Wenn ich mich auf Ihren Job bewerben möchte, was würde mich im Arbeitsalltag erwarten? Und was muss ich für den Job unbedingt mitbringen?
Gohlke: Als Mitarbeiterin des Government Affairs and Public Policy Teams von Salesforce agiere ich als “Schnittstelle” zwischen Unternehmen und dem politischen Betrieb. Da sowohl das politische Tagesgeschäft als auch die Arbeit in unserem höchst innovativen Unternehmen alles andere als monoton sind, gibt es den klassischen Alltag (glücklicherweise) nicht. Interesse, sich mit neuester Technologie und gesellschaftspolitischen Entwicklungen zu beschäftigen, muss man aber auf jeden Fall mitbringen. Dies erfordert Flexibilität und konstantes Lernen. Sicherheit gibt mir dabei ein tolles, starkes Team, welches in mich investiert und mich wachsen sehen möchte. Darüber hinaus braucht man für den Job kommunikatives und politisches Gespür, Argumentationsstärke und die Fähigkeit komplexe Zusammenhänge zu analysieren und auf den Punkt zu bringen.
Sie sind für Salesforce nicht nur im Bereich Goverment Affairs tätig, sondern auch Leader des Salesforce Women´s Network Deutschland. Warum ist Ihnen Engagement im Bereich Diversity persönlich wichtig?
Gohlke: Das Thema Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit treibt mich seit jeher um. Im Verlauf meines Studiums habe ich beispielsweise mit Freunden eine Menschenrechtsorganisation gegründet, mit der wir mehr als 60.000 Kindern und Jugendlichen in Ghana Zugang zu Sexualaufklärung ermöglicht haben – ein wichtiger Aspekt, wenn es um die globale Geschlechtergerechtigkeit geht. Als ich mich nach dem Studium für einen Job in der noch immer männlich dominierten Tech-Welt entschied, war mir sofort klar, dass ich mich auch in diesem Kontext dafür einsetzen möchte, dass Männer und Frauen gleiche Chancen und Repräsentation erhalten und Frauen dazu ermutigt werden, ihren Weg zu finden und zu gehen. Im Women’s Netzwerk bei Salesforce kann ich meinen Teil zu dieser Entwicklung beitragen.
Im Salesforce-Blog ist folgendes Zitat von Ihnen zu lesen; „Sich für Vielfalt einzusetzen ist keine Frage des physischen Zusammenseins, sondern eine Geisteshaltung, die jeden Tag aufs Neue bewiesen werden muss“. Wie sieht das bei Salesforce konkret aus?
Gohlke: Das Zitat ist im Rahmen der Teilnahme von Salesforce am in diesem Jahr digital stattfindenden “Diversity Tag” der Charta der Vielfalt entstanden. Ich beziehe mich damit auf die im Raum stehende Frage, ob durch die Tatsache, dass wir in den vergangenen Monaten nicht physisch zusammen kommen konnten, unser Bestreben uns für Diversität einzusetzen gemindert wurden. Das sehe ich ganz und gar nicht. Bei Salesforce wird soziales Engagement groß geschrieben – ganz im Sinne eines der vier Kernwerte: Chancengleichheit. Für die Belegschaft bedeutet dies, dass wir beispielsweise 7 Tage im Jahr für “Volunteering time off” freigestellt sind. Diese Zeit kann bei einer gemeinnützigen Organisation oder im Rahmen der sogenannten Equality Gruppen, wozu das Women’s Network gehört, eingebracht werden. In Zeiten von Social distancing haben wir unsere Aktivitäten in den virtuellen Raum verlegt. Das Women’s Network hat seine monatlichen Lunch-Termine online abgehalten, „Abilityforce“ hat einen digitalen Filmclub gegründet, und die Mitglieder von „Outforce“ haben unsere Teilnahme am digitalen Christopher Street Day vorbereitet. Neben diesen ”Aktivitäten“ geht es mir jedoch auch darum, wie jede und jeder von uns im Alltag auftritt und sich gegen Diskriminierung jeglicher Art positioniert.
Wie lautet Ihr Karriere-Tipp an Frauen, die sich für eine Karriere in der Tech-Branche entscheiden?
Gohlke: Mach dir bewusst, was du mit deiner Persönlichkeit und deinen Fähigkeiten täglich beiträgst und traue dich, an Diskussionen teilzunehmen und – auch kritische – Nachfragen zu stellen. Als Berufseinsteigerin lässt man sich von sehr selbstsicher auftretenden Menschen, oftmals Männern, leicht abschrecken. Aber anstatt die eigene Kompetenz zu hinterfragen, sollte man lieber darauf gucken, wo man sich gut einbringen kann. Es gilt gesehen und vor allem gehört zu werden. Es gibt nicht den einen Weg und die eine Art und Weise, wie man zu sein hat, um erfolgreich zu sein. Authentizität, also dass wir unser “Wahres Ich” am Arbeitsplatz sein können und uns nicht in starre Rollenbilder zwängen lassen, ist für mich hier der Schlüssel.
Es gilt gesehen und vor allem gehört zu werden. Es gibt nicht den einen Weg und die eine Art und Weise, wie man zu sein hat, um erfolgreich zu sein.
Haben oder hatten Sie Vorbilder, die Sie inspiriert und/oder gefördert haben? Nehmen wir an Sie selbst könnten eine beliebige, weibliche Persönlichkeit (gerne aus der Tech-Branche) – egal ob lebendig oder tot – treffen: Wer wäre es und warum?
Gohlke: Jemand aus der Tech-Branche fällt mir auf Anhieb gar nicht ein – und da haben wir bereits Teil des Problems. Es gibt noch zu wenig weibliche Vorbilder! You can’t be what you can’t see! Ich bin froh, dass Initiativen wie #Ladies in Tech und andere Netzwerke sich der Aufgabe annehmen, Frauen in der Tech-Branche sichtbarer zu machen. Einen Kaffee würde ich aber gerne mal mit der Autorin und Wissenschaftlerin Brené Brown trinken gehen. Ich finde ihren Ansatz, dass es ohne eine Portion Verletzlichkeit keinen Mut gibt und dass dies ein essenzieller Faktor für erfolgreiche Führungskräfte ist, unheimlich spannend und inspirierend. Viele ihrer Ansätze lassen sich übrigens nicht nur auf die Arbeitswelt beziehen, sondern auf alle unsere Beziehungen. Neben ihren Büchern kann ich den Ted Talk “the power of vulnerability” empfehlen.
Die Coronakrise wird in Bezug auf die Auswirkungen zur Geschlechtergerechtigkeit sehr unterschiedlich bewertet. Die Soziologin Jutta Allmendinger mahnte jüngst, die Pandemie befördere alte Rollenmuster. „Um drei Jahrzehnte werde der erreichte Fortschritt in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit zurückgeworfen. Anderseits gehen Studien (z. B. das „Working Paper No. 26947“ der Cambridge University) davon aus, dass Frauen langfristig vom Corona-bedingten Wandel unserer Arbeitswelt profitieren können, bspw. dadurch dass Männer im Homeoffice auch die Kinderbetreuung übernehmen und damit die Bereitschaft steige, dies auch zukünftig verstärkt zu tun. Wie bewerten Sie die Auswirkungen der Pandemie auf die Geschlechtergerechtigkeit?
Gohlke: Was vorher nicht gelebt wurde, wurde durch die Pandemie weder zerstört, noch befördert. Die Frage, die im Raum steht ist, ob hier vielleicht nur sichtbarer geworden ist, dass bestimmte Rollenmuster eben noch nicht überwunden sind? Dass Kindeserziehung häufig weiterhin Frauensache ist, zeigt sich auch daran, dass erst eine geringe Anzahl an Vätern Elternzeit nimmt. Unabhängig von der Coronasituation stimme ich jedoch der Annahme zu, dass der Trend hin zu mehr Flexibilität in der Arbeitswelt – sei es was Arbeitszeiten oder aber auch den Ort der Arbeit angeht – enorme Vorteile z.B. für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bringt. Unternehmen sollten auf die individuellen Umstände in Familien eingehen und Führungskräfte müssen mit gutem Beispiel voran gehen. Letztendlich muss es aber einen gesellschaftlichen Wandel geben in dem die Männer “mitziehen”. Bei Salesforce sprechen wir in diesem Kontext von “Allies”, also Verbündeten. Was mir aber auch wichtig ist zu erwähnen: Von steigender Flexibilität profitieren nicht nur Mütter! Es gibt unzählige Lebensmodelle und ich halte nichts davon diese Debatte nur auf das Thema Familie zu reduzieren. Vielmehr geht es um Gleichberechtigung in allen Lebenswelten!
Unabhängig von der Coronasituation stimme ich jedoch der Annahme zu, dass der Trend hin zu mehr Flexibilität in der Arbeitswelt – sei es was Arbeitszeiten oder aber auch den Ort der Arbeit angeht – enorme Vorteile z.B. für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bringt. Unternehmen sollten auf die individuellen Umstände in Familien eingehen und Führungskräfte müssen mit gutem Beispiel voran gehen.
Viele Unternehmen erkennen Diversität als wichtig an, gründen Initativen um Diversität zu fördern. Dennoch gelingt der Wandel beispielsweise im Aspekt Gender und Frauen in Führungspositionen nur schleppend. Was braucht es um mehr Vielfalt in Führungsetagen zu bringen?
Gohlke: Ich finde es erschreckend, dass es in deutschen Chefetagen mehr Männer mit Namen Thomas und Michael gibt als Frauen insgesamt. Der Erkenntnis müssen Taten folgen. Bei der Entscheidung wie diese auszusehen haben, helfen Daten und klare, messbare Ziele. Woran liegt es eigentlich, dass nicht genug Frauen in leitenden Funktionen sind? Werden nicht genug Frauen eingestellt oder verlassen die Frauen ab einer bestimmten Stufe das Unternehmen und wenn ja, warum und so weiter. Bei Salesforce erhalten die leitenden Führungskräfte beispielsweise monatlich eine Übersicht mit Angaben zu Personalbestand, Einstellungen, Fluktuation und Beförderungen nach Geschlecht. Auf Basis der Daten gilt es dann die passenden Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Beispiele sind hier ein Recruiting-Prozess, der darauf ausgerichtet ist, einen diversen Kandidatenpool zu generieren sowie transparente Beförderungsprozesse. Hinzu kommen natürlich die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das Sicherstellen, dass der Grundsatz gilt: Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit! Bei Salesforce überprüfen wir beispielsweise regelmäßig alle Gehälter, um sicherzustellen, dass es keine grundlosen Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen gibt.
Wir geben Ihnen jetzt mal einen weiteren interessanten Job und machen Sie zur Chefredakteurin eines Leitmediums – egal ob Handlesblatt, Die Zeit oder FAZ: Welche Schlagzeile würden Sie zum Thema „Diversity/Frauen in der Tech-Branche“ im Aufmacher-Artikel gerne lesen? Und was soll in dem Artikel stehen?
Gohlke: Ich würde mich sehr freuen, wenn demnächst zu lesen wäre: “Die Tech-Branche – Ein Abbild der Gesellschaft“. Was ich damit meine ist, dass die Belegschaft ein Spiegel der Gesellschaft, in der wir leben und arbeiten sein sollte – und zwar in jeglicher Hinsicht. Dies ist auch ein Ziel, welches wir bei Salesforce verfolgen.
Auf Ihrem LinkedIn Account schreiben Sie: Vielfalt bringt nachweislich wichtige Impulse und befeuert die Innovationskultur und -kraft von Unternehmen. Was sollte eine Führungskraft aus Ihrer Sicht im Hinblick auf die Teamkonstellation beachten, wenn sie die Innovationskraft steigern will?
Gohlke: Das ist jetzt nicht überraschend, aber: “Stellen Sie Ihr Team so divers wie möglich auf und zwar bezüglich vielerlei Kriterien!” Homogene Teams haben eine Tendenz sich selbst zu bestätigen und gewohnte Wege zu beschreiten. Das kann schnelle, aber langfristig keine guten und nachhaltigen Ergebnisse erzeugen. Konkurrenz belebt das Geschäft. Menschen mit diversen Hintergründen und Erfahrungen bringen unterschiedliche Sichtweisen ein. Diese unterschiedlichen Perspektiven beleben Diskussionen, fördern Inspiration und Innovation. Das Ergebnis nach einem Arbeitsprozess, der nicht nur ein-, sondern mehrdimensional war, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein besseres sein.
Stellen Sie Ihr Team so divers wie möglich auf und zwar bezüglich vielerlei Kriterien!” Homogene Teams haben eine Tendenz sich selbst zu bestätigen und gewohnte Wege zu beschreiten. Das kann schnelle, aber langfristig keine guten und nachhaltigen Ergebnisse erzeugen.
Wir möchten gerne auch Ihre Aspekte und Fragen in die Diversity-Debatte einbringen. Gibt es eine Frage, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung findet oder ein Herzensthema, das Sie umtreibt? Welche Frage möchten Sie uns in diesem Zusammenhang für die nächste Interview-Partnerin mitgeben?
Gohlke: Wie gewinnen wir mehr Männer als “Allies” – also als Verbündete – um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen?
Vielen herzlichen Dank für das Interview, Frau Gohlke.
Für unsere Serie #LIT Ladies in Tech suchen wir weitere spannende Interview-Partnerinnen und -Partner. Kontaktieren Sie uns gerne bei Interesse. Schreiben Sie gerne eine E-Mail an: hanna.vonderau(at)eco.de