseits daraus Handlungs- und Geschäftsfelder für uns als Unternehmen ab. Dabei kooperieren wir mit Forschungseinrichtungen, Start-ups und Universitäten und lassen uns von der Frage leiten: Welche Themen haben für uns als Telekommunikationsunternehmen in den nächsten fünf bis zehn Jahren Relevanz? Das Spannendste an meinem Job ist daher, dass ich mich immer mit den neuesten Trends beschäftige und das macht mir unheimlich viel Spaß und Freude.

Was sind aus deiner Sicht die Tech-Trends für 2021? Was wird im Bereich KI und Machine Learning die nächste disruptive Innovation bzw. the next big thing?  

Pohlink: The next big ist ganz klar Quantum. Allein, wie rasant sich in diesem Bereich die Hardware entwickelt. IBM ist beispielsweise sehr stark in diesem Bereich. D-Wave aus Kanada und Google sind hier ebenfalls Pioniere und entwickeln entsprechende Hardware. Auch Amazon will jetzt in Richtung Hardware-Entwicklung gehen. Bei weiteren großen Playern wie Microsoft oder Alibaba ist in dem Themengebiet unheimlich viel in Bewegung. Im Kontext der Hardware-Entwicklung ist natürlich auch die Entwicklung von Applikationen relevant. Das ist beim Quantum Computing eine komplett neue Ära, weil das klassisch in der Informatik gelernte Programmieren mit Nullen und Einsen abgelöst wird. Dabei werden die Effekte und Erkenntnisse der Quantenphysik in die Informatik eingebracht und später sogar mit KI und Machine Learning veredelt. Das ist wirklich eine disruptive, vollkommene neue Art der Verarbeitung von Daten – und zwar von enorm großen Mengen in einer enormen Geschwindigkeit.

Quantum Computing ist eine komplett neue Ära, weil das klassisch in der Informatik gelernte Programmieren mit Nullen und Einsen abgelöst wird.


Was bedeutet das konkret für die Wirtschaft?

Pohlink: Nehmen wir als aktuelles Beispiel Verkehrsflüsse und deren Navigation. Wenn wir im Auto das Navigationssystem nutzen und fahren in einen Stau, bekommen wir eine Alternativroute angezeigt. Jedoch nutzen andere Fahrer die identische Route, um dem Stau auszuweichen mit der Folge, dass auf der Alternativstrecke ebenfalls ein Stau entsteht.

Durch Quanten-Computing steigen die Möglichkeiten und Kombinationen für Alternativrouten immens. Quantum ermöglicht es, den Verkehr in Echtzeit zu managen, ohne, dass irgendwelche Nachteile entstehen, indem beispielsweise Auto A nach rechts und Auto B nach links geschickt wird. Quanten Computing kann nicht nur die kürzeste Route oder die schnellste Route als Variable mitverarbeiten, sondern viel mehr Variablen einbeziehen wie z.B. 30er-Zonen, Diesel-Fahrverbotszonen usw. Aktuell kann dies kein klassischer Computer in Echtzeit leisten, weil es einfach zu viele Kombinationsmöglichkeiten sind. Die Quantenphysik und das Quanten Computing machen derart komplexe Berechnungen in enormer Geschwindigkeit und Komplexität möglich. Dies wird zur Lösung komplexer, globaler Probleme zukünftig maßgeblich beitragen.

Was heißt das für unsere digitalen Infrastrukturen dahinter? Die Daten müssen ja auch verarbeitet werden. Wann wird es aus Deiner Sicht erste Use Cases auf Quantum-Basis geben?

PohlinkDas ist sicherlich eine Frage, die sich alle aktuell stellen. Ich glaube, innerhalb der nächsten fünf Jahre werden auf jeden Fall konkrete Use Cases umgesetzt werden. In erster Linie wird dies Anwendungsbeispiele in den Bereichen Chemie, Molekularbiologie und in der Finanzindustrie betreffen. Es geht jedoch nicht nur um die Schnelligkeit, sondern um die Bewältigung komplexer Rechenaufgaben, die zuvor noch nie gelöst werden konnten. Einem Forschungsteam der Freien Universität Berlin ist es beispielsweise jüngst mithilfe von KI gelungen, die Schrödinger Gleichung zu lösen. Daher bin ich sehr optimistisch, dass wir zukünftig mit Quantum-Technologien globale, komplexe Herausforderungen bewältigen können.

Ich bin ich sehr optimistisch, dass wir zukünftig mit Quantum-Technologien globale, komplexe Herausforderungen bewältigen können.


KI kann auf der einen Seite also sehr viel Positives bewirken, auf der anderen Seite 
gibt es jedoch auch Beispiele, wo KI-basierte Lösungen beispielsweise zur Verstärkung von Bias beitragen. Sind Ängste gegenüber KI aus deiner Sicht begründet?

Pohlink: In der Anwendung sehen wir aktuell KI-basierte Lösungen für stupide, repetitive Aufgaben, die aneinandergereiht sind und ausgeführt werden: wie beispielsweise Roboter, die im Takt tanzen, Stufen steigen oder Überschläge machen. Das ist cool, aber nicht wirklich intelligent. Eine KI kann heutzutage in der Regel eine Sache besonders gut: z. B. Schachspielen, Tanzen oder Gesichter erkennen. Es gibt aber bisher kaum Entwicklungen, die in der Lage sind, mehrere Aufgaben zu lösen. Daher sind die Ängste in jedem Fall unbegründet. Von wirklich intelligenter KI sind wir noch weit entfernt. Selbstverständlich berücksichtigen wir in der Technologieentwicklung stets die gesellschaftlichen Auswirkungen.


Im Bereich Cyber Security setzt ihr euch dafür ein, unbewusste oder bewusste Risiken von KI-Algorithmen zu erkennen und zu minimieren und habt eine technische Lösung entwickelt, die Bias technisch messbar macht. Wie funktioniert das genau? Und inwiefern hilft sie, Bias zu eliminieren oder nachzujustieren?

Pohlink: Zunächst unterscheiden wir zwischen bewussten und unbewussten Gefahren, wobei erstere durch gezielte Manipulation oder Attacken zu Verzerrungen im System führen. Einige kennen das vielleicht schon aus dem Bereich Autonomes Fahren, wenn ein Stoppschild mit einem Aufkleber versehen wird und damit die KI des Autos manipuliert werden kann. Auf unser Telekommunikationsgeschäft übertragen wäre dies zum Beispiel bei einem Sprachassistenten denkbar. Wir machen unsere Systeme robust gegen derartige Angriffe, sodass niemand durch das Hinzufügen von Störgeräuschen plötzlich einen von uns nicht-intendierten Befehl auslösen kann.

Daneben widmen wir uns der Prävention von unbewussten Verzerrungen, den so genannten Bias. Für uns als Telekommunikationsunternehmen ist es beispielsweise wichtig, dass unsere Mobil- und Festnetz-Bestandskunden nicht zur Konkurrenz abwandern. Um Kunden zu halten, setzen wir natürlich auch auf spezielle Marketing-Aktionen. Bei einer Ländergesellschaft haben wir festgestellt, dass durch einen Bias im System Kunden über 50 Jahren bestimmte Marketingaktionen nicht angeboten wurden. Einfach, weil die KI gelernt hatte, dass Menschen über 50 ihre Verträge nicht wechseln. Aber die Menschen, die heute 50 sind, sind sicherlich ganz anders als vor zehn Jahren. Bias können somit durchaus geschäftsschädigend sein, daher setzen wir auf technische Lösungen, die Bias in KI-basierten System erkennen. Unser drittes zentrales Thema ist der Privacy-Bereich. Wir kümmern uns darum, dass auch die Test- und Trainingsdaten, die bei Machine-Learning-Modellen genutzt werden, umfassend geschützt sind.

Bias können somit durchaus geschäftsschädigend sein, daher setzen wir auf technische Lösungen, die Bias in KI-basierten System erkennen.


Welches gesellschaftliche Problem würdest du persönlich gerne durch KI lösen?

Pohlink: Ich bin fest davon überzeugt, dass KI bei der Bewältigung einiger gesellschaftlicher Probleme hilfreich sein kann. Was mich persönlich besonders begeistert, ist die Verknüpfung von Medizinforschung und KI. Vor einer Kombination dieser beiden Bereiche, die Krebs besiegt, hätte ich den größten Respekt. Generell wünsche ich mir, dass Europa bei KI-Entwicklungen stärker in den Fokus rückt – bei der Impfstoff-Entwicklung hat das ja auch sehr gut funktioniert.


Du bist Tochter eines Mathematikers und einer Mutter, die im IT-Bereich arbeitete, und hattest somit schon früh Berührungspunkte mit MINT und IT. Du setzt dich für die digitale Bildung von Kindern ein und bist auch Speakerin zu Themen wie Diversity und digitaler Bildung. Wo liegen aus deiner Sicht als KI/ML- und Robotics-Expertin und als Mutter die Herausforderung in der digitalen Bildung und was können Politik, Wirtschaft und Gesellschaft tun, um Schüler:innen für die Tech-Branche zu begeistern?

Pohlink: Im Bereich digitaler Bildung gibt es sicherlich Nachholbedarf. Gerade in Homeschooling-Zeiten erleben wir alle Dinge, wo man mitunter wirklich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte. Mein Motto lautet jedoch: Machen statt meckern. Jeder kann seinen Beitrag zur digitalen Bildung leisten. Dazu muss ich nicht auf Verena Pausder warten, die aktuell sehr viel Tolles bewegt. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Für die Wissenschaftstage an der Grundschule meiner Tochter habe ich mir stets freigenommen. Ich habe Tech-Utensilien wie VR-Brillen oder Roboter eingepackt und den Kindern Tech-Themen nähergebracht. Ein Kollege von mir hat an einer Schule eine Tech-AG gegründet. Auch als Konzern engagieren und unterstützen wir im Bereich digitale Bildung, in dem wir beispielsweise Schulklassen zu uns in die T-Labs einladen. Keine Zeit ist für mich übrigens kein Argument. Mein Tag hat auch nur 24 Stunden. Zeit hat man nicht, man nimmt sie sich und ich priorisiere an der Stelle anders und sage, das ist eben meine Verantwortung und die setze ich um.


Großartig, dass du dich persönlich derart für digitale Bildung einsetzt. Du betreust auch Besuche von Schulklassen bei Euch in den T-Labs. Was erwartet Schüler:innen dort?

Pohlink: Wir erklären den Kindern kindgerecht KI. Wir fragen auch, was sie schon kennen.  Dann kommt als Antwort direkt der Staubsaugerroboter oder sie nennen Sprachassistenten wie Alexa oder Siri. Mich beeindruckt, was die Kinder schon an Wissen mitbringen. In den T-Labs haben wir vier Stationen mit Robotern, wo die Kinder sich ausprobieren und aktiv mitmachen können. Mit einem Einplatinencomputer Calliope mini können sie zum Beispiel programmieren lernen. Große Begeisterung löst bei den Kindern auch NAO aus, der kleine Roboterbruder vom berühmten Pepper. Das Schönste ist für mich persönlich, wenn ich sehe, wie begeistert die Kinder bei der Sache sind – und dass selbst die größten Rabauken an meinen Lippen hängen.


Haben Kinder denn gar keine Berührungsängste mit KI?

Pohlink: Kinder sind sehr offen und probieren gerne aus. Das zeigt sich schon daran, welch kreative Fragen sie beispielsweise in unseren Workshop-Formaten an Alexa haben. Natürlich müssen wir unseren Kindern eine gewisse Medienkompetenz beibringen. Die MIT Wissenschaftlerin Stefania Druga erforscht seit Jahren, wie Kinder mit KI umgehen und ihre Forschungsergebnisse bestätigen die Offenheit von Kindern gegenüber KI. Wenn Berührungsängste bestehen, liegt es daran, dass Eltern ihren Kindern diese vermittelt haben.

In deinem Team seid ihr – dich eingerechnet – zwei Frauen. Wo stehen wir aus deiner Sicht beim Thema Frauen in Tech?

Pohlink: Es gibt aus meiner Sicht viele großartige Frauen in Tech. Die Herausforderung liegt aktuell noch in der fehlenden Sichtbarkeit. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass sich dies für die nachkommende Generation von Frauen schon anders darstellt. Es verändert sich aus meiner Sicht etwas – zwar in kleinen Schritten  – aber es ändert sich.


Du hast selbst eine beeindruckende Karriere gemacht, warst bzw. bist für renommierte Konzerne wie MTV, Jamba/Rocket Internet und die Telekom tätig. Welche Eigenschaften oder Fähigkeiten waren in der Retroperspektive für deine berufliche Laufbahn besonders hilfreich? Und wie lautet dein Karriere-Tipp an Frauen?

Pohlink: Ich wünsche mir, dass Frauen einfach mutiger sind, dass sie ihre Stimme erheben, Dinge einfach aussprechen und für sich und ihre Projekte einstehen. Ich glaube, dass vielen Frauen Zurückhaltung in die Wiege gelegt wird. In Meetings sind es häufig Männer, die als Erste das Wort ergreifen. Frauen halten sich eher zurück, weil sie vielleicht auch Angst haben, etwas Falsches zu sagen. Diese Zurückhaltung müssen Frauen unbedingt ablegen.


Wenn wir dir noch einen weiteren Job geben und dich zur Chefredakteurin eines Leitmediums machen. Wie lautet deine Schlagzeile zum Thema Frauen in Tech und was steht in deinem Artikel?

Pohlink: Das ist schwierig. Die Tatsache, dass eine Frau CEO wird, ist den Leitmedien heute eine riesige Schlagzeile wert. Ich wünschte mir, dass es ganz selbst verständlich ist, dass es Geschäftsführerinnen oder Vorständinnen gibt. In meinem Leitmedium würde daher nur die kompetente Person erwähnt, die neuer Vorstand ist, weil sie großes Inhaltliches geleistet hat, ohne explizit zu sagen, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt.


Dr. Julia Freudenberg, CEO der Hacker School, hat uns in unserem letzten Interview folgende Frage für dich mitgegeben: 
Es gibt eine ganze Reihe an negativen Glaubenssätzen, die Frauen und Mädchen zurückhalten und benachteiligen. Wie können wir als Frauen konkret dazu beitragen, diese Glaubensätze aufzulösen, umzudeuten und durch neue, positive Glaubenssätze zu ersetzen?

Pohlink: Ich glaube, wir müssen alle an unseren eigenen Vorurteilen und stereotypen Bildern arbeiten. Wir haben einfach viel zu häufig Stereotypen vor den Augen: der Mann als Jäger, die Frau als Sammlerin, das stimmt nicht. Dazu fällt mir ein Artikel aus dem Stern ein: „Ende eines patriarchalen Mythos – Frauen gingen in der Steinzeit auf die Jagd“. Forscher fanden in den Anden Knochen eines Jägers. Sie wunderten sich, dass die Knochen so klein und leicht waren. Die verblüffende Erkenntnis: Es waren die Knochen einer Jägerin und somit der Beweis, dass es vor neuntausend Jahren auch weibliche Jägerinnen gab.


Welche Frage möchtest Du uns vor dem Kontext Diversity und Gender für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Pohlink: Was mich wirklich umtreibt, ist die Frage: Warum haben wir in Deutschland in der Wirtschaft im Top-Management einen so geringen Anteil an Frauen im Vergleich zu anderen Ländern? Wir haben seit 16 Jahren eine Kanzlerin, Ursula von der Leyen ist Präsidentin der Europäischen Kommission. Wir haben eine hohe Anzahl an weiblichen BWL-Studentinnen. Warum schlägt sich das im Top-Management deutscher Konzerne nicht nieder? Und was machen andere Länder besser als wir?


Herzlichen Dank für deine Zeit und das Interview, Claudia Pohlink!

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Schreiben Sie bei Interesse gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de


Britta Behrens

Im Gespräch mit Britta Behrens, LinkedIn Expertin, Speaker und Digital Marketer, Volz Personalberatung

Was machst Du beruflich? Stell Dich doch bitte einmal kurz vor.

Britta Behrens: Ich bin Marketing- und Content-Strategin. Aktuell verantworte ich bei der Volz Personalberatung in Köln das digitale Marketing. Als Side-Preneurin bin ich als LinkedIn Marketing Beraterin, Keynote Speakerin und Autorin aktiv. Digitale Kommunikation ist meine große Leidenschaft. Ich bin ein Riesenfan von Inbound Marketing & Sales. Vor 4 Jahren begann ich mich intensiv mit LinkedIn als B2B-Plattform auseinanderzusetzen und entdeckte das schlummernde Potential für den deutschsprachigen Raum. LinkedIn hatte sich von einer reinen Recruiting- und digitalen Visitenkarten-Plattform zu einer Content- und Networking-Plattform transformiert.

Für mich als Content-Marketer ein absolutes Aha-Erlebnis. Seitdem drehen sich meine Kernthemen um Personal Branding, B2B Marketing und Social Selling. Im Sales findet gerade ein großer Umbruch statt. Und die Power von Corporate Influencern und Social CEOs ist vielen noch gar nicht wirklich bewusst. In diesem Bereich eine Vorreiterin zu sein und andere auf diesem Weg mitzunehmen und zu begleiten, motiviert mich.

Was sind Deine Herausforderungen für 2021?

Britta Behrens: Ganz oben auf der Liste steht mein LinkedIn -Buch. Ich wollte es eigentlich schon 2020 fertigstellen, was aufgrund der Turbulenzen im letzten Jahr und meiner beruflichen Veränderung ins Hintertreffen geraten ist. 2021 werde ich es aber definitiv veröffentlichen. Des Weiteren freue ich mich auf meinen LinkedIn-Learning-Kurs, den ich zum Thema B2B Marketing & Sales auf LinkedIn konzipiere. 2021 will ich mehr Video-Content produzieren und auch endlich die LinkedIn-Live-Funktion nutzen. Dort kann man mich dann auch gerne spontan zu allen Fragen zum Thema Personal Branding und LinkedIn Hacks löchern.

Für den ersten Eindruck ist das eigene Profil elementar. Daher der Tipp zuerst das eigene LinkedIn-Profil auf Vordermann bringen.


Du hast über 14.800 Follower auf LinkedIn, schreibst ein Buch zum Thema Personal Branding und Social Selling auf LinkedIn, versorgst Deine Follower mit Tipps zum Thema, bist als Speakerin auf dem Gebiet unterwegs. Daher die Frage an die Expertin: Wie gehe ich als Newbie das Thema Personal Branding an?

Britta Behrens: Für den ersten Eindruck ist das eigene Profil elementar. Daher der Tipp zuerst das eigene LinkedIn-Profil auf Vordermann bringen: beispielsweise ein Hintergrundbild einpflegen, ein aussagekräftiges aktuelles Profilbild einsetzen und ganz wichtig – unter dem Namen einen Profil-Slogan eintragen. Viele Menschen nutzen den Profil-Slogan-Bereich klassisch, tragen dort Position und Unternehmen ein. Das ist jedoch nicht ratsam, denn der Profil-Slogan läuft stets mit, wenn ich auf der Plattform kommuniziere, z. B. eigene Beiträge veröffentliche oder Kommentare bei anderen hinterlasse. Daher sollte die eigene Fachkompetenz stets aus dem Slogan hervorgehen. Empfehlenswert sind ein paar passende Keywords, mit denen man sich identifiziert und die eigene Expertise verdeutlichen. Ansonsten im Gesamtprofil bitte wirklich fokussieren. Dabei helfen die Fragestellungen: Wo stehe ich jetzt in meiner Position? Welche Verantwortung habe ich? Für welche Themen brenne ich und mit welchen möchte ich in Verbindung gebracht werden? Ein weiterer Tipp: Unbedingt auch den Im-Fokus-Bereich als Bühne nutzen, um beispielsweise Webseiten oder relevante Beiträge prominent vorzustellen und um Profilbesucher als Leads auf Landingpages zu überführen und tiefer ins Thema oder Unternehmen eintauchen zu können.

Klar, der erste Eindruck zählt – gilt auch im Digitalen. Wenn ich jetzt ein aussagekräftiges Profil habe: Wie baue ich mein Netzwerk auf?

Britta Behrens: Zunächst empfiehlt es sich, bestehende Kontakte ins Netzwerk zu holen – dazu gehören ehemalige Kollegen genauso wie Kunden und Geschäftspartner. Im zweiten Step sollte ich schauen, wer kommuniziert auf LinkedIn zu meinen Themen, deren Beiträge kommentieren, ihnen folgen und eine Vernetzungsanfrage stellen. Auch LinkedIn-Gruppen oder LinkedIn Events sind ein guter Weg, um nach neuen interessanten Kontakten Ausschau zu halten, weil sich daraus direkt ein Themenmatch und Anknüpfungspunkte ergeben. So fällt es leichter eine Kontaktanfrage zu versenden: „Hey, ich habe gesehen, du engagierst dich auch in der Ladies in Tech LinkedIn-Gruppe vom eco. Ich möchte mich gerne mit Dir vernetzen“.

Bitte verschickt keine Anfragen ohne Nachricht, das zeugt nicht nur vom schlechten Stil, sondern eure Kontaktanfrage läuft auch Gefahr abgelehnt zu werden. Für ein nutzenstiftendes Netzwerk ist entgegen der leider immer noch anzutreffenden Meinung nicht die Follower-Anzahl, sondern die Qualität entscheidend. Nehmt daher nicht jede Kontaktanfrage an, sondern schaut euch zunächst das Profil der Person an und entscheidet, ob ihr die Anfrage annehmen wollt. Dabei sind folgende Fragestellungen hilfreich: Kann ich dem- oder derjenigen einen Mehrwert bieten oder Hilfestellung leisten bzw. hat derjenige Kompetenzen und Fähigkeiten, von denen ich profitieren kann?

Für ein nutzenstiftendes Netzwerk ist entgegen der leider immer noch anzutreffenden Meinung nicht die Follower-Anzahl, sondern die Qualität entscheidend.

Wie finde ich meine Themen und komme in die Sichtbarkeit??

Britta Behrens: Dazu braucht es eine klare Antwort auf die Frage: Zu welchen Themen möchte ich wahrgenommen werden? Was interessiert mich und womit möchte ich mich positionieren? Es bringt nichts, wenn ich heute über Personal Branding auf LinkedIn, morgen über Holzschnitzen und übermorgen übers Stricken schreibe. Besser ist es auf zwei, drei Themen zu fokussieren, wo du weißt, da will ich auch zukünftig hin. Um sichtbar zu werden, hilft es sich anzusehen wie es andere machen, die schon einen gewissen Expertenstatus auf LinkedIn haben. Beiträge kommentieren ist essentiell. Beispielsweise mit nützlichen weiteren Quellen und Links oder eigene Statements mit Erfahrungen.

Dann kommt man automatisch in die Sichtbarkeit. Über deine Kommentare wirst du von anderen wahrgenommen, für interessant befunden und dein Profil wird häufiger aufgerufen. Fange dann peu à peu an eigene Beiträge zu verfassen. Nutze in deinen Beiträgen 2-3 passende Hashtags und vertagge wohldosiert Kontakte, die etwas zu dem Thema zu sagen haben, damit sie in die Diskussion einsteigen. So startest du das Engagement und dein Beitrag wird sichtbarer. Wähle hinsichtlich des Content-Formats dasjenige aus, das am besten zu dir passt: Es muss kein Video sein, auch reine Text-Posts funktionieren auf LinkedIn oder erstelle eine PDF-Slideshow mit ein paar Tipps. Mit Canva.com ist das ganz schnell und einfach erstellt.

Nutze in deinen Beiträgen 2-3 passende Hashtags und vertagge wohldosiert Kontakte, die etwas zu dem Thema zu sagen haben.


Wie sieht die Zukunft von Personal Branding aus?

Britta Behrens: Clubhouse ist natürlich gerade ein absoluter Hype, den viele, die ihr Personal Branding schon ausgebaut haben, stark nutzen. Clubhouse finde ich ein sehr spannendes Medium, weil es über die App möglich ist, direkt mit anderen Experten in den Kontakt zu treten. Ich war auch schon bei mehreren Sessions als Speakerin dabei bzw. habe eigene gehostet.

Personal Branding muss an sich salonfähig werden und von diesem Beigeschmack der Selbstdarstellung wegkommen. Für die Zukunft wünsche ich mir daher, dass den Leuten bewusst ist, dass sie sich nicht dafür schämen müssen, zu zeigen, was sie können. Ich will diesen Menschen Mut machen, denn wer sich beruflich weiterentwickeln will, der muss auch über seine Kompetenzen und Expertise sprechen. Wessen Leistungen nach außen und innen sichtbar ist, der kann zudem in Jahresgesprächen und Gehaltsverhandlungen anders auftreten. Das Business-Umfeld lässt sich dabei nicht vollkommen von dem persönlichen privaten Menschen entkoppeln. Ich bin nicht nur Personal-Branding- und LinkedIn-Expertin, sondern gebe auch eine persönliche Note mit. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich halt gerne Gin trinke oder meine Freizeit sehr gerne auf dem Golfplatz verbringe.


Wie lauten Deine Top 3 Karriere-Tipps an Frauen?

Britta Behrens: Werdet aktiv auf LinkedIn und macht eure Arbeit sichtbar. Nutzt Netzwerkveranstaltungen, wenn es wieder geht, bringt euch gegenseitig nach vorne und gebt euch Feedback. Aus heutiger Sicht habe ich selbst viel zu spät damit angefangen. Ich war immer heiß darauf, Vorträge bei Meet-ups zu hören und mir Wissen, Wissen und nochmal Wissen aufzubauen. Ich war jedoch auch relativ introvertiert. Daher ein wichtiger Tipp aus Tijen Onarans Netzwerkbibel: Geh nicht mit deinen Arbeitskollegen zu einem Netzwerk-Event, sondern geh allein. Der dritte Tipp lautet: Werdet euch darüber bewusst, wo liegen die eigenen Stärken und habt eine klare Antwort auf die Frage: Wo will ich eigentlich hin?


Zum Thema Sichtbarkeit fällt auch das Sprechen auf Konferenzen. Du bist auch als Speakerin auf vielen Events präsent. Sicherlich auch ein Ziel, das auch andere Frauen anstreben und womit wir auch dem Phänomen der #allmalepanels entgegenwirken. Wie hast du es als ehemals eher introvertierte Person auf die Bühne geschafft?

Britta Behrens: Ich bin als Gast auf vielen Konferenzen gewesen. Irgendwann kam die Erkenntnis, was die Referent:innen auf der Bühne erzählen, das kannst du auch. Warum machst du das eigentlich nicht und lässt andere an deinem Wissen teilhaben? Zudem werden weibliche Speaker ja stets händeringend gesucht. Ich habe mich immer gefragt, warum sind häufig nur Männer auf der Bühne. Dabei gibt es genug Speakerinnen, man muss eigentlich nur mal die richtigen Leute fragen, die entsprechende Empfehlung aussprechen und die Veranstalter dürfen sich nicht mehr rausreden. Gemische Panels auf Bühnen – das ist möglich und machbar. Aus dieser Motivation habe ich mir als Ziel die Challenge gesetzt, selber auf der Bühne zu sprechen. Dazu muss man wissen: Ich habe früher Referate und alles Mögliche an Präsentationen gehasst. Ich habe mich dazu schon in gewisser Weise zwingen müssen und meine Komfortzone verlassen. Ich werde jetzt aufgrund der positiven Aufregung und Anspannung auch noch rot, wenn ich am Anfang auf der Bühne stehe, aber meine Expertise und mein Vertrauen in meine Fachkenntnisse geben mir Sicherheit.


Welche Frage im Kontext Diversität und Frauen in Tech möchtest Du uns für unsere nächste Interviewpartnerin mitgeben?

Britta Behrens: Was mir persönlich zu kurz kommt beim Thema Diversity und Female Empowerment ist, dass wir zu wenig männliche Gesichter haben, die mit dem Thema sichtbar sind. Frauennetzwerke, in denen Frauen andere Frauen unterstützen, sich dann gegenseitig in Position bringen, sind gut, aber wo sind die Männer wie beispielsweise Philipp Depiereux, die das Thema auch nach außen treiben. Gleichberechtigung und Diversity sind kein Frauenthema, sondern das ist ein gesellschaftliches Thema, was Männer und Frauen gleichermaßen angeht. Daher lautet meine Frage: Wo und wer sind die männlichen Vorbilder, die man immer nennen sollte, die das Thema Diversität treiben und dafür einstehen?


Herzlichen Dank für deine Zeit und das Interview, Britta Behrens!

Wessen Leistungen nach außen und innen sichtbar ist, der kann zudem in Jahresgesprächen und Gehaltsverhandlungen anders auftreten.

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Bei Interesse schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de


Im Gespräch mit Dr. Julia Freudenberg, CEO Hacker School

Wie bist Du zur IT gekommen und was ist das Schönste an deinem Job?

Dr. Julia Freudenberg: Ich bin selbst keine IT-lerin, habe die IT aber quasi inhouse, da mein Mann leidenschaftlicher und begeisterter IT-ler ist. Ich habe 19 Jahre lang in der Wirtschaft in Konzernen gearbeitet, für Unilever war ich beispielsweise für die Markteinführung von Ben und Jerrys in Deutschland verantwortlich. Mit Mitte dreißig wollte ich etwas vollkommen Neues machen und habe in meiner zweiten Elternzeit meine Dissertation über die berufliche Integration von Geflüchteten geschrieben. Über die ehrenamtliche Arbeit mit Geflüchteten habe ich Andreas Ollmann, einen der Gründer der Hacker School, kennengelernt. Seit 2017 bin ich jetzt CEO der Hacker School. Für mich ist das mein Traumberuf. Ich verstehe zum ersten Mal den Zusammenhang zwischen Beruf und Berufung. Meine Mission lautet: Don´t give them fish but show them how to get the fish out. Das heißt für mich, wir müssen unsere Jugend dafür begeistern zu wissen, wie sie in dieser Welt zurechtkommt. Durch das Coden und das Entdecken neuer Welten gemeinsam mit IT-lern lernen die Kids die 21. Century Skills wie Kreativität, kritisches Denken, Kommunikation und kollaborative Zusammenarbeit. Wenn ich sehe, wie bei den Kids das Verständnis und die Begeisterung wächst, wie die Augen leuchten, wenn sie ihre Projekte in der Hacker School präsentieren, das macht mir so wahnsinnig viel Freude und gibt mir so unheimlich viel zurück.

Mit der GIRLS Hacker School habt ihr 2020 ein neues Projekt ins Leben gerufen, das sich gezielt nur an Mädchen und Frauen richtet. Was kam es dazu und was genau macht ihr da?

Dr. Julia Freudenberg: Wir haben festgestellt, dass wir in den „normalen“ Hacker School Angeboten 80 Prozent Jungs dabei haben, Mädchen oder auch Kinder aus sozial-benachteiligten Familien, die wir mit der Hacker School PLUS auch gezielt adressieren, erreichen wir hingegen nur sehr schwer. Wenn hingegen eine weibliche Firmenchefin wie beispielsweise Miriam Wohlfahrt mitmacht, dann sind schon mal 30 Prozent der Teilnehmenden Mädchen, von einer 50:50 Besetzung sind wir jedoch meilenweit entfernt. Stereotype und gesellschaftlich-geprägte Glaubenssätze sind einfach zu stark vorhanden. Daher lohnt es sich aus meiner Wahrnehmung, Mädchen segregiert stark zu machen, um ihr Selbstvertrauen zu pushen. Zielgruppen der GIRLS Hacker School sind daher Mädchen und Frauen von 11 bis 99 Jahren, sodass die Mädchen direkt mit ihrer Mutter oder einer weiblichen Bezugsperson teilnehmen können. Da merken die weiblichen Teilnehmer in der Gesamtheit ganz schnell, dass sie alles genauso gut können wie die Jungs. Mit der Hacker School setzen wir uns allgemein dafür ein, dass jedes Kind programmieren lernt, bevor es sich für einen Beruf entscheidet – vor allem für Mädchen und junge Frauen kann das ein entscheidender Schritt hin zu gelebter Gleichberechtigung sein.

Für alle Mitgliedsunternehmen und IT-ler, die jetzt denken: Tolle Sache, da will ich unbedingt mitmachen. Wie werde ich Inspirerer? Wer kann das überhaupt machen? Und wie läuft das ab?

Dr. Julia Freudenberg: Mitmachen können bei uns alle Unternehmen, die im weitesten Sinne mit Digitalisierung zu tun haben. Es muss nicht der klassische IT-Konzern sein. Wir können jede Unterstützung, sei es in Form zeitlicher oder finanzieller Ressourcen, sehr gut brauchen. Alle Unternehmen unterstützen uns ehrenamtlich. Sie stellen den Kontakt zu ihren IT-lern her – den sogenannten Inspirern. Die IT-Expertinnen und -Experten bringen wir dann für ein Wochenende mit den Kids zusammen und lassen sie zweimal vier Stunden lang „geilen Scheiß“ machen. Unser Ziel ist es, wie oben gesagt, die 21st Century Skills zu fördern. Wir bieten viele unterschiedliche Themen, wie etwa Spielentwicklung, Programmieren in Minecraft, Webseitendesign oder Künstliche Intelligenz mit Talking Emojis. Wir sind offen für die Ideen der Inspirer, bieten aber auch Konzepte und Code an, den die Inspirer für ihre Hacker School Session mit den Kids verwenden können. Aktuell unterstützen uns rund 500 Inspirer aus ganz Deutschland, aber das dürfen sehr gerne noch mehr werden.

Programmiersprachen und Informatik haben es noch nicht auf die Stundenpläne in deutschen Schulen geschafft. Ich mache Dich jetzt einmal zur Bildungsministerin, es gibt im Übrigen auch keinen Bildungsföderalismus. Was wünscht Du Dir für die digitale Bildung von Kids und insbesondere Mädchen. Wie sollte das aussehen?


Dr. Julia Freudenberg:
 Das Verständnis für die Bedeutung der Digitalisierung von Schulen und dass dort etwas passieren muss, ist spätestens coronabedingt definitiv vorhanden, in der Umsetzung haben wir sicherlich noch Herausforderungen. Mir liegt aber jede Form von Schulbashing fern, weil Lehrer und Lehrerinnen eine unglaublich große Aufgabe haben – schon allein was die Erziehungsarbeit betrifft. Ich glaube sogar, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer in der Pandemie noch weitaus mehr engagieren. Mein Sohn besucht beispielsweise seit kurzem ein Gymnasium, was mit Moodle hervorragend umgeht, was diverse Hardware angeschafft hat und auch seine Grundschullehrerinnen haben viel mit der ANTON-App gearbeitet und sich in Pandemiezeiten unheimlich viel Mühe gegeben. Im Bereich Digitale Bildung fehlt es schlichtweg auch an Personal: Die Bedarfsdeckungsquote von IT-Lehrern liegt in NRW beispielsweise bei 25 Prozent. Das Schulsystem in Deutschland steht für Konstanz und Ordnung, was leider im aktuellen Verständnis den Kontrapunkt zu Innovation und Entwicklung setzt. Das sind nur einige Beispiele für Nonfits, die digitale Bildung zu einer unglaublichen Herausforderung machen. Die Schule macht einen guten Job, sie wird aber nie in der Lage sein, die Verkürzung der Innovationszyklen vollständig abzubilden. Der Knackpunkt ist für mich folgender: Wir müssen uns davon verabschieden zu sagen, lernen findet in der Schule und nur dort statt. Lebenslanges Lernen darf keine Phrase sein, sondern muss gelebt werden. Wir müssen die Idee des lebenlangen Lernens wörtlich nehmen und mit Inhalten füllen und dazu muss auch die Wirtschaft und die Unternehmen mit einbezogen werden.

Das Verständnis für die Bedeutung der Digitalisierung von Schulen und dass dort etwas passieren muss, ist spätestens coronabedingt definitiv vorhanden, in der Umsetzung haben wir sicherlich noch Herausforderungen.

Tolles Stichwort, da möchte ich Dir direkt die Frage stellen, die Agnes Heftberger von IBM uns für dich mitgegeben hat: Was können wir als Unternehmen der deutschen Wirtschaft tun, um dort wo die Challenge startet – nämlich in der Bildung – schon früh gleichberechtigte Rahmenbedingungen zu schaffen? Es wird ja stets an Politik und Strukturen verwiesen, aber was ist unser Beitrag als Wirtschaft dazu?

Dr. Julia Freudenberg: Macht mit uns gemeinsam Hacker Schools! Auch wenn es unbescheiden klingen mag, ich bin davon überzeugt, dass dies einer der ganz wichtigen Ansätze sein kann, um die Lücken in der digitalen Bildung tatsächlich zu schließen. Die Unternehmen haben die Power, hier einen Unterschied zu machen – und wir haben das Konzept und die Prozesse, wie das „nebenbei“ auch möglich ist.

Viele Frauen und Mädchen scheuen Mathe und Technik. Dir persönlich ging es anders, aber auch bei dir gab es einen Wendepunkt, an dem du an deinem mathematischen Können gezweifelt hast. Warum tun sich Frauen und Mädchen mit der Begeisterung für MINT-Fächer oft schwer und wie können wir daran etwas ändern?

Dr. Julia Freudenberg: Ich bin fest davon überzeugt, dass Kultur das ist, was sich am langsamsten ändert. In den Oststaaten beispielsweise ist die Quote an Frauen in Tech viel höher, will diese Frauen wissen, dass das ein toller, lukrativer Beruf ist und ein Beruf, der den Weg in die Freiheit und Unabhängigkeit bedeutet. Ich habe selbst eine Tochter und merke – mitunter auch bei mir selbst –, wie viele unbewusste geschlechterspezifische Vorurteile bestehen. Ich war lange unangefochten die Beste in meiner Klasse in Mathematik, bis ich den Glaubenssatz gehört habe: Mädchen können nicht rechnen. Das hat mich verunsichert und der Glaubenssatz hat bei mir dazu geführt, dass ich jede Zahl zigmal überprüft habe, somit war das Tempo raus und auch mein Platz an der Spitze in Mathe passé. Diese Glaubenssätze müssen raus – auch aus den Köpfen der Mütter. Ich wünsche mir, dass Mütter eben nicht damit kokettieren, dass sie ja auch kein Mathe können. Dass sie nicht sagen, meine Tochter geht in Sprachklasse, weil da alle Freundinnen hingehen und in der MINT-Klasse nur ein Mädchen ist. Dafür müssen wir die ersten Schritte über Sonderprogramme und spezielle Angebote für Mädchen ermöglichen, damit wir da ein bisschen Tempo auf die Straße kriegen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Kultur das ist, was sich am langsamsten ändert. In den Oststaaten beispielsweise ist die Quote an Frauen in Tech viel höher, will diese Frauen wissen, dass das ein toller, lukrativer Beruf ist und ein Beruf, der den Weg in die Freiheit und Unabhängigkeit bedeutet. I

Da hast Du sicherlich recht. Auch im Bereich Female Empowerment heißt es oft: If she can see it, she can be it. Vorbilder sind also das A und O. Hast Du selbst Vorbilder oder welche Frau in Tech würdest du gerne einmal treffen?

Dr. Julia Freudenberg: Als Erstes fällt mir meine Kindergärtnerin ein. Sie ist natürlich nicht in der Tech-Branche tätig, aber ich habe von ihr etwas ganz Wichtiges gelernt, nämlich für meine Träume einzustehen. Darüber hinaus hatte in letzter Zeit ganz viele tolle Begegnungen mit einigen großartigen Frauen in Tech wie beispielsweise Miriam Wohlfarth, Deepa Gautam-Nigge oder Vera Schneevoigt, die ja auch echte und sichtbare Größen im Tech-Bereich sind. Ich schätze sie alle sehr, da sie sich sehr engagieren, eine unglaubliche Energie mitbringen, sich einsetzen und mit einer unheimlichen Begeisterung im Bereich Digitale Bildung und Women in Tech dabei sind. Sehr gern näher kennenlernen würde ich gern Miriam Meckel und Aya Jaff, beide auf ihre Art unglaublich inspirierende Vorbilder.

Jetzt bist du ja auch selbst ein tolles Vorbild für Frauen. Welchen Karriere-Tipp möchtest du anderen Frauen mit auf den Weg geben?

Dr. Julia Freudenberg: Ich glaube, und das ist nichts Frauenspezifisches, sondern eher etwas typisch Deutsches, dass wir immer eher wissen, was wir nicht wollen und darüber jammern anstatt sich Gedanken darüber zu machen, was wir wirklich erreichen wollen. Am Wichtigsten ist daher aus meiner Sicht: eine Hin-zu-Orientierung zu entwickeln und die Antwort auf die Frage: Was will ich eigentlich erreichen? Weil nur, wenn Du das weißt, kannst du dich dahin gezielt entwickeln und wirst in deinem Job erfolgreich sein.

Am Wichtigsten ist daher aus meiner Sicht: eine Hin-zu-Orientierung zu entwickeln und die Antwort auf die Frage: Was will ich eigentlich erreichen?

Welche Frage möchtest Du uns für unsere nächste Interviewpartnerin mitgeben?

Dr. Julia Freudenberg: Meine Frage lautet: Es gibt eine ganze Reihe an negativen Glaubenssätzen, die Frauen und Mädchen zurückhalten und benachteiligen. Wie können wir als Frauen konkret dazu beitragen, diese Glaubenssätze aufzulösen, umzudeuten und durch neue, positive Glaubenssätze zu ersetzen?

Vielen herzlichen Dank für Deine Zeit und das Interview, liebe Julia!

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de

Im Gespräch mit Peter Janze, Geschäftsführer digital@M GmbH

Sie sind Geschäftsführer der digital@M GmbH, eine 100 prozentige Tochter der Stadt München. Dort treiben Sie die Digitalisierung der Stadt und der öffentlichen Verwaltung voran. Zuvor waren Sie als CIO und CDO in verschiedenen Unternehmen tätig und haben die digitale Transformation von Geschäftsmodellen unterstützte.  Dass Diversity für Sie kein reines Lippenbekenntnis ist spürt jeder, der Sie einmal auf einem Panel zu dem Thema erlebt und einen Blick auf Ihre Social-Media-Accounts wirft. Sie haben bei digital@M eine Frauenquote von 55 Prozent. Warum ist Ihnen das Thema Diversity wichtig?

Peter Janze: Im Zuge der immer schneller voranschreitenden technologischen Entwicklung wandeln sich Geschäftmodelle im selben Maße. Es wird immer wichtiger, Technologien schnell zu adaptieren und Innovationen voranzutreiben, um den geschäftlichen Erfolg einer Unternehmung sicherzustellen. Aber auch ethische Fragen, z.B. beim Training maschineller Intelligenz, treten mehr und mehr in den Vordergrund. Um mit dieser zunehmenden Komplexität Schritt zu halten braucht es diverse Teams, die verschiedene Perspektiven in Diskussion und Lösungsfindung einbringen. Diversität geht für mich allerdings noch weiter: Entscheidend sind auch Aspekte wie Alter, Bildung oder Kultur zu betrachten. Mir persönlich bereitet es unheimlich Freude, in einem diversen Team komplexe Probleme zu beleuchten, so dass ich nur empfehlen kann, diese Erfahrung zu suchen.

Wenn ich mich auf Ihren Job bewerben möchte, was würde mich im Arbeitsalltag erwarten? Und was muss ich für den Job unbedingt mitbringen?

Janze: Die digital@M beschäftigt sich mit der Digitalisierung der Landeshauptstadt München, unsere Arbeit wirkt somit nicht nur in der Verwaltung, sondern es profitieren alle Bürger*innen der Stadt. Neben Leidenschaft für neue Technologien benötigt es unbedingt Freude an der Arbeit mit Menschen: Empathie, Verständnis und Fingerspitzengefühl. Nur gemeinsam und in übergreifender Zusammenarbeit im Team kann die Modernisierung der Verwaltung gelingen.

Um es mit dem amerikanischen Soziologen Michael Kimmel zu sagen: We cannot fully empower women and girls without also engaging men and boys, and when we do, we find out that gender equality is a good thing for men as well as women. Wie gewinnt man aus Ihrer Sicht jene zum Umdenken, die aufgrund ihrer Merkmale zu den Privilegierten der Unternehmenswelt gehören?

Janze: Aus meiner Sicht hilft es, sich mit dem Thema „unconcious bias“ zu beschäftigten. Am besten in einer Gruppe, denn die Diskussion gehört dazu. Dennoch liegt es in der Natur von Organisationen, gewachsene Zustände stabil halten zu wollen. Zu einem Umdenken kommt es erst, wenn positive Erfahrungen gesammelt werden. Daher ist es essentiell, dass Diversität in der Unternehmensstrategie verankert und vorgelebt wird, so dass es Teil der Unternehmenskultur wird.

Daher ist es essentiell, dass Diversität in der Unternehmensstrategie verankert und vorgelebt wird, so dass es Teil der Unternehmenskultur wird.

Der Frauenanteil liegt bei Ihnen bei 55 Prozent, in Führungspositionen sogar bei 65 Prozent. Was machen Sie im Recruiting bei digital@M anders? Und was raten Sie Unternehmen, die gerne mehr Bewerbungen von Frauen generieren möchten?

Janze: Ich kann nur aus unserer gesammelten Erfahrung Tipps geben: Wir tragen nach außen, dass Diversität in unserem Unternehmen wichtig ist und, dass wir uns dazu Gedanken machen. Bereits der Stellenanzeigentitel sagt sehr viel aus: Warum wird „m/w/d“ benutzt und nicht „d/m/w“ oder „w/m/d“? Die Verwendung von gendergerechter Sprache sowie klischeefreiem, eigenen Bildmaterial ist ebenfalls essentiell. Natürlich spielt auch der Inhalt der Stellenanzeige selbst eine Rolle. Wenn es dann zu einem Kennenlerngespräch kommt, findet dieses immer paritätisch besetzt statt. Wir legen zudem sehr viel Wert auf ein Team- und Kultur-Kennenlernen.

Als hilfreich sehe ich Role Models an: Beispielsweise halten unsere Kolleginnen Vorträge und tragen einen wichtigen Beitrag zur Bekanntheit bei. Diesen Freiraum sollten Unternehmen folglich bieten.

Das sind tolle Impulse und Anregungen, um als Unternehmen meine Diversität in der Dimension Gender zu stärken. Jedoch ist das Recruiting nur der Anfang. Wie müssen Maßnahmen aussehen, um Frauen langfristig zu binden und in Führungspositionen zu bringen?

Janze: Langfristig möchte ich natürlich gerne alle Mitarbeitenden binden. An dieser Stelle müssen wir über neue Arbeits- und Hierachiemodelle sprechen, die Einzug halten. Zu oft erlebt man „Business Theater“, welches den Frustlevel steigen lässt. Ziel muss es sein, sinnstiftende Arbeit mit den Kunden in den Fokus zu rücken. Das bedeutet auch ein weg von der reinen Anwesenheitszeit als Karrierekriterium: Bereits heute verfügbare Technologien ermöglichen es, dass Familie und Beruf viel besser miteinander vereinbart werden können, da es immer weniger eine Rolle spielt, ob man remote oder in Teilzeit arbeitet. Letzteres darf dann natürlich auch nicht mehr das Karriereaus bedeuten.

Und wie bringt man nun Frauen in Führungspositionen? Einfach machen. Bei Männern wird oft gesagt „Das traue ich ihm zu“, Frauen hingegen müssen sich beweisen. Diese Denkmuster zu durchbrechen ist gar nicht so einfach, wenn man sich nicht bewusst ist, dass sie existieren.

Bei Männern wird oft gesagt „Das traue ich ihm zu“, Frauen hingegen müssen sich beweisen. Diese Denkmuster zu durchbrechen ist gar nicht so einfach, wenn man sich nicht bewusst ist, dass sie existieren.

Ein weiteres Instrument zur Förderung von Vielfalt in Chefetagen ist die Frauenquote. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte zuletzt einen Gesetzentwurf für eine Frauenquote in Vorständen großer börsennotierter Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern vorgelegt. Was halten Sie von Quoten?

Janze: Nur mit ambitionierten Zielen beginnt man, Veränderungen voranzutreiben. Ich bin daher Befürworter einer 50%-Quote. Ich habe leider selbst beobachten müssen, wie sich Top-Leistungsträgerinnen mit frischen Ideen nicht gegen etablierte Netzwerke und Denkweisen durchsetzen können und die sprichwörtliche „gläserne Decke“ Vielfalt verhindert. Ich bin zudem fest überzeugt, dass mit einem relevanten Frauenanteil im Management der generelle Frauenanteil im Unternehmen steigt.

Wir haben jetzt viel auf die Unternehmensseite geschaut. Das wäre jedoch zu einseitig. Lassen Sie uns daher auch auf die andere Seite schauen. Aus Ihrer langjährigen Erfahrung als Führungskraft, was können Frauen besser machen?

Janze: Leider wird Frauen häufig suggeriert, dass sie sich verändern müssen: Sprüche wie „Sprecht mit tieferer Stimme“ oder „Tragt lieber einen Hosenanzug statt eines Kleides“ gehören in eine gut abgeschlossene Schublade, denn Angepasstheit verhindert Diversität. Es gilt also, sich seiner eigenen Stärken bewusst zu werden und an diesen zu arbeiten bzw. diese weiter zu stärken und mit diesen sichtbar zu werden.

„Sprecht mit tieferer Stimme“ oder „Tragt lieber einen Hosenanzug statt eines Kleides“ gehören in eine gut abgeschlossene Schublade, denn Angepasstheit verhindert Diversität.

Haben oder hatten Sie selbst Vorbilder, die Sie inspiriert und/oder gefördert haben?

Janze: Ein klares Vorbild habe ich nicht, da ich der Überzeugung bin, dass es nicht gut ist, einer Person nachzueifern. Schlussendlich ist man ja immer noch man-selbst. Aber selbstverständlich gibt es viele inspirierende Menschen in meiner beruflichen als auch privaten Umgebung, von denen ich lerne.

Sie sind sicherlich auch ein Vorbild für andere Führungskräfte: Welche drei Eigenschaften sollte eine gute Führungskraft aus Ihrer Sicht mitbringen?

Janze: Wichtig sind aus meiner Sicht mindestens: Reflektiertheit, Transparenz und Förderung. Das eigene Handeln sollte man hinterfragen und die Wirkung reflektieren. Hilfreich sind dazu aktiver Austausch mit seinem Team, aber auch mit anderen Personen. Transparenz und Offenheit fördern die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen – besonders wichtig ist dies, wenn es um unangenehme Dinge geht. Und Förderung steht dafür, dass man die Leistungen des Teams bzw. der am Ergebnis Beteiligten in den Vordergrund stellen sollte. Glaubt an eure Mitarbeiter*innen und stärkt sie in dem, was sie tun.

Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zum Chefredakteur eines Leitmediums – egal ob Die Zeit, FAZ oder Handelsblatt: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Janze: Spannender Job! In der Headline steht „Unternehmen setzen auf eine paritätisch besetzte Doppelspitze“. Die ersten Gehversuche in diese Richtung gibt es ja bereits.

Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung findet oder ein Herzensthema, das Sie umtreibt? Welche Frage möchten Sie uns in diesem Zusammenhang für die/den nächsten Interview-Partner/in mitgeben?

Janze: Eine paritätisch besetzte Doppelspitze finde ich eine interessante Möglichkeit, Unternehmen in die Zukunft zu führen und auch den Vielfalts-Gedanken an ganz zentraler Stelle zu verankern. Wie kann man dieses Modell zum Erfolg führen?

Zum Schluss noch eine wirklich schwierige Frage, die uns Deepa-Gautam Nigge von SAP für Sie mitgegeben hat. Die Unternehmen haben die Wichtigkeit von Diversität erkannt. Wir wissen, wir müssen Diversität in all ihren Dimensionen fördern. Auch die gesellschaftliche Notwendigkeit dafür ist in allen Bereichen mehr als evident. Schaffen wir die geeigneten Strukturen profitieren nicht nur Frauen, sondern in der positiven Folge auch andere benachteiligte Gruppen. Trotz dieser Erkenntnis zementiert der Unconcious Bias gerade im mittleren Management mit zunehmendem Aufstieg in der Hierarchie eine Abrisskannte. Wie schaffen wir es, systematisch eine inklusive Kultur zu verankern, dass sich Frauen mittelfristig weiter durchsetzen und ihr Potential gezielt entfaltet wird?

Janze: Wie Deepa-Gautam Nigge sagte ist Diversität kein eindimensionales Thema. Von einer inklusiven Kultur profitieren alle – im besten Fall nicht nur Personen, die durch ein bestimmtes Raster fallen. Sich mit unconcious bias zu beschäftigen ist ein wichtiger Punkt: Jede*r von uns hat bias im Kopf. Die müssen nur ständig hinterfragt werden. Wenn ich gendergerechte Sprache in einem Dialog nutze, ist das ein erster Schritt. Diversity und Inclusion muss auf allen Ebenen vorgelebt werden. Das mittlere Management wird gerne als Abrisskante bezeichnet – die „Gläserne Decke“. Deswegen muss Diversity und Inclusion in der Unternehmensführung aktiv vorangetrieben werden.

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Christine Regitz

Im Gespräch mit Christine Regitz, Vice President | Head of Women in Tech@SAP Member of the Supervisory Board

Sie sind IT-Spezialistin, Softwareentwicklerin, Aufsichträtin bei SAP und ehemalige Vizepräsidentin der Gesellschaft für Informatik, zertifizierter Business Coach und Mediatorin, Mitglied des Präsidiums der Gesellschaft für Informatik, Mitglied des High-Level Advisory Comitee des European Centre for Women and Technology, Mitglied des Beirats von CyberMentor und Head of Women in Tech@SAP. Da möchte ich erst einmal fragen: Wow – wie schaffen Sie das?

Christine Regitz: Zum einen habe ich ein paar Jahre Zeit gehabt, um das alles aufzubauen. Zum anderen habe ich keine Kinder und damit natürlich auch entsprechend mehr Zeit. Ich habe einen Mann, der mich sehr unterstützt und es macht mir einfach Spaß. Ich glaube, das ist wie mit allen Dingen, die einfach Spaß machen, dafür hat man dann auch Zeit. Manche gehen gerne Tennisspielen, andere gehen gerne angeln und ich möchte gerne Frauen fördern und die Informatik und MINT-Berufe in Deutschland voranbringen.

Sie haben eine sehr beeindruckende Karriere in der Tech-Branche gemacht. Welchen Tipp haben Sie für Frauen, die in der Tech-Branche durchstarten wollen?

Regitz: Zum einen ist es ganz wichtig, eine Affinität zu Tech-Themen mitzubringen. Sie müssen jedoch nicht Informatik oder Mathematik studieren, um in der Tech-Branche zu arbeiten. Die Tech-Branche braucht ganz viele unterschiedliche Talente und Menschen. Ich habe beispielsweise eine Kollegin, die hat Anthropologie studiert. Das ist jetzt nicht unbedingt der klassische Weg, um bei der SAP zu arbeiten. Für mich ist es wichtig klarzumachen, dass die Tech-Branche eine moderne, junge und zukunftsfähige Branche ist, die unglaublich spannende Themen bietet und auch ganz viele verschiedene Berufsbilder und Berufsfelder. Wir brauchen Juristinnen für Vertragsgestaltung oder für Fragen zum Patentschutz, genauso wie klassische BWLerinnen im Controlling oder Menschen mit psychologischem oder soziologischem Hintergrund beispielsweise im Bereich HR.

Sie sind Aufsichtsrätin und Head of Women in Tech@SAP. Bereits 2007 haben Sie bei SAP das Business Women´s Network mit gegründet. Warum ist Ihnen Engagement im Bereich Diversity und insbesondere Gender persönlich wichtig?

Regitz:  Zum einen bin ich ganz klar für Gleichberechtigung. Es ist mir eine Herzensangelegenheit und das möchte ich weitertragen. Darüber hinaus glaube ich an den Pluralismus. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, gemischte Teams zu haben, um einen konstruktiven Meinungsaustausch zu haben. Es geht darum, verschiedene Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten zusammenzubringen. Das ist für mich der wichtigste Punkt im Bereich Diversity. Mitunter hat man selber eine eingeschränkte Sichtweise auf Dinge, die man schon immer auf eine bestimmte Art und Weise gemacht hat. Plötzlich sagt jemand: Warum machst du das eigentlich so? Das wäre doch anders viel geschickter.

Darüber hinaus glaube ich an den Pluralismus. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, gemischte Teams zu haben, um einen konstruktiven Meinungsaustausch zu haben.

Im Bereich Women in Leadership gibt es einerseits einige positive Entwicklungen: beispielsweise in der Politik mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen, anderseits gibt es Konzerne, die sich eine Frauenquote von 0 Prozent im Vorstand setzen. Wie weit sind wir aus Ihrer Sicht im Bereich Women in Leadership?

Regitz: Da ist natürlich noch jede Menge Luft nach oben. Eins ist völlig klar, mit den aktuellen Zahlen können wir nicht zufrieden sein. Wir müssen an unterschiedlichen Stellschrauben drehen. Erstens müssen wir sicher stellen, dass genug Frauen entsprechend ausgebildet sind und in den Unternehmen arbeiten. Das sorgt dafür, dass eine Grundgesamtheit da ist, die überhaupt die Fähigkeit und den Willen dazu hat, Vorständin zu werden. Andererseits müssen wir sicherstellen, dass Frauen die Möglichkeit haben, ihren Wunsch-Beruf auszuüben. Dazu müssen wir an strukturellen Stellschrauben drehen. Die primäre Aufgabe liegt jedoch darin, erst einmal ausreichend Frauen in die Unternehmen reinzubringen, die dann auch entsprechend befördert werden und Führungspositionen im Topmanagement besetzen.

Als Instrument zur Förderung von Vielfalt in Chefetagen ist die Forderung nach Frauenquoten gerade sehr akut. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte zuletzt einen Gesetzentwurf für eine vorgelegt. Auch ein Netzwerk von prominenten Frauen wie Janina Kugel fordert eine Frauenquote von 30 Prozent in den Vorständen großer deutscher Unternehmen. Wie stehen Sie persönlich zum Thema Frauenquote?

Regitz: Ich glaube nicht, dass es uns hilft, nur auf Vorstandsebene eine Quote zu setzen.  Wenn nicht ausreichend Frauen da sind, nutzt das nicht viel. Nehmen Sie als Beispiel ein Maschinenbau- oder Tiefbau-Unternehmen, da gibt es viel zu wenig Frauen insgesamt. Wir können nicht einfach oben anfangen. Wir müssen unten anfangen und dafür sorgen, dass die Frauen von unten nachkommen. An dieser Stelle müssen wir Frauen entsprechend fördern, um dann in Zukunft eine Masse zu haben, die kann nicht nur die notwendigen Fähigkeiten hat sondern auch Vorständin werden will.

Ich glaube nicht, dass es uns hilft, nur auf Vorstandsebene eine Quote zu setzen.  Wenn nicht ausreichend Frauen da sind, nutzt das nicht viel.

In einem Interview haben Sie von einer Situation in der Studienberatung erzählt. Sie waren eigentlich sehr begeistert und wollten Mathematik studieren. Der Studienberater hat zu Ihnen gesagt, Sie könnten damit eine akademische Laufbahn einschlagen oder Sterbetafeln für Versicherungen berechnen. Wenn Sie jetzt ein bisschen auf den Faktor Bildung schauen, was würden Sie sagen? Was läuft vielleicht falsch? Und was sind auch Punkte, wo wir als Gesamtgesellschaft ansetzen können?

Regitz: Was wir als Gesellschaft nach wie vor nicht gut schaffen, ist Berufsbilder richtig rüberzubringen. Wenn Sie Medizin studieren, werden Sie Ärztin. In der Technologie aber ist das Berufsbild nicht so greifbar und klar. Durch die digitale Transformation aller Branchen und Lebensbereiche entstehen stets neue Berufe. Wir müssen ganz eindeutig besser vermitteln, was arbeite ich später, welche Möglichkeiten habe ich, welchen Beruf ergreife ich? Berufsbilder-Vermittlung ist für mich das A und O. Hinzu kommt die Digitalisierung und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen, sowie die Informatik in ihren Grundlagen und im Bereich Anwendungswissen in die Curricula der Schulen reinzubringen, und zwar in allen Schulformen – aus meiner Sicht schon in der Grundschule.

Es gibt eine ganze Reihe an Klischees gegenüber Männern und Frauen im Beruf. Sie haben einmal gesagt: „Wenn die Männer in den Raum kommen, die markieren erstmal jede Ecke wie so ein Hund, erst wenn die Hierarchie geklärt ist, dann wird es inhaltlich. Das ist etwas, was mich anstrengt, was ich auch selber erlebe, da muss ich sagen, da hab ich keine Lust drauf, ich möchte direkt ins Fachliche gehen und das Hierarchiegerangel gar nicht erst anfangen.“ Was sind aus Ihrer Sicht gute Taktiken, um das Hierarchiegerangel zu unterbinden?

Regitz: Ich glaube, es zu unterbinden, wird schwierig. Es ist einfach eine Verhaltensregel und es ist wichtig, diese zu kennen und zu wissen, was passiert, wenn Machtspiele gespielt werden. Umgekehrt müssen Männer auch verstehen, wenn ein Vorgesetzter beispielsweise zu einer Mitarbeiterin sagt: Ich habe ein ganz tolles Projekt, genau das, was du machen solltest. Und die Mitarbeiterin sagt: Hm, ich weiß aber nicht, dass dies eine typische Verhaltensweise von Frauen ist. Das heißt nicht, dass die Mitarbeiterin zögert, sondern dass sie genau verstehen will, worum es geht. Die Reflexion über Verhaltensweisen, sie zu kennen und dann ganz rational einordnen zu können, das war auch für mich persönlich ein sehr erhellender Moment.

In der Retroperspektive auf Ihre Karriere hatten Sie Vorbilder oder gibt es jemanden, wo Sie sagen, die Frau in Tech würde ich gerne einmal treffen?

Regitz:  Vorbilder im eigentlichen Sinne gab es ganz viele – je nach Lebensphase. Wenn ich schon seit vielen Jahren sehr gut finde, ist Madeleine Albright. Ihr Zitat hat mich lange beschäftigt: Es gibt einen besonderen Platz in der Hölle für Frauen, die andere Frauen nicht unterstützen. Genau das war auch der Punkt, den ich an mir selber entdeckt habe, dass ich anderen Frauen gegenüber nicht immer wohl gesonnen war. Das Zitat trifft es exakt auf den Punkt, wir Frauen müssen als Allererstes anfangen, uns gegenseitig zu unterstützen. Das fand ich einfach großartig und ich habe mir auch gerade auch das neue Buch von Madeleine Albright bestellt, weil ich ihren Lebensweg und auch ihre Denkweise sehr schätze.

Wenn ich schon seit vielen Jahren sehr gut finde, ist Madeleine Albright. Ihr Zitat hat mich lange beschäftigt: Es gibt einen besonderen Platz in der Hölle für Frauen, die andere Frauen nicht unterstützen.

Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Handelsblatt, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Regitz: Meine Schlagzeile lautet: Frauen-Ressort des BMFSFJ erfolgreich ins Wirtschaftsministerium übergeben. Frauen sind keine Minderheit und sollten auch nicht als solche gesehen werden. Deshalb wünsche ich mir diese Schlagzeile und das Frauen-Ressort ins Wirtschaftsministerium.

Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung findet oder ein Herzensthema, das Sie umtreibt? Welche Frage möchten Sie uns in diesem Zusammenhang für die nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Regitz: Eine Studie der UNESCO verdeutlicht, dass in Ländern, die nicht unbedingt für Gleichberechtigung stehen wie bspw.  Saudi Arabien, Malaysia, Myanmar deutlich mehr Frauen einen wissenschaftlichen Abschluss in MINT-Fächern machen. Meine Frage lautet daher: Warum studieren gerade in den Ländern so viele Frauen ein MINT-Fach? Und was können wir darüber reflektieren und daraus lernen?

Unsere Interview-Partnerin Agnes Heftberger, VP Sales IBM DACH, hat uns folgende Frage für Sie mitgegeben: Was können wir als Unternehmen der deutschen Wirtschaft tun, um dort wo die Challenge startet – nämlich in der Bildung – schon früh gleichberechtigte Rahmenbedingungen zu schaffen? Es wird ja stets an Politik und Strukturen verwiesen aber was ist unser Beitrag als Wirtschaft dazu?

Regitz:  Der Beitrag der Wirtschaft ist schon relativ groß, weil die Lücke der Fachkräfte stetig wächst. Unternehmen unterstützen in vielfältiger Weise schulische Projekte und versuchen auf die Politik einzuwirken. Insofern lässt sich natürlich diskutieren: Tun Unternehmen genug in Richtung der Politik und der bestehenden Strukturen oder könnten Unternehmen an der Stelle nicht eine Lobby bilden oder Beiträge liefern, die Politik dann einsetzen kann? Das ist allerdings genau die Herausforderung. SAP beispielsweise sitzt im Dreiländereck (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen). Und Bildung ist im Wesentlichen Ländersache und damit erschwert der Föderalismus ein zentrales Rahmenwerk, weil jedes Bundesland seine eigene Agenda und seine eigene Regierung hat.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Frau Regitz!

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Im Gespräch mit Agnes Heftberger, Geschäftsführerin der IBM Deutschland und Vice President Vertrieb bei IBM Deutschland, Österreich und Schweiz

Sie sind Geschäftsführerin der IBM Deutschland und leiten als Vice President den Bereich Vertrieb bei IBM Deutschland, Österreich und Schweiz, sind bereits seit 19 Jahren bei IBM beschäftigt und haben im Konzern eine beeindruckende Karriere hingelegt. Wie gestaltet sich Ihr Arbeitstag?

Agnes Heftberger: Mein Arbeitstag ist tatsächlich sehr abwechslungsreich. Da gibt es ganz unterschiedlichste Aufgaben und Themen von Interaktionen mit Kunden über Strategie-Projekte oder Karriere-Entwicklungsgespräche bis hin zu Interviews oder Speaker-Tätigkeiten auf Events. Meine Position umfasst viele unterschiedliche Facetten und das macht den Job aus meiner Sicht so spannend.

Was ist denn das Spannendste an Ihrem Job?

Heftberger: Sicherlich die Komplexität. Ich bin jemand, der sich schnell langweilt. Routine ist daher absolut nichts für mich. Ich finde gerade die unterschiedlichen Anforderungen, die mein Job mit sich bringt, sehr spannend. Ich arbeite immer mit Menschen, ich arbeite mit Technologie. Gemeinsam mit meinem Team und unseren Kunden überlegen wir, wie wir Technologie so einsetzen können, dass wir ein Unternehmen, eine ganze Branche, einen Teil unserer Gesellschaft ein Stück besser machen. Ich kann mir keine bessere Kombination vorstellen.

Was muss ich mitbringen an Soft Skills oder an fachlichen Kompetenzen, um in so eine Position zu bekommen?

Heftberger: Es gibt drei Elemente, die meiner Meinung nach wichtig sind. Das eine ist die Freude am Lernen. Wir agieren in einem sich sehr schnell bewegenden Markt, da braucht es die Freude, jeden Tag ein Stück weit etwas dazuzulernen zu wollen. Als zweiten Aspekt braucht es die Begeisterung für Leadership und damit eine Begeisterung für Menschen. Die Fähigkeit, andere zu begeistern, ist essentiell, einerseits im eigenen Team, in der eigenen Organisation, anderseits Menschen, die außerhalb des Unternehmens stehen. Drittens schadet es natürlich nicht, wenn man sich Erfahrungen aufbaut und verschiedenste Projekte auch wirklich erlebt hat und damit einhergehend auch eine gewisse Resilienz aufbaut. Transformations-Projekte oder Leadership-Rollen verlaufen nicht immer hundertprozentig glatt. Es gibt immer unvorhergesehene Dinge und dann braucht es die Fähigkeit, sich davon nicht entmutigen zu lassen, sondern daraus zu lernen und die gewonnenen Erkenntnisse für das nächste Mal mitzunehmen.

Sie bringen nicht nur eine unheimliche Begeisterung und Offenheit für Neues und für Menschen mit, sondern auch für Diversity und Female Empowerment. Sie sind u. a. für den eco://award in der Kategorie #LiT – Ladies in Tech nominiert. Warum ist Ihnen das Thema Diversity persönlich wichtig?

Heftberger: Es ist für mich persönlich wichtig, weil ich glaube, dass es für die Gesellschaft extrem wichtig ist. Wir haben noch viele klassische Schalthebel in unserer Gesellschaft, die nicht gleichberechtigt besetzt sind, beispielsweise in Wirtschaft, Politik oder Forschung. Solange diese Stellen sehr einseitig besetzt sind, glaube ich, dass wir unserer Gesellschaft nicht den besten Dienst erweisen, und von daher ist Diversity für mich ein Herzensthema. Der zweite Grund ist einfach: Wir sprechen extrem viel über das Thema. Aber unterm Strich kommen wir nur sehr langsam voran. Es ist noch ein langer Weg, und ich will nicht am Schluss irgendwie mitwandern oder einen beschwerlichen Wanderweg gestalten, sondern diesen Weg ebnen und ihn zu einer Autobahn machen.

Wir haben noch viele klassische Schalthebel in unserer Gesellschaft, die nicht gleichberechtigt besetzt sind, beispielsweise in Wirtschaft, Politik oder Forschung. Solange diese Stellen sehr einseitig besetzt sind, glaube ich, dass wir unserer Gesellschaft nicht den besten Dienst erweisen, und von daher ist Diversity für mich ein Herzensthema.

Wir haben in Deutschland nur knapp 17 % Frauen in der IT. In Führungsetagen wird der Gender Gap noch größer. Haben Sie eine Idee, wie wir mehr Vielfalt in die Führungsetagen bringen können?

Heftberger: Was es braucht, ist einfach mehr Mut! Ich sehe viel zu oft ein schablonenhaftes Verhaltensmuster, in dem wiederholt wird, was wir schon die letzten Jahrzehnte gemacht haben. Wenn ich immer dasselbe mache, dann erhalte ich eben immer das durchschnittlich schlechte Ergebnis in dem Sinne, dass Teams so zusammengesetzt bleiben wie sie momentan sind. Ich glaube, wir brauchen Frauen und Männer, die den Mut haben, es anders zu machen. Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, wenn wir Frauen die Chance geben, dann beweisen sie sich auch. Die Ergebnisse, die diese Frauen in ihren Rollen einfahren, sprechen für sich.

Die Coronakrise wird in Bezug auf die Auswirkungen zur Geschlechtergerechtigkeit sehr unterschiedlich bewertet. Die Soziologin Jutta Allmendinger mahnte jüngst, die Pandemie befördere alte Rollenmuster. Um drei Jahrzehnte werde der erreichte Fortschritt in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit zurückgeworfen. Anderseits gehen Studien (z. B. das „Working Paper No. 26947“ der Cambridge University) davon aus, dass Frauen langfristig vom Corona-bedingten Wandel unserer Arbeitswelt profitieren können. Wie sehen Sie ganz persönlich als Geschäftsführerin, Ehefrau, Mutter die Herausforderung der Pandemie und die Auswirkungen auf die Geschlechtergerechtigkeit?

Heftberger: Die COVID19-Pandemie ist natürlich eine riesige Herausforderung für jeden von uns – auch für mich als Geschäftsführerin, als Ehefrau, als Mutter, als Individuum. Mein Sohn hätte zum Beispiel zu Beginn der Krise seine Kita starten sollen, da gab es monatelang Überbrückungsnotwendigkeiten. Das war alles andere als einfach aber mein Mann und ich haben das gemeinsam gut gemeistert. Auf der anderen Seite war ich deutlich weniger unterwegs und konnte meinen Sohn viel häufiger sehen. Generell habe ich versucht, die Chance zu nutzen und als Leader vorzuleben, dass die Integration zwischen Arbeit und Privatleben gut funktionieren kann.

Von Vorteil war sicherlich, dass Mobile Working bei IBM schon sehr lange zum Standard gehört und wir bei IBM daher schon gut ausgestattet waren. Aber es gibt viele Unternehmen, mit denen ich täglich zu tun habe, bei denen das nicht der Fall war. Da habe ich das Gefühl, dass die Akzeptanz für technologische Tools und flexiblere Arbeitsmodelle eindeutig gestiegen ist. Ich denke, dass viele Männer im Homeoffice gemerkt haben, was ihre Frauen eigentlich an Care-Arbeit leisten und hoffe daher, dass Frauen langfristig vom Corona-bedingten Wandel unserer Arbeitswelt profitieren können.

Ich würde gerne auch auf Ihr Herzensthema kommen: Mentorship. In Ihrem LinkedIn Artikel schreiben Sie sinngemäß: Man lernt immer in zwei Richtungen. Was haben Sie von einem Ihrer letzten Mentee gelernt?

Heftberger: Ich habe immer mehrere Mentees und lerne immer aus der Interaktion. Was mich jüngst wirklich beeindruckt hat, war ein extrem hoher Grad an Hartnäckigkeit, den ich vielleicht schon ein Stück weit verloren hatte. Ich habe eine Mentee, die sehr wie ein Entrepreneur denkt und im Konzern ein Projekt treibt, das etwas ausserhalb unserer Standard-Projekte war. Ich habe oft mit ihr über das Projekt gesprochen, und es war dann echt mal ein Punkt gekommen, an dem ich nicht mehr so sicher war, ob sich das jetzt noch irgendwie durchziehen lässt. Aber sie war eben sehr hartnäckig und beim letzten Gespräch hat sie mir erzählt, dass es geklappt hat. Ich bin selbst sehr resilient, aber das war schon beeindruckend.

Wenn ich jetzt einen Mentor suche, wie sollte ich da vorgehen? Wie stelle ich das am besten an?

Heftberger: Was aus meiner Erfahrung am besten funktioniert ist, einfach ansprechen und fragen. Dabei sollte man eine Person wählen, die Hürden überstanden hat, die ein Stück weit einen anderen Ansatz hat als man selbst und einen Weg beschreitet, der interessant scheint. Und ich empfehle jedem, ruhig mehrere Mentoren zu haben – jeder Mentor erweitert den Horizont. Natürlich habe ich als Mentorin nur eine gewisse Kapazität, aber ich freue mich immer, wenn mich jemand fragt. Auch wenn ich sagen muss: „Es tut mir leid, aber ich habe meine Kapazitäten erreicht“. In solchen Fällen gebe ich dann aber immer einen Tipp mit, an wen man sich wenden könnte.

Ich empfehle jedem, ruhig mehrere Mentoren zu haben – jeder Mentor erweitert den Horizont.

Sie haben auf LinkedIn einen sehr interessanten Artikel über Mentorship geschrieben. Darin geben Sie auch Tipps für Mentoren. Was macht aus Ihrer Sicht einen guten Mentor aus?

Heftberger: Essentiell ist das ein Interesse und Verständnis für den Mentee. Ein Mentor muss den Menschen ganzheitlich verstehen wollen, mit all seinen Ambitionen, mit den Rahmenbedingungen, mit seinen persönlichen Präferenzen, seiner Vergangenheit und Prägung. Das impliziert die Bereitschaft zuzuhören, sich reinzudenken und gute Fragen zu stellen. Ich fand eine Ergänzung aus der LinkedIn Community zudem sehr wertvoll: Als Mentor sollte ich das eigene Netzwerk öffnen, weil es der beste Multiplikator ist. Eine ehemalige Mentorin von mir konnte beispielsweise eine Speaker-Tätigkeit nicht wahrnehmen und fragte mich: Magst du vielleicht? Das war sehr hilfreich und hat mir ein paar weitere Türen geöffnet. Das Netzwerk-Öffnen gilt insbesondere, wenn es um Mentoring von Frauen geht. Wir stellen immer wieder fest, dass es langjährige über Jahrzehnte lang aufgebaute Netzwerke gibt und Frauen da nur mühsam reinkommen.

Sie hatten auch selber Vorbilder und Mentoren. Wenn Sie selbst eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen dürften: Wer wäre es und warum? 

Heftberger: Da gibt es ganz, ganz viele inspirierende Personen international und im DACH-Raum. Ich bin grundsätzlich von großer Neugier getrieben. Wenn ich die Chance dazu hätte, würde ich 365 Tage mit jemandem Mittagessen, den ich inspirierend finde. Für mich ist es besonders wichtig, dass auch etwas nachhallt von den Inspirationen, die ich gewinne und sich die Erkenntnisse im eigenen Handeln und Denken widerspiegeln.

Da fällt mir sofort meine Begegnung mit Shirley Ann Jackson, Ph. D., ein, die ich Anfang des Jahres in den USA getroffen habe. Jackson ist eine der renommiertesten Physikerinnen der USA und Präsidentin des Rensselaer Polytechnic Institute. Sie war die erste Afro-Amerikanerin, die am MIT einen Doktor gemacht hat, hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, war im technologischen und wissenschaftlichen Berater-Stab von Obama und sitzt jetzt im Board von IBM. Ich finde es extrem spannend, wie sie ihren Weg gegangen ist. Wie sie schon in der Schule auf die Idee gekommen ist, sich mit Science zu beschäftigen, welche Rolle ihre Lehrerin und ihre Eltern dabei gespielt haben, wie sie sich durchgekämpft hat und sich in der Wissenschaft einen Namen gemacht hat.

Sie sind Geschäftsführerin bei IBM. Sie haben umfassende Erfahrung im Bereich Leadership. Welche Art von Führungsverständnis braucht das digitale Zeitalter?

Heftberger: Wir haben vor einer Weile eine Initiative namens „Positive Leadership“ bei IBM eingeführt, alle unsere Führungskräfte entsprechend geschult und das Konzept breit ausgerollt. Für mich ist Servant Leadership die Basis für Positive Leadership. Nach dieser Philosophie ist die Führungskraft nicht jemand, der über anderen steht und Arbeitsanweisungen gibt und beurteilt, sondern jemand, der dem Team Mehrwert liefert, der Dienst am Team leistet. Das ist für mich persönlich das Mantra. Ein Leader muss das Individuum und das Team in die Lage versetzen, das Bestmögliche, was in jedem Einzelnen drinsteckt, auch wirklich zutage zu fördern. Ich bin extrem begeistert, dass wir den mit Positive Leadership einhergehenden Kulturwandel bei IBM tief verankert haben.

Für mich ist Servant Leadership die Basis für Positive Leadership. Nach dieser Philosophie ist die Führungskraft nicht jemand, der über anderen steht und Arbeitsanweisungen gibt und beurteilt, sondern jemand, der dem Team Mehrwert liefert, der Dienst am Team leistet.

Die Pandemie braucht ein anderes Verständnis von Führung. Gerade Führungskräfte, die zum Mikromanagement neigen, müssen jetzt loslassen. Was braucht Digitales Leadership in Pandemiezeiten?

Heftberger: Ich glaube in Pandemiezeiten, in denen Teams ausschließlich virtuell miteinander agieren, wird ein ohnehin schon wichtiger Aspekt wichtiger und zwar, sich als Leader intensiv mit den Menschen im Team auseinanderzusetzen Wo stehen sie? Wo haben sie ihre Schwierigkeiten? Wo haben sie ihre großen Potenziale, die man bisher vielleicht nicht heben konnte? Wie kann ich ihnen helfen und gleichzeitig auch sicherzustellen, dass der Mensch sich im Team wohlfühlt? Genauso wichtig ist es, Raum für die Mitarbeiter zu schaffen und auch Verständnis dafür zu zeigen, wenn es gerade nicht so einfach ist. Wenn man alleine lebt und jetzt die Decke auf den Kopf fällt oder wenn man eine Familie zu versorgen hat. Dafür muss ich als Leader ein Gespür haben. Ich halte das eigentlich für unerlässlich, und ich glaube, es gibt auch für dieses traditionelle, kontrollierende, hierarchisch Autoritäre keinen Platz mehr.

Nina Gohlke von Salesforce hat uns folgende Frage für Sie mitgegebenWie gewinnen wir mehr Männer als “Allies”, um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen?

Heftberger: Sehr interessante Frage und ich glaube, Frau Gohlke hat recht. Um auf dem Weg zu mehr Diversity schneller ans Ziel zu kommen, brauchen wir männliche Allies. Erfahrungsgemäß funktioniert es am besten, wenn man die Männer bei einem Trigger packt, der sie persönlich anspricht. Viele sind Väter von Töchtern oder haben eine weibliche Führungskraft oder ein weibliches Talent in ihrem Team. Ich glaube es ist pragmatisch und erfolgsversprechend über diesen Trigger männliche Allies zu gewinnen. Einfach zu sagen, da machst du so viel für deine talentierte Mitarbeiterin, wie können wir das auch auf weitere weibliche Talente ausweiten und andere dafür begeistern? Vielleicht lässt sich so auch erreichen, dass Gleichberechtigung auch ein ernsthaftes Mann-zu-Mann-Gesprächsthema wird?

Um auf dem Weg zu mehr Diversity schneller ans Ziel zu kommen, brauchen wir männliche Allies. Erfahrungsgemäß funktioniert es am besten, wenn man die Männer bei einem Trigger packt, der sie persönlich anspricht. Viele sind Väter von Töchtern oder haben eine weibliche Führungskraft oder ein weibliches Talent in ihrem Team.

Vielen Dank! Dann würde ich Ihnen auch gern die Gelegenheit geben, eine Frage für unsere nächste Interviewpartnern zu formulieren.

Heftberger: Was können wir als Unternehmen der deutschen Wirtschaft tun, um dort wo die Challenge startet – nämlich in der Bildung – schon früh gleichberechtigte Rahmenbedingungen zu schaffen? Es wird ja stets an Politik und Strukturen verwiesen aber was ist unser Beitrag als Wirtschaft dazu?


Herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Frau Heftberger!


Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de

Im Gespräch mit Nina Gohlke, Government Affairs and Public Policy Analyst, Salesforce

Wenn ich mich auf Ihren Job bewerben möchte, was würde mich im Arbeitsalltag erwarten? Und was muss ich für den Job unbedingt mitbringen?

Gohlke: Als Mitarbeiterin des Government Affairs and Public Policy Teams von Salesforce agiere ich als “Schnittstelle” zwischen Unternehmen und dem politischen Betrieb. Da sowohl das politische Tagesgeschäft als auch die Arbeit in unserem höchst innovativen Unternehmen alles andere als monoton sind, gibt es den klassischen Alltag (glücklicherweise) nicht. Interesse, sich mit neuester Technologie und gesellschaftspolitischen Entwicklungen zu beschäftigen, muss man aber auf jeden Fall mitbringen. Dies erfordert Flexibilität und konstantes Lernen. Sicherheit gibt mir dabei ein tolles, starkes Team, welches in mich investiert und mich wachsen sehen möchte. Darüber hinaus braucht man für den Job kommunikatives und politisches Gespür, Argumentationsstärke und die Fähigkeit komplexe Zusammenhänge zu analysieren und auf den Punkt zu bringen.

Sie sind für Salesforce nicht nur im Bereich Goverment Affairs tätig, sondern auch Leader des Salesforce Women´s Network Deutschland. Warum ist Ihnen Engagement im Bereich Diversity persönlich wichtig?

Gohlke: Das Thema Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit treibt mich seit jeher um. Im Verlauf meines Studiums habe ich beispielsweise mit Freunden eine Menschenrechtsorganisation gegründet, mit der wir mehr als 60.000 Kindern und Jugendlichen in Ghana Zugang zu Sexualaufklärung ermöglicht haben – ein wichtiger Aspekt, wenn es um die globale Geschlechtergerechtigkeit geht. Als ich mich nach dem Studium für einen Job in der noch immer männlich dominierten Tech-Welt entschied, war mir sofort klar, dass ich mich auch in diesem Kontext dafür einsetzen möchte, dass Männer und Frauen gleiche Chancen und Repräsentation erhalten und Frauen dazu ermutigt werden, ihren Weg zu finden und zu gehen. Im Women’s Netzwerk bei Salesforce kann ich meinen Teil zu dieser Entwicklung beitragen.

Im Salesforce-Blog ist folgendes Zitat von Ihnen zu lesen; „Sich für Vielfalt einzusetzen ist keine Frage des physischen Zusammenseins, sondern eine Geisteshaltung, die jeden Tag aufs Neue bewiesen werden muss“. Wie sieht das bei Salesforce konkret aus?

Gohlke: Das Zitat ist im Rahmen der Teilnahme von Salesforce am in diesem Jahr digital stattfindenden “Diversity Tag” der Charta der Vielfalt entstanden. Ich beziehe mich damit auf die im Raum stehende Frage, ob durch die Tatsache, dass wir in den vergangenen Monaten nicht physisch zusammen kommen konnten, unser Bestreben uns für Diversität einzusetzen gemindert wurden. Das sehe ich ganz und gar nicht. Bei Salesforce wird soziales Engagement groß geschrieben – ganz im Sinne eines der vier Kernwerte: Chancengleichheit. Für die Belegschaft bedeutet dies, dass wir beispielsweise 7 Tage im Jahr für “Volunteering time off” freigestellt sind. Diese Zeit kann bei einer gemeinnützigen Organisation oder im Rahmen der sogenannten Equality Gruppen, wozu das Women’s Network gehört, eingebracht werden. In Zeiten von Social distancing haben wir unsere Aktivitäten in den virtuellen Raum verlegt. Das Women’s Network hat seine monatlichen Lunch-Termine online abgehalten, „Abilityforce“ hat einen digitalen Filmclub gegründet, und die Mitglieder von „Outforce“ haben unsere Teilnahme am digitalen Christopher Street Day vorbereitet. Neben diesen ”Aktivitäten“ geht es mir jedoch auch darum, wie jede und jeder von uns im Alltag auftritt und sich gegen Diskriminierung jeglicher Art positioniert.

Wie lautet Ihr Karriere-Tipp an Frauen, die sich für eine Karriere in der Tech-Branche entscheiden?

Gohlke: Mach dir bewusst, was du mit deiner Persönlichkeit und deinen Fähigkeiten täglich beiträgst und traue dich, an Diskussionen teilzunehmen und – auch kritische – Nachfragen zu stellen. Als Berufseinsteigerin lässt man sich von sehr selbstsicher auftretenden Menschen, oftmals Männern, leicht abschrecken. Aber anstatt die eigene Kompetenz zu hinterfragen, sollte man lieber darauf gucken, wo man sich gut einbringen kann. Es gilt gesehen und vor allem gehört zu werden. Es gibt nicht den einen Weg und die eine Art und Weise, wie man zu sein hat, um erfolgreich zu sein. Authentizität, also dass wir unser “Wahres Ich” am Arbeitsplatz sein können und uns nicht in starre Rollenbilder zwängen lassen, ist für mich hier der Schlüssel.

Es gilt gesehen und vor allem gehört zu werden. Es gibt nicht den einen Weg und die eine Art und Weise, wie man zu sein hat, um erfolgreich zu sein.

Haben oder hatten Sie Vorbilder, die Sie inspiriert und/oder gefördert haben? Nehmen wir an Sie selbst könnten eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen: Wer wäre es und warum?

Gohlke: Jemand aus der Tech-Branche fällt mir auf Anhieb gar nicht ein – und da haben wir bereits Teil des Problems. Es gibt noch zu wenig weibliche Vorbilder! You can’t be what you can’t see! Ich bin froh, dass Initiativen wie #Ladies in Tech und andere Netzwerke sich der Aufgabe annehmen, Frauen in der Tech-Branche sichtbarer zu machen. Einen Kaffee würde ich aber gerne mal mit der Autorin und Wissenschaftlerin Brené Brown trinken gehen. Ich finde ihren Ansatz, dass es ohne eine Portion Verletzlichkeit keinen Mut gibt und dass dies ein essenzieller Faktor für erfolgreiche Führungskräfte ist, unheimlich spannend und inspirierend. Viele ihrer Ansätze lassen sich übrigens nicht nur auf die Arbeitswelt beziehen, sondern auf alle unsere Beziehungen. Neben ihren Büchern kann ich den Ted Talk “the power of vulnerability” empfehlen.

Die Coronakrise wird in Bezug auf die Auswirkungen zur Geschlechtergerechtigkeit sehr unterschiedlich bewertet. Die Soziologin Jutta Allmendinger mahnte jüngst, die Pandemie befördere alte Rollenmuster. „Um drei Jahrzehnte werde der erreichte Fortschritt in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit zurückgeworfen. Anderseits gehen Studien (z. B. das „Working Paper No. 26947“ der Cambridge University) davon aus, dass Frauen langfristig vom Corona-bedingten Wandel unserer Arbeitswelt profitieren können, bspw. dadurch dass Männer im Homeoffice auch die Kinderbetreuung übernehmen und damit die Bereitschaft steige, dies auch zukünftig verstärkt zu tun. Wie bewerten Sie die Auswirkungen der Pandemie auf die Geschlechtergerechtigkeit?

Gohlke: Was vorher nicht gelebt wurde, wurde durch die Pandemie weder zerstört, noch befördert. Die Frage, die im Raum steht ist, ob hier vielleicht nur sichtbarer geworden ist, dass bestimmte Rollenmuster eben noch nicht überwunden sind? Dass Kindeserziehung häufig weiterhin Frauensache ist, zeigt sich auch daran, dass erst eine geringe Anzahl an Vätern Elternzeit nimmt. Unabhängig von der Coronasituation stimme ich jedoch der Annahme zu, dass der Trend hin zu mehr Flexibilität in der Arbeitswelt – sei es was Arbeitszeiten oder aber auch den Ort der Arbeit angeht – enorme Vorteile z.B. für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bringt. Unternehmen sollten auf die individuellen Umstände in Familien eingehen und Führungskräfte müssen mit gutem Beispiel voran gehen. Letztendlich muss es aber einen gesellschaftlichen Wandel geben in dem die Männer “mitziehen”. Bei Salesforce sprechen wir in diesem Kontext von “Allies”, also Verbündeten. Was mir aber auch wichtig ist zu erwähnen: Von steigender Flexibilität profitieren nicht nur Mütter! Es gibt unzählige Lebensmodelle und ich halte nichts davon diese Debatte nur auf das Thema Familie zu reduzieren. Vielmehr geht es um Gleichberechtigung in allen Lebenswelten!

Unabhängig von der Coronasituation stimme ich jedoch der Annahme zu, dass der Trend hin zu mehr Flexibilität in der Arbeitswelt – sei es was Arbeitszeiten oder aber auch den Ort der Arbeit angeht – enorme Vorteile z.B. für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bringt. Unternehmen sollten auf die individuellen Umstände in Familien eingehen und Führungskräfte müssen mit gutem Beispiel voran gehen.

Viele Unternehmen erkennen Diversität als wichtig an, gründen Initativen um Diversität zu fördern. Dennoch gelingt der Wandel beispielsweise im Aspekt Gender und Frauen in Führungspositionen nur schleppend. Was braucht es um mehr Vielfalt in Führungsetagen zu bringen?

Gohlke: Ich finde es erschreckend, dass es in deutschen Chefetagen mehr Männer mit Namen Thomas und Michael gibt als Frauen insgesamt. Der Erkenntnis müssen Taten folgen. Bei der Entscheidung wie diese auszusehen haben, helfen Daten und klare, messbare Ziele. Woran liegt es eigentlich, dass nicht genug Frauen in leitenden Funktionen sind? Werden nicht genug Frauen eingestellt oder verlassen die Frauen ab einer bestimmten Stufe das Unternehmen und wenn ja, warum und so weiter. Bei Salesforce erhalten die leitenden Führungskräfte beispielsweise monatlich eine Übersicht mit Angaben zu Personalbestand, Einstellungen, Fluktuation und Beförderungen nach Geschlecht. Auf Basis der Daten gilt es dann die passenden Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Beispiele sind hier ein Recruiting-Prozess, der darauf ausgerichtet ist, einen diversen Kandidatenpool zu generieren sowie transparente Beförderungsprozesse. Hinzu kommen natürlich die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das Sicherstellen, dass der Grundsatz gilt: Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit! Bei Salesforce überprüfen wir beispielsweise regelmäßig alle Gehälter, um sicherzustellen, dass es keine grundlosen Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen gibt.

Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Handlesblatt, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Gohlke: Ich würde mich sehr freuen, wenn demnächst zu lesen wäre: “Die Tech-Branche – Ein Abbild der Gesellschaft“. Was ich damit meine ist, dass die Belegschaft ein Spiegel der Gesellschaft, in der wir leben und arbeiten sein sollte – und zwar in jeglicher Hinsicht. Dies ist auch ein Ziel, welches wir bei Salesforce verfolgen.

Auf Ihrem LinkedIn Account schreiben Sie: Vielfalt bringt nachweislich wichtige Impulse und befeuert die Innovationskultur und -kraft von Unternehmen. Was sollte eine Führungskraft aus Ihrer Sicht im Hinblick auf die Teamkonstellation beachten, wenn sie die Innovationskraft steigern will?


Gohlke: 
Das ist jetzt nicht überraschend, aber: “Stellen Sie Ihr Team so divers wie möglich auf und zwar bezüglich vielerlei Kriterien!” Homogene Teams haben eine Tendenz sich selbst zu bestätigen und gewohnte Wege zu beschreiten. Das kann schnelle, aber langfristig keine guten und nachhaltigen Ergebnisse erzeugen. Konkurrenz belebt das Geschäft. Menschen mit diversen Hintergründen und Erfahrungen bringen unterschiedliche Sichtweisen ein. Diese unterschiedlichen Perspektiven beleben Diskussionen, fördern Inspiration und Innovation. Das Ergebnis nach einem Arbeitsprozess, der nicht nur ein-, sondern mehrdimensional war, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein besseres sein.

Stellen Sie Ihr Team so divers wie möglich auf und zwar bezüglich vielerlei Kriterien!” Homogene Teams haben eine Tendenz sich selbst zu bestätigen und gewohnte Wege zu beschreiten. Das kann schnelle, aber langfristig keine guten und nachhaltigen Ergebnisse erzeugen.

Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung findet oder ein Herzensthema, das Sie umtreibt? Welche Frage möchten Sie uns in diesem Zusammenhang für die nächste Interview-Partnerin mitgeben?


Gohlke: 
Wie gewinnen wir mehr Männer als “Allies” – also als Verbündete – um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen?

Vielen herzlichen Dank für das Interview, Frau Gohlke.


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Im Gespräch mit Dr. Markus Dirr, Chief Digital Officer, Messe München

Es gibt tausende gute Gründe, warum die Internetwirtschaft weibliche Verstärkung braucht. Schließlich stehen zahlreiche Jobangebote dem Fachkräftemangel gegenüber oder aber homogene Teams und Denkweisen Innovationen im Wege. Die Digitalbranche boomt, täglich entstehen neue digitale Geschäftsmodelle und schaffen lukrative Jobs, doch die lassen sich Frauen noch zu häufig entgehen. Wir wollen das ändern. In unserer Serie „Frauen in der Tech-Branche“ kommen in der Regel inspirierende weibliche Fach- und Führungskräfte der Internetbranche zu Wort. Doch Diversity im Aspekt Gender erreichen wir nur gemeinsam im Schulterschluss mit tollen männlichen Vorgesetzten und Kollegen. In dieser Ausgabe stellt sich mit Dr. Markus Dirr, Chief Digital Officer bei der Messe München, unser erster HeforShe Hero unseren Fragen. 

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie als Chief Digital Officer (CDO) der Messe München aktuell und wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag aus?

Dr. Markus Dirr: Corona-bedingt stehen wir natürlich vor der Herausforderung, dass wir bisher gestartete digitale Innovationen jetzt mit mehr Beschleunigung und mit höherer Priorität umsetzen müssen. Das erfordert einerseits viel agile Abstimmung mit meinem Team und weiteren Abteilungen der Messe München. Im Sinne eines modernen Leaderships agiere ich als Sparringspartner und Feedbackgeber für mein Team: Sind wir auf dem richtigen Weg, gehen wir die richtigen Schritte? Ein großer Teil meiner Arbeit besteht einerseits in der Betreuung und Weiterentwicklung meines Teams. Einen wesentlichen Anteil machen anderseits Kundengespräche aus, mit dem Ziel herauszufinden, ob unsere Entwicklung die Needs unserer Kunden treffen. Was sind ihre Erwartungshaltung an die Messegesellschaft? Durch den engen und intensiven Austausch mit unseren Kunden sind wir einfach effizienter und schneller in unseren Innovationszyklen.

Welche Qualifikation brauche ich als Chief Digital Officer (CDO)?

Dr. Dirr: CDOs kommen in der Regel entweder aus dem Tech-Bereich oder aus dem Marketing. Mein beruflicher Background liegt im E-Commerce- und Online-Marketing mit Fokus B2C. Ich habe mich damals für die Messe München entschieden, weil mich der B2B-Bereich und dieses große Potenzial der Messe München gereizt hat, das physisch schon vorhandene Potenzial ins Digitale zu bringen. Als CDO ist eine entsprechende Fachkompetenz im Bereich Digital, Kundenzentrierung und Wachstum quasi Grundvoraussetzung. Die Herausforderung besteht aber darin, eine Innovation in der Breite und damit in der Gesamtorganisation mit all ihren unterschiedlichen Anforderungen, unterschiedlichen fachlichen Skills und Altersgruppen, gut zu verankern. Dazu braucht es ein tiefgreifendes technisches Verständnis, um IT-Projekte bewerten zu können. Man darf vor technischen Diskussionen mit Programmierern nicht zurückschrecken. Die zentrale Aufgabe eines CDO lautet: Wie schaffe ich es, Kundenbedürfnisse in digitale und hybride Produkte zu übersetzen? Dazu braucht es aus meiner Sicht keinen klassischen BWL- oder IT-Lebenslauf, sondern vor allem ein Verständnis für unterschiedliche Perspektiven und Blickrichtungen sowie Empathie. Ich selbst habe Philosophie studiert und in Soziologie über Social Media-Plattformen und digitale Produkte promoviert.

Ein bisschen provokant gefragt, als weißer Mann gehören Sie zu den Priviligierten in der Arbeitswelt. Warum ist Ihnen das Thema Diversity in Ihrem Team wichtig?

Das ist für mich eine ganz sachliche Entscheidung. Die Frauenquote liegt bei der Messe München bei über 60 Prozent. Die zentralen IT-Innovations-Entwicklungsprojekte liegen im Geschäftsbereich Digital alle in der Hand von Frauen. Als Vorgesetzter sollte ich mich immer fragen: Welche Stärken hat mein Mitarbeiter und wie kann ich dessen Stärken gut einsetzen – und zwar unabhängig vom Geschlecht. Unsere Innovationsprojekte sind sehr komplex, sehr volatil, viele Projektbeteiligte sind involviert und bedürfen einer hohen Entscheidungsgeschwindigkeit. Meine Erfahrung ist, dass Frauen in diesen Projektrollen tendenziell besser geeignet sind, weil sie oft ein breiteres Sensorium haben und emotionale Schieflagen häufig früher erkennen. Die fachlichen Themen kriegen sie aus meiner Sicht in Projekten immer geregelt. Projekte scheitern an Zwischenmenschlichem, wenn beispielsweise nicht alle Beteiligten gut abgeholt und involviert werden. Frauen haben dafür tendenziell ein besseres Gespür als Männer.

Als Vorgesetzter sollte ich mich immer fragen: Welche Stärken hat mein Mitarbeiter und wie kann ich dessen Stärken gut einsetzen – und zwar unabhängig vom Geschlecht.

Welchen Tipp haben Sie für Unternehmen, die mehr Bewerbungen von Frauen generieren möchten?

Dr. Dirr: Um mehr Bewerbungen von Frauen zu generieren, muss man schon bei der Stellenausschreibung ansetzen. Ausschreibungen im IT-Bereich sind häufig sehr männlich und technisch formuliert, vielleicht auch weil sie teilweise von Männern verfasst werden. Stellenausschreibungen werden bei mir im Team auch von Frauen formuliert, dadurch bekommen sie eine ganz andere Tonalität. Wir fokussieren in unseren Stellenanzeigen sehr prominent die Faktoren Team und Zusammenarbeit, Autonomie und Selbstverantwortung. In den Bewerbungsgesprächen ermöglichen wir zudem Kontakt zum Team. Weil ich glaube, für Frauen ist neben klassischen Employer Branding Benefits viel mehr eine positive Antwort auf die Frage: Finde ich dort Menschen, mit denen ich den ganzen Tag verbringen will? ausschlaggebend. Daher sollten Unternehmen Frauen im Bewerbungsgespräch mit den Themen Teamfit und Zusammenarbeit überzeugen, da Frauen aus meiner Erfahrung hier einen höheren Stellenwert legen als Männer.

Wie lautet Ihre Empfehlung an Frauen, die eine Führungsposition ergreifen wollen?

Dr. Dirr: Meine Empfehlung an Frauen lautet, klar zu artikulieren, wenn sie eine Führungsposition ergreifen wollen und zwar unabhängig davon, ob das Unternehmen das abbilden kann. Gedanken wie „Ach, da gibt es sowieso keinen Platz für mich, deshalb muss ich das gar nicht sagen“ bitte beiseiteschieben. Behalten Sie niemals die eigene Karrierevision für sich und ziehen Sie im Extremfall auch die Konsequenzen, wenn das Unternehmen ihre Vision nicht erfüllen kann.

Behalten Sie niemals die eigene Karrierevision für sich und ziehen Sie im Extremfall auch die Konsequenzen, wenn das Unternehmen ihre Vision nicht erfüllen kann.

Wir haben jetzt viel auf die Unternehmensseite geschaut. Das wäre aber sehr einseitig. Gibt es etwas, wo Sie sagen, da sind Frauen schon gut bzw. da könnte es noch etwas besser laufen?

Dr. Dirr: Es ist ganz wichtig, klar und deutlich zu artikulieren, wenn man Karriere machen will. Da tun sich Frauen häufig noch etwas schwer. Das zweite ist Aufpassen vor unabsichtlicher Selbstentwertung. Ein Klassiker: Ich mache einer Kollegin ein Kompliment vor ihrer Führungskraft. Tolles Projekt, hervorragend gemeistert. Dann sagt die Kollegin: Ach, das war ja jetzt nicht so schwer. Ein Mann würde das niemals tun. Wenn Sie als Frau ein Lob bekommen, einfach annehmen und stehenlassen. Das dritte Einstehen für den persönlichen Entwicklungsweg und die Führungskraft auch klar in die Verantwortung nehmen. Wenn ich als Frau beim falschen Chef bin, dann kann ich nur empfehlen, sich nicht die Mühe zu machen, andere zu verändern. Wenn mein Chef mich nicht wertschätzt, Männer und Frauen nicht gleichstellt und mich in meiner Entwicklung nicht unterstützt und mir nicht die Möglichkeit gibt, mein Potenzial zu entfalten, dann wechseln. Damit tun sich Männer auch leichter, die denken: mehr Geld, mehr Verantwortung, super mach ich. Frauen überlegen häufig erstmal, was es für das Team bedeutet, wenn sie ihren Job nicht mehr machen.

Sie sind selbst Führungskraft. Welchen Tipp haben Sie an Frauen, die eine Führungsposition anstreben?

Dr. Dirr: Mein Tipp lautet: Suchen Sie sich einen männlichen Mentor oder Coach. Nicht damit Sie sich einen männlichen Stil aneignen, sondern um mitzubekommen, wie Männer ihre Karriere angehen und anpacken. Wenn das eigene Unternehmen das nicht bereitstellt, dann schreiben Sie über LinkedIn Menschen an, welche passen könnten. Viele Menschen im Senior-Management sind da sehr offen und geben ihre Erfahrungen gerne weiter. Die zweite Empfehlung lautet: Netzwerken. Gibt es beispielsweise Frauennetzwerke im Unternehmen oder welche Leute bieten einen Mehrwert, mit wem will ich mich vernetzen? Das Dritte ist zu schauen, wie kann ich meine Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens ausbauen? Welche Möglichkeiten und Kurse bietet die Personalabteilung bspw. zur Führungskräfteentwicklung? Alter Trick: Wenn für Führungskräftetrainings noch ein Platz frei ist, kommt man da häufig auch als Nicht-Führungskraft rein – Fragen kostet nichts.

Wenn für Führungskräftetrainings noch ein Platz frei ist, kommt man da häufig auch als Nicht-Führungskraft rein – Fragen kostet nichts.

Welche Frage möchten Sie uns für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Dr. Dirr: Wie integriert man Frauen nach der Elternzeit wieder optimal ins Unternehmen?

Herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Herr Dr. Dirr.

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de

Pauline Schmidt MoBerries

Im Gespräch mit Pauline Schmidt, Head of Sales, MoBerries GmbH

Es gibt tausende gute Gründe, warum die Internetwirtschaft weibliche Verstärkung braucht. Schließlich stehen zahlreiche Jobangebote dem Fachkräftemangel gegenüber oder aber homogene Teams und Denkweisen Innovationen im Wege. Die Digitalbranche boomt, täglich entstehen neue digitale Geschäftsmodelle und schaffen lukrative Jobs, doch die lassen sich Frauen noch zu häufig entgehen. Wir wollen das ändern. In unserer Serie „Frauen in der Tech-Branche“ kommen inspirierende weibliche Fach- und Führungskräfte der Internetbranche zu Wort. Dabei sprechen wir über die wirklich wichtigen Themen: von Entwicklungsperspektiven über Karrieretipps und Zukunftswünsche bis hin zu den Herausforderungen in einem männerdominierten Arbeitsumfeld und warum Arbeit in der Internetbranche Spaß macht. Dieses Mal mit: Pauline Schmidt, Head of Sales, MoBerries GmbH.

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?

Pauline Schmidt: Ich besitze tatsächlich noch Visitenkarten, auf denen Head of Sales, MoBerries GmbH steht.

Wenn ich mich auf Ihren Job bewerben möchte, was würde mich im Arbeitsalltag erwarten? Und was muss ich für den Job unbedingt mitbringen?

Schmidt: Ich bin für den gesamten Sales-Prozess bei MoBerries zuständig und führe tagtäglich viele Telefonate mit potenziellen Kunden, die sich für unseren Service interessieren und verstehen möchten, inwiefern sich dieser in bestehende Recruiting-Prozess einbinden lässt. Im Sales sollte man auf jeden Fall kommunikativ und empathisch sein, aber auch Ausdauer und ein dickes Fell sollte man besitzen.

Wie lautet Ihr Karriere-Tipp an Frauen, die in der IT-Branche durchstarten wollen?

Schmidt: Ich würde allen Frauen raten, sich einfach zu trauen und nicht zu sehr darüber nachzudenken und sich nicht immer zu fragen: Kann ich das wirklich? Bin ich gut genug für diesen Job? Denn ja, jeder kann erfolgreich sein – egal ob Mann oder Frau – wenn man mit der richtigen Einstellung und einem gewissen Interesse für neues, auch für neue Technologien an den Job herantritt.

Meiner Meinung nach hat eine Karriere in der Tech-/IT-Branche nichts mit dem Geschlecht zu tun. Klar, ist die Tech Branche immer noch sehr männerdominiert, aber davon sollte man sich nicht abschrecken oder entmutigen lassen – „know your worth“.

Ich würde allen Frauen raten, sich einfach zu trauen und nicht zu sehr darüber nachzudenken und sich nicht immer zu fragen: Kann ich das wirklich? Bin ich gut genug für diesen Job? Denn ja, jeder kann erfolgreich sein – egal ob Mann oder Frau – wenn man mit der richtigen Einstellung und einem gewissen Interesse für neues, auch für neue Technologien an den Job herantritt.

Nehmen wir an Sie selbst könnten eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen: Wer wäre es und warum?

Schmidt: Sheryl Sandberg, denn ich finde sie ist eine beeindruckende Frau, die sich in der Tech-Branche durchgesetzt hat und von der ich und auch viele andere sicher viel lernen und profitieren können.

Mit MoBerries bieten Sie Kunden eine KI-basierte Recruiting-Lösung. Wo und wie können HRler KI in der Personalgewinnung einsetzen? Und welche Vorteile hat das für HR und für Bewerber?

Schmidt: Dank künstlicher Intelligenz werden Recruiting-Prozesse einfacher und schneller. Die KI nutzt Daten und lernt mit jeder Interaktion zwischen Bewerbern und Recruitern hinzu, um noch akkuratere “Job-Matches” zu generieren. Gleichzeitig erfährt nun auch der Bewerber, weshalb er abgelehnt wurde und kann sein Profil basierend auf dem Feedback der Unternehmen optimieren.

Folglich automatisiert die KI im Recruiting die ersten Bewerberrunden, damit sich Recruiter auf das Wesentliche konzentrieren können – relevante Bewerber auf Herz und Nieren prüfen.

Bewerber sind gleichermaßen große Profiteure der KI-Möglichkeiten im Recruiting. Eine KI ist nicht voreingenommen, eine KI hat keine Vorurteile. Sie wertet die Daten des Bewerbers aus, und sucht die zu ihm passenden Stellen. Es vereinfacht die Jobsuche ungemein und löst zusätzlich einer der größten Frustrationen bei Bewerbungen: Die kommentarlosen und unpersönlichen Absagen. Die gesammelten (Feedback)-Daten der Recruiter werden an Bewerber weitergeben – endlich erfährt der Bewerber, weshalb es nicht geklappt hat, und kann sich in diesen Bereichen verbessern.

Wenn wir uns den Bereich Personalgewinnung und Diversity anschauen, so liegt eine Hürde darin, dass Menschen häufig nach dem Ähnlichkeitsprinzip verfahren, sprich Bewerber auswählen und einstellen, die ähnlich sozialisiert sind wie sie selbst. Thomas stellt gerne Thomas ein und Michael eben Michael. Inwiefern kann KI dazu beitragen, Unconscious Bias im Bewerbungsverfahren zu minimieren?

Schmidt: Mit KI kann man einen großen Schritt in Richtung Objektivität gehen, solange man sie richtig einsetzt. Die KI analysiert in erster Linie zur Verfügung stehende Daten, wie z.B. Berufserfahrung und Fähigkeiten, nicht aber Geschlecht, Alter, Aussehen etc. – das führt automatisch dazu, dass die KI unvoreingenommen entscheiden kann, welche Bewerber basierend auf diesen Faktoren am besten passen.

Was sind Ihre Tipps an HR-Abteilungen um mehr Bewerbungen von Frauen zu generieren?

Schmidt: Frauen bewerben sich tendenziell eher auf eine Stelle, wenn sie das Gefühl haben, dass sie alle geforderten Attribute auch wirklich erfüllen, deswegen würde ich HR-Abteilungen raten, deutlich zu machen, dass nicht alle Anforderungen ein Must-have sind, sondern einiges auch im Job erworben werden kann.

Frauen bewerben sich tendenziell eher auf eine Stelle, wenn sie das Gefühl haben, dass sie alle geforderten Attribute auch wirklich erfüllen, deswegen würde ich HR-Abteilungen raten, deutlich zu machen, dass nicht alle Anforderungen ein Must-have sind, sondern einiges auch im Job erworben werden kann.

Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Bild, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?

Schmidt: “Why the f**** does it matter?” In dem Artikel sollten meiner Meinung nach Beispiele von Frauen, die in der Tech Branche arbeiten, gezeigt werden und es sollte thematisiert werden, wieso es keine Rolle spielen sollte, dass man eine Frau ist.

Stichwort: Diversity. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Erfolgsformel zur Zusammensetzung von Teams? Wie sieht das ideale Team aus?

Schmidt: In einer idealen Welt, sollte diese Frage gar nicht mehr aufkommen, sondern es sollte bereits selbstverständlich sein, dass Teams, vor allem auch auf Führungsebene diverse sind. Für mich besteht das ideale Team sowohl aus Männern als auch aus Frauen, denen gleich viel Wertschätzung entgegengebracht wird. Auch Diversität bezüglich der Nationalitäten finde ich in einem Team wichtig.

In einer idealen Welt, sollte diese Frage gar nicht mehr aufkommen, sondern es sollte bereits selbstverständlich sein, dass Teams, vor allem auch auf Führungsebene diverse sind.

Im Rahmen unserer Interview-Reihe haben wir beim letzten Mal Christine Thews, Director Director Platform Development & Product Management bei toplink, getroffen. Sie hat uns folgende Frage für die nächste Interview-Partnerin mitgegeben: Wenn Sie eine Tochter hätten, die gerade die beruflichen Weichen für ihre Karriere stellen muss, welche Branche würden Sie Ihrer Tochter für ihre Zukunft empfehlen?

Schmidt: Ich würde meiner Tochter in erster Linie beibringen selbständig zu sein und ihr alle Mittel an die Hand geben, die sie benötigt, um alles zu lernen, was sie lernen möchte. In welcher Branche sie arbeiten möchte, überlasse ich ihr.

Welche Frage möchten Sie uns im Kontext Gender/Diversity  für die nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Schmidt: Was denken Sie, wie wir einen Wandel in der Denkweise der Gesellschaft anregen können?

Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Frau Schmidt.

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de

Christine Thews

Im Gespräch mit Christine Thews, Director Platform Development & Product Management

Es gibt tausende gute Gründe, warum die Internetwirtschaft weibliche Verstärkung braucht. Schließlich stehen zahlreiche Jobangebote dem Fachkräftemangel gegenüber oder aber homogene Teams und Denkweisen Innovationen im Wege. Die Digitalbranche boomt, täglich entstehen neue digitale Geschäftsmodelle und schaffen lukrative Jobs, doch die lassen sich Frauen noch zu häufig entgehen. Wir wollen das ändern. In unserer Serie „Frauen in der Tech-Branche“ kommen inspirierende weibliche Fach- und Führungskräfte der Internetbranche zu Wort. Dabei sprechen wir über die wirklich wichtigen Themen: von Entwicklungsperspektiven über Karrieretipps und Zukunftswünsche bis hin zu den Herausforderungen in einem männerdominierten Arbeitsumfeld und warum Arbeit in der Internetbranche Spaß macht. Diesmal mit: Christine Thews, Director Platform Development & Product Management, toplink GmbH.

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?

Christine Thews: Director Platform Development & Product Management, toplink GmbH

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus und was muss man für Ihren Job unbedingt mitbringen?

Thews: Ich verantworte und leite bei toplink die Bereiche Produktmanagement und Platform Development. Es geht also einerseits darum, innovative Themen und Produkte im Umfeld des „Arbeitsplatzes der Zukunft“ zu identifizieren, zu treiben und zur Marktreife zu bringen. Dazu muss ich sowohl Markt- wie Kundenanforderungen kennen und daraus entsprechende Geschäftsstrategien ableiten. Im Bereich Platform Development führe ich ein Team von Entwicklern. Gemeinsam realisieren wir Digitalisierungsprojekte zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, wie aber auch zur Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen.

Hinsichtlich der Frage, was man für diesen Job mitbringen muss: Wer in diesem Feld tätig sein will, braucht eine gewisse Technik-Affinität gepaart mit betriebswirtschaftlichem Know-how sowie die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge möglichst auf eine einfache Ebene zu reduzieren. Ein gewisses Maß an Pragmatismus sowie Begeisterung für Innovation sollte man ebenfalls mitbringen, genauso wie die Begeisterung dazu, Menschen zu führen.

Sie haben eine beeindruckende Karriere in der IT-Branche hingelegt, waren 16 Jahre bei Siemens und über 6 Jahre bei T-Systems in verantwortungsvollen Positionen beschäftigt, sind aktuell Director Platform Development & Product Management bei der toplink GmbH. Der IT-Branche haftet mitunter das Image an eine Männerdomäne zu sein. Wie ist Ihre Wahrnehmung der Branche?

Thews: Wichtig ist, zunächst zu differenzieren. Es gibt viele Frauen in der IT-Branche. Diese sind naturgemäß in Funktionsbereichen wie HR, Finance oder Sales zu finden. Das sind die klassischen Bereiche, wo man meistens sogar einen Überhang an Frauen hat. In dem Moment jedoch, wo Technik ins Spiel kommt, sind Frauen leider deutlich seltener vertreten. Das Gleiche gilt in gewisser Weise auch für den Karriere-Level: Auf der Specialist-Ebene sind es noch deutlich mehr Frauen, in Führungspositionen hingegen weniger. Das hat sicherlich auch mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu tun. Weil es heutzutage immer noch eine Herausforderung ist, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen. Das ist jedoch kein Problem der IT-Branche, sondern ein gesamtgesellschaftliches.

Die Coronakrise wird in Bezug auf die Auswirkungen zur Geschlechtergerechtigkeit sehr unterschiedlich bewertet. Die Soziologin Jutta Allmendinger mahnte jüngst, die Pandemie befördere alte Rollenmuster. Anderseits gehen Studien davon aus, dass Frauen langfristig vom Corona-bedingten Wandel der Arbeitswelt profitieren können. Wie bewerten Sie die Auswirkungen der Pandemie auf die Geschlechtergerechtigkeit?

Thews: Ich glaube, ein Kern Wahrheit liegt in beiden Aussagen. Der positive Effekt durch die Pandemie ist, dass jetzt selbst Skeptiker gesehen haben, dass eine produktive ortsunabhängige Ausübung der beruflichen Tätigkeit in vielen Bereichen sehr gut funktionieren kann und davon können vor allem auch Frauen profitieren. Wenn jedoch zusätzlich die Kinder von zu Hause betreut werden, fällt sehr viel auf die Frauen zurück. Das wirft weibliche Rollenbilder um Jahrzehnte zurück und da müssen wir unbedingt genauer hinschauen. Da sind aber auch die Frauen selbst gefragt: Wie wichtig ist es ihnen aus diesen traditionellen Rollen auszubrechen? Ich bin positiv gestimmt, dass die Chancen überwiegen werden, in dem wir diese Flexibilisierung von Arbeitsmodellen und -Orten in die Post-Corona-Zeit mitnehmen.

Wenn jedoch zusätzlich die Kinder von zu Hause betreut werden, fällt sehr viel auf die Frauen zurück. Das wirft weibliche Rollenbilder um Jahrzehnte zurück

Sie beschäftigen sich in Ihrem Joballtag mit dem Arbeitsplatz der Zukunft und bspw. Remote-Arbeitslösungen und -Umgebungen. Was sollten Unternehmen aus Ihrer Sicht tun? Was sollten die positiven Learnings aus der Pandemie sein?

Thews: Die Coronakrise hat die Unternehmen förmlich gezwungen von heute auf morgen auf Homeoffice umzustellen. Jetzt ist eine gute Zeit darüber nachzudenken, wie solche Arbeitsplatzmodelle langfristig aussehen sollten. Was brauchen die Mitarbeiter, um im Prinzip von jedem Ort der Welt arbeiten zu können und welche Voraussetzungen impliziert das? Nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten bietet es für Unternehmen Vorteile, da Reisezeit und -kosten eingespart werden. Es birgt auch Potenziale in der Personalgewinnung, wenn Standort und in gewissem Grad auch Arbeitszeiten von Mitarbeiter selbst mitbestimmt werden können.

Wie lautet Ihr Karriere-Tipp an Frauen?

Thews: Mein subjektiver Eindruck ist, Frauen präsentieren sich mitunter manchmal nicht so gut, wie es Männer tun. Dabei ist das Thema Sichtbarkeit ein ganz entscheidender Faktor, wenn es um die Karriere geht. Mein Ratschlag lautet daher: Frauen tretet aus den hinteren Reihen nach vorne, um sichtbar zu werden.

Frauen tretet aus den hinteren Reihen nach vorne, um sichtbar zu werden.

Haben oder hatten Sie Vorbilder, die Sie inspiriert und/oder gefördert haben? Nehmen wir an Sie selbst könnten eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen: Wer wäre es und warum?

Im persönlichen Bereich war meine Mutter ausschlaggebend. Sie hat mich sehr geprägt, mich zu viel Selbstvertrauen und Selbstständigkeit erzogen und mir immer wieder ein  großes  Maß an Perspektiven aufgezeigt. Meine Mutter hat vier Kinder großgezogen und war gleichzeitig eine sehr erfolgreiche Lokalpolitikerin. Wie sie zur damaligen Zeit das Thema Karriere und Kinder unter einen Hut gebracht hat ist beeindruckend. Im Nachhinein muss man davor selbigen ziehen. Auch wenn man das als Kind zugegebenermaßen vielleicht nicht immer toll fand.

Grundsätzlich bin ich nicht der Typ, der besonderen Vorbildern hinterher hechelt. Ich hatte aber das Glück, in allen Phasen meiner beruflichen Laufbahn immer wieder den einen oder anderen Vorgesetzten gehabt zu haben, der mich begeistert und gefördert hat. Davon profitiere ich noch bis heute. Wenn ich jedoch darüber nachdenke, welcher Frau ich in der Tech-Branche begegnet bin, die sich wirklich kontinuierlich und nachhaltig dort etabliert hat und deren Entwicklung ich mit Freude verfolgt habe, dann ist das Vera Schneevoigt, heute CDO bei Bosch.

Wie bekommen wir mehr Frauen in Führungspositionen?

Thews: Das ist eine schwierige Frage. Ich will die Frauen nicht aus ihrer Verantwortung nehmen. Mitunter habe ich den Eindruck, dass Frauen gebeten werden wollen. Das wird jedoch nicht passieren und ist der falsche Ansatz. Andererseits habe ich in Konzernen zahlreiche Initiativen gesehen, wo es genau um dieses Thema ging: Wie können wir Frauen in Führungspositionen bringen? Gerade die großen Konzerne stecken wirklich viel Geld und viel Engagement in diese Programme. Nur ist der Outcome aus meiner Erfahrung nicht sonderlich hoch. Es reicht einfach nicht tolle Initiativen aufsetzen. Sie können nur dann zum Erfolg führen, wenn es auch wirklich Top-Down gewollt ist und es sich nicht um reine Lippenbekenntnisse handelt.

Müssten Frauen sich aus Ihrer Sicht mehr trauen und sagen: Da ist eine spannende Führungsposition, da bewerbe ich mich?

Thews: Die entscheidende Frage, die sich Frauen stellen sollten, lautet: Will ich das wirklich? Wenn ich das will, dann muss ich die Initiative ergreifen und mich auch entsprechend darstellen. Das heißt nicht, sich als etwas zu verkaufen, was man nicht ist. Frauen haben aber aus meiner Sicht stets viel größere Bedenken, ob sie alle Anforderungen einer Position erfüllen, während Männer einfach sagen: Ich probiere das. Da spielen erneut gesellschaftliche Prägungen und Rollenmuster hinein. Mein Appell an Frauen lautet: Wenn sie aufsteigen wollen, dann durchhalten, es mit Leidenschaft durchziehen und sich wagen, neue Herausforderungen anzunehmen.

Wenn sie aufsteigen wollen, dann durchhalten, es mit Leidenschaft durchziehen und sich wagen, neue Herausforderungen anzunehmen.

Als Instrument um mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen, werden mitunter Quoten eingesetzt. Bundesministerin für Familie Franziska Giffey hat dies beispielsweise für Vorstände von DAX-Unternehmen angeregt. Brauchen wir aus Ihrer Sicht Frauenquoten?

Thews: Vor 20 Jahren hätte ich eindeutig und mit voller Überzeugung gesagt: Wir brauchen keine Frauenquote. Heute fürchte ich, wir brauchen sie bedauerlicherweise doch. Weil die Mentalität und die traditionell-geprägten Machtstrukturen in den gehobenen Unternehmen und Großkonzernen einfach männerdominiert sind. Gehobene und verantwortungsvolle Positionen werden vielfach nicht über den offiziellen Ausschreibungsweg vergeben, sondern über interne Wege und in informellen Zirkeln. Auf gleiche Weise werden häufig auch die maßgeblichen Entscheidungen gefällt. In diesen Vorgängen sind Frauen heute aber selten involviert.

Wir brauchen daher derartige rechtliche Vereinbarungen bis zu dem Zeitpunkt, wo ein ausreichendes Maß an Frauen in verantwortungsvollen Positionen zu finden ist.

Was braucht eine gute Führungskraft im digitalen Zeitalter? Was zeichnet sie aus?

Thews: Im digitalen Zeitalter braucht es Führungskräfte, die sich als eine Art Bindeglied zwischen der Organisation, zwischen den weiteren Führungskräften und den Mitarbeitern an sich verstehen. Das Wichtigste ist es, Vision und Strategie des Unternehmens an die Mitarbeiter zu vermitteln und daraus gemeinsam konkrete Ziele abzuleiten, deren Umsetzung dann gemeinsam erarbeitet wird. Das gelingt einerseits über die Motivation von Mitarbeitern und andererseits durch einen kooperativen Führungsstil. Ein weiteres wichtiges Thema ist Offenheit und Klarheit gegenüber den Mitarbeitern sowie Verständnis für die Mitarbeiter.

In der Pandemie ist natürlich das Thema Führen aus der Ferne zentral. Dabei spielt das Thema ‚emotionale Intelligenz‘ für mich eine zentrale Rolle. Wie schaffe ich es, Vertrauen in und bei Mitarbeiter(n) aufzubauen, die weit weg sind? Wie kann ich sicher stellen, dass die Mitarbeiter trotz der Situation motiviert und engagiert sind?

Gibt es eine Erfolgsformel zur Zusammensetzung von Teams? Wie sieht das ideale Team aus?

Thews: Zuvor steht für mich immer die Frage: Welche Aufgabe soll mein Team lösen? Worum geht es? Will ich agil und kreativ arbeiten? Dann ist ein hoher Diversitätsgrad, der unterschiedliches Wissen und Perspektiven fördert und so eine Vielfalt an Ideen generiert und intensive Diskussionen entstehen lässt, hilfreich. Wenn es hingegen darum geht, schnell, effektiv Dinge zu erreichen, dann würde ich zu eher homogenen Teams raten. Ich sollte also zuvor immer im Blick behalten: Was ist die Aufgabenstellung und danach entscheiden, wie ich meine Teams zusammenstelle. Im übertragenen Sinne: die berühmt-berüchtigte eierlegende Wollmilchsau gibt es im Hinblick auf Teamkonstellationen nicht.

Was ist Ihr Herzensthema? Welcher Aspekt kommt aus Ihrer Sicht in der Diversity-Debatte zu kurz?

Thews: Was für mich schwer zu verstehen ist: Warum entscheiden sich nur so wenige Frauen für einen Karriereweg, insbesondere in der Tech-Branche? Warum ist häufig so wenig Selbstvertrauen vorhanden? Für mich ist das ein gesellschaftspolitisches Thema. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich begrüße das Engagement und die Initiativen, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen. Aber meine Bitte an alle Frauen da draußen lautet: Werdet auch selbst aktiv und wartet nicht darauf, dass euch irgendjemand fragt, ob ihr Karriere machen wollt.

Werdet auch selbst aktiv und wartet nicht darauf, dass euch irgendjemand fragt, ob ihr Karriere machen wollt.

Welche Frage möchten Sie uns für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Thews: Wenn Ihre Tochter jetzt in der Entscheidungsphase wäre, wo entwickele ich mich beruflich hin: Welche Branche würden Sie Ihrer Tochter für die Zukunft empfehlen?

Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Frau Thews.

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de