INTERVIEW

Im Gespräch mit Vanessa Gentile, Director Alliance & Channel Switzerland, Salesforce

Vanessa Gentile ist Director Alliance & Channel Switzerland bei Salesforce und Gründerin der Salesforce Initiative Bring Women Back to Work. Mit der Initiative erhöht sie den Frauenanteil in Tech und bringt Salesforce Technologie-Partner mit neuen, vielfältigen Talenten zusammen.

Wie bist du in die Tech-Branche gekommen?                       

Vanessa Gentile: Mein Weg in die Tech-Branche war Zu- und Glücksfall zugleich. Ich habe eine kaufmännische Ausbildung absolviert, während meiner Lehre nebenbei als Simultandolmetscherin und Übersetzerin gearbeitet. Meine Mutter ist Brasilianerin, mein Vater Italiener. Ich bin in der Schweiz aufgewachsen und hatte eine spanischsprachige Tagesmutter. Sprachen haben mich schon immer fasziniert.

Mein Weg in die Tech-Branche führte über einen Nachbarn, der bei einem Tech-Unternehmen arbeitete. Er war der Ansicht, dass ich mit meinen Sprachentalent für das Unternehmen Gold wert sei. Ich habe mich beworben und wurde eingestellt. Durch meine umfangreichen Sprachkenntnisse konnte ich als Account Managerin direkt drei Regionen abdecken. Ich hatte von Tech keine Ahnung. Ich kannte noch nicht einmal den Unterschied zwischen einer Software und einem Betriebssystem. Ich bin 13 Jahre geblieben, habe dort unheimlich viel gelernt, war in verschiedenen verantwortungsvollen Positionen tätig und hatte immer die Chance, mich weiterzuentwickeln. Als ich nach meiner zweiten Elternzeit zurückkehren wollte, war meine Stelle besetzt und ich nahm eine neue Herausforderung im Partner-Business an. Nach einer Station bei einer anderen Technologie-Firma bin ich dann zu Salesforce gewechselt. In meiner Position als Director Alliance & Channel Switzerland bin ich dafür verantwortlich, dass das Salesforce Ökosystem kontinuierlich wächst. Das umfasst einerseits die Aufgabe, neue Salesforce Partner zu gewinnen, die mit uns unser Business vorantreiben und anderseits unsere Technologie- und Implementierungs-Partner mit Salesforce zertifizierten Talenten und Kandidaten zu unterstützen.

Bei Salesforce hast du die Initiative Bring Women Back to Work ins Leben initiiert. Ein Programm, mit dem ihr Mütter nach der Familienpause beim Quer- und Wiedereinstieg unterstützt. Wie kam es dazu?

Vanessa Gentile: Die Ursprungsidee zum Programm Bring Women Back to Work entstand bei einem Roundtable mit unseren Partnern zum Thema Diversity. Wir standen vor der Herausforderung, dass wir kontinuierlich und sehr stark gewachsen sind, zugleich wurde es immer schwieriger Talente zu finden. Mir fiel auf, dass wir zu wenig Frauen in unseren Teams hatten. Das wollte ich und meine Partner ändern. Ich wollte, dass unsere Partner gewillt sind, Frauen einzustellen, die nicht aus der Tech-Industrie kommen, um den Frauenanteil zu erhöhen. Ich wollte erreichen, dass sie Frauen einstellen, die eine längere Pause gemacht haben, die Teilzeit einsteigen wollen, die keinen Tech-Background haben. Frauen, die eben andere Skills und Fähigkeiten ins Salesforce Ökosystem einbringen. Über einen Neurologen habe ich unseren Partnern nahe gelegt, welche Vorteile diverse Kandidatinnen mit sich bringen, was Diversität für die Kreativität und Innovationsstärke von Teams bedeutet. Da waren alle überzeugt und ich hatte das Commitment der Partner in der Tasche.

Mir fiel auf, dass wir zu wenig Frauen in unseren Teams hatten. Das wollte ich und meine Partner ändern. Ich wollte, dass unsere Partner gewillt sind, Frauen einzustellen, die nicht aus der Tech-Industrie kommen, um den Frauenanteil zu erhöhen. 

Wie ist es dir gelungen, Mütter von eurem Programm Bring Women Back to Work zu überzeugen?

Vanessa Gentile: Ich habe angefangen von mir zu erzählen. Ich bin schließlich Mutter von zwei Kindern und arbeite in Vollzeit in der Tech-Branche. Ich habe Videos auf LinkedIn eingestellt mit meinen Kindern im Hintergrund und einen Aufruf gemacht, dass ich Frauen suche, die nach längerer Jobpause wieder arbeiten wollen. Dann haben Frauen angefangen, mir ihre CV zu schicken. Ich konnte es gar nicht glauben, dass diese talentierten Frauen mit ihren wahnsinnig vielfältigen Backgrounds keinen Job finden. Viele Frauen hatten mit der Zeit einfach ihr Selbstbewusstsein verloren, weil die Jobsuche als Mutter so schwierig war. Parallel habe ich das Programm Bring Women Back to Work kreiert.

Wie läuft das Programm konkret ab?

Vanessa Gentile: Unser Partner, die K2 Universität, übernimmt für uns die Vorselektion der Bewerberinnen. Im zweiten Step screene ich die Profile der Frauen und K2 teilt es anschließend mit unseren Partnern. Die Frauen haben zu Beginn keine Ahnung von Technik, dafür bringen sie sich als Mensch und ihre Erfahrungen mit. Wenn die Unternehmen anfangen, umzudenken und Menschen mit anderen Profilen einzustellen, dann stellen sie sehr schnell fest, welchen Mehrwert das bietet. 65 Prozent der Frauen aus dem Programm haben mittlerweile eine Festanstellung. Ich habe Partner, die bis zu sechs, sieben Frauen aus dem Programm gehired haben und das auch zukünftig vorhaben.

Das Programm Bring Women Back to Work ist auf ein Jahr angelegt. Es umfasst einerseits Workshops beispielsweise zu Fragestellungen: Wie präsentiere und verkaufe ich mich bei potenziellen Arbeitgebern? Was sind meine Stärken, was sind meine Schwächen oder Workshops, die Basics zum Tech-Fachvokabular vermitteln. Anderseits erwerben die Frauen im Programm Salesforce Zertifizierungen und somit wichtige fachliche Skills, die ihre Jobchancen enorm erhöhen, da die Zertifizierungen in der Branche anerkannt und sehr gefragt sind. 

Aus welchen beruflichen Backgrounds kommen die Programm-Teilnehmerinnen und welche Karriereoptionen ergreifen sie im Anschluss?

Vanesa Gentile: Die fachlichen Backgrounds der Frauen sind sehr unterschiedlich. Um einmal ein exemplarisches Beispiel zu nennen: Wir hatten eine Teilnehmerin im Programm aus dem Bildungsbereich. Sie war vor ihrer Jobpause an einer Universität tätig und wollte wieder zurück ins Business. Nach ihrer Teilnahme bei Bring Women Back to Work hat sie direkt eine Stelle bei einem unserer Partner als Consultant bekommen. Sie war dort zuständig für die Marketing Cloud. Mittlerweile ist sie aufgestiegen und verantwortet die Abteilung Education als Salesforce Education & Trainings Manager. Das zeigt eben auch, welche Karriere- und Entwicklungssprünge in Tech für Frauen möglich sind. Für unseren Partner war es ein Lucky Punch, diese Frau zu finden. Ihr Know-how und Erfahrungen waren und sind wichtig und wertvoll, egal ob sie jetzt ursprünglich aus der Tech-Branche kommt oder nicht.

Warum ist die Tech-Branche aus deiner Sicht für Frauen besonders geeignet?

Vanessa Gentile: Die Tech-Branche ist sehr flexibel. Mitarbeiter werden an ihren Ergebnissen gemessen und nicht nach Arbeitsstunden und anhand einer Präsenzkultur. Das heißt, du kannst arbeiten und die Familie managen, ohne dass du dich permanent dafür entschuldigen musst, wenn du mal abwesend bist. Die Tech-Branche ist für mich daher der ideale Platz, um Familie und Arbeit zu vereinen. Zweitens ist die Tech-Branche sehr vielfältig. Du hast ganz viele Facetten und Departements wie beispielsweise Marketing oder Sales und nicht nur die klassischen IT-Disziplinen und alle bieten enorme Entwicklungspotenziale und Karrierechancen. Ich habe verschiedene Jobs in Tech gehabt und war überall erfolgreich. Ich habe immer etwas Neues gelernt und jede Station hat mich weitergebracht. Ich bin nie in meiner Komfortzone, aber dafür lerne ich permanent Neues und dadurch öffnen sich neue Türen und Wege.

Das heißt, du kannst arbeiten und die Familie managen, ohne dass du dich permanent dafür entschuldigen musst, wenn du mal abwesend bist. Die Tech-Branche ist für mich daher der ideale Platz, um Familie und Arbeit zu vereinen.

Du hast das Programm Bring Women Back to Work erfolgreich aufgebaut. Was können Tech-Unternehmen aus deiner Sicht tun, um mehr weibliche Talente für sich zu gewinnen?

Vanessa Gentile: Das ist ein Thema, da können wir uns stundenlang drüber unterhalten. Es fängt ja allein an mit der Frage: Woran liegt es, dass Frauen Tech-Jobs nicht attraktiv finden? Ich glaube, das liegt häufig schon an der Jobdescription. Unternehmen sollten sich fragen: Wie formuliere ich eine Stellenausschreibung so, dass Frauen sich gezielt angesprochen fühlen? Studien zeigen auch, dass Frauen sich nur dann bewerben, wenn sie 100 Prozent der Kriterien erfüllen. Männer hingegen bewerben sich schon bei 60 Prozent. Das führt dazu, dass in Bewerbungsgesprächen per se schon mehr männliche Kandidaten als Frauen sitzen.

Mütter als Wieder- und Quereinsteiger nach der Elternzeit sind auch ein zentrales Thema. In der Schweiz brauchen wir einen Plan, weil nicht jede gewillt ist, in ihren Job zurückzugehen bzw. in ihren Job zurückgehen kann. Was bieten Unternehmen Frauen, die nach der Mutterschaft in den Job zurückkehren? Unternehmen müssen in diesem Punkt flexibler werden in ihren Angeboten beispielsweise durch Initiativen wie Bring Women Back to Work. Hilfreich wäre auch einen längeren Vaterschaftsurlaub zu ermöglichen, damit Frauen flexibler im Beruf sind. Solche Themen und Angebote sehe ich in den Unternehmen einfach noch zu wenig. Welche Firma bietet Kinderbetreuung an oder spezielle Angebote für Familien? Ich denke, dass das durchaus machbar und möglich ist, wenn in den Unternehmen eine von Diversity und Inclusion geprägte Kultur gelebt wird und diese Themen dann auch ernsthaft verfolgt und angegangen werden.

Wir haben jetzt viel auf die Unternehmensseite geschaut. Wenn du auf deine Erfahrungen als Führungskraft und Bring Women Back to Work blickst, was können die Frauen selbst tun?

Vanessa Gentile: Ich weiß nicht, ob es an der Erziehung oder an unseren Genen liegt. Aber wir Frauen müssen einfach aufhören, uns permanent zu entschuldigen – vor allem für Dinge, für die wir nichts können. Viele Mütter haben permanent ein schlechtes Gewissen, weil sie in Vollzeit arbeiten oder eben nicht. Ich glaube, Mütter müssen mehr an sich selbst glauben. Wir haben so viele Qualitäten. Allein durch die Mutterschaft lernen wir permanent so viel und besetzen unterschiedlichste Rollen, sind beispielsweise Lehrerinnen im Homeoffice, Seelsorgerin oder Krankenschwestern. Daher sollten wir auch im Beruf mehr Neues wagen und uns das zutrauen. Und ja, etwas Neues zu lernen, impliziert auch immer die Möglichkeit zu fallen und Fehler zu machen, aber das ist okay. Es hilft, sich die Frage zu stellen: Was kann im schlimmsten Fall passieren? entweder lernst du oder du gewinnst. Alles im Leben ist für etwas gut. Wenn man dieses Mindset der Offenheit mitbringt, sich einem neuen Weg stellt, sich selbst die Möglichkeit und Chance dazu gibt, dann führt das langfristig zum Erfolg. Alles beginnt mit der eigenen Einstellung.

Und ja, etwas Neues zu lernen, impliziert auch immer die Möglichkeit zu fallen und Fehler zu machen, aber das ist okay. Es hilft, sich die Frage zu stellen: Was kann im schlimmsten Fall passieren?

Deepa Gautam-Nigge hat uns folgende Frage für die Nächste Interview-Partnerin mitgegeben: Wie schaffen wir es, systematisch eine inklusive Kultur zu verankern, dass sich Frauen mittelfristig weiter durchsetzen und ihr Potential gezielt entfaltet wird?

Vanessa Gentile: Ich habe nicht das Erfolgsrezept, aber Frauen müssen sich gegenseitig supporten und sich bewusst sein, dass sie selbst einen Unterschied machen können. Bring Women Back to Work ist da nur ein Beispiel. Viele Menschen sprechen mich an, weil sie das auch in ihrer Firma einführen wollen. Umso besser wir Frauen uns verteilen, positionieren und im Spiel sind, desto stärker werden wir wahrgenommen und desto mehr männliche Kollegen können wir motivieren, es uns gleich zu tun und ebenfalls Frauen zu supporten. Ich meine, jeder Mann hat ja auch irgendwo eine Tochter, eine Mutter oder eine weibliche Bezugsperson, da sollte es doch selbstverständlich sein, etwas zurückzugeben. Denn wir dürfen nicht vergessen, der einzige Weg in die Welt zu kommen, ist durch eine Frau.

Umso besser wir Frauen uns verteilen, positionieren und im Spiel sind, desto stärker werden wir wahrgenommen und desto mehr männliche Kollegen können wir motivieren, es uns gleich zu tun und ebenfalls Frauen zu supporten.

Welche Frage möchtest Du uns für unsere nächste Interview-Partnerin mitgeben?

Vanessa Gentile: Was bedeutet eigentlich Glück für diese Person? Was bedeutet das konkret im Business-Kontext?

Vielen herzlichen Dank für deine Zeit und das Interview.

Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de